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Baby-Ernährung Wie lange will ich meinem Kind die Brust geben?

Wie lange will ich stillen?
Wie lange will ich stillen?
© Thinkstock / iStock
Die meisten Mütter wollen ihr Baby stillen. Aber irgendwann findet er statt – der Abschied von der Brust. Nur: Wann genau ist der richtige Zeitpunkt dafür? Fünf Mütter erzählen, wie sie sich entschieden haben. Plus: Wir haben mit einer Expertin über die richtige Stilldauer gesprochen.

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Stillen – ja, nein, wie lange?

Die Frage ist persönlich. Die Frage ist emotional. Und vor allem ist sie verdammt schwer zu beantworten: Wie lange will ich stillen? Dass ausschließliches Stillen für Babys in den ersten vier bis sechs Monaten das Beste ist, gilt mittlerweile als unbestritten. Was aber nicht bedeutet, dass es auch die Mutter als das Beste für sich empfinden muss. Und danach wird’s sogar noch komplizierter: Sollte mit dem ersten Brei das Abstillen beginnen? Oder bleibt das Stillen auch jetzt noch wichtig?

Hier reden fünf Mütter ganz persönlich über das Stillen – wie lange sie ihrem Kind die Brust gegeben haben, und warum sie irgendwann den richtigen Zeitpunkt gekommen sahen, damit aufzuhören. Die Entscheidung fielen bei allen aus ganz unterschiedlichen Gründen: Während die eine Mutter nach zwei Monaten den Kampf mit Stillhütchen und der bangen Frage, ob ihr Baby von ihrer Milch satt werde, aufgab, stillte eine andere Mutter ihr Kind noch, wenn sie es aus dem Kindergarten abholte – einfach, weil sie es praktisch fand. Eine dritte Mutter wiederum freute sich nach sechs Monaten als Stillende darauf, endlich wieder so viel Sekt trinken zu können, wie sie wollte.

Stillpause

Wie lange will ich stillen – eine Frage der Kultur

Darüber erhitzen sich die Gemüter. Warum? Weil die Frage nach der Stilldauer zunächst einmal eine kulturelle ist: Die durchschnittliche Gesamtstilldauer liegt zwar weltweit bei etwa 30 Monaten, doch die regionalen Unterschiede sind immens. Während bei dem afrikanischen Stamm der Kung drei bis vier Jahre üblich sind, beantworten viele französische Mütter die Frage nach dem richtigen Abstill-Zeitpunkt ganz nüchtern: "zum Krippenstart" – also mit etwa sechs Wochen. Oder sie fangen erst gar nicht damit an, die Brust zu geben.

Wie lange Frauen bei uns stillen, weiß niemand – es gibt schlicht keine aktuelle Untersuchung. Das erstaunliche Ergebnis unserer Umfrage auf Eltern.de: Fast die Hälfte der insgesamt knapp 800 Userinnen, die geantwortet haben, gibt an, über den ersten Geburtstag hinaus gestillt zu haben. Das zeigt: Länger als ein halbes Jahr zu stillen ist längst kein Nischenthema einiger Öko-Mütter mehr.

Wie lange will ich stillen – das sagt die Wissenschaft

Studien belegen, dass eine längere Stillzeit für Mutter und Kind gesundheitlich nur Vorteile hat. Deshalb empfiehlt etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO) explizit auch Müttern in Industrienationen, ihr Kind begleitend zu altersangemessener Beikost bis zum zweiten Geburtstag oder sogar darüber hinaus zu stillen, wenn es ihnen damit gut geht. Gleichzeitig ist auch klar: Diese Empfehlung hat hier lange nicht die Dringlichkeit wie etwa in Entwicklungsländern. Denn wir haben das Privileg, jederzeit auf hochwertige Babynahrung zurückgreifen können. Zusammengefasst heißt das: Mütter können ihr Kind mit gutem Gewissen so lange stillen, wie sie möchten. Und wenn sie genug haben, ist es genug – ob nach einigen Wochen oder nach vielen Monaten.

Wie lange will ich stillen – das sagt die Expertin:

Warum stillen viele Frauen früher ab als geplant? Und wie können sich stillende Mütter das Leben leichter machen? Darüber sprach ELTERN-Autorin Nora Imlau mit Vivian Weigert. Die Stillberaterin und Leiterin der Fachstelle für Säuglingsfragen e. V. in München hat ein einfühlsames und hilfreiches Buch zum Thema veröffentlicht: "Stillen. Das Begleitbuch für eine glückliche Stillzeit"* (Mankau Verlag, 12,90 Euro).

Fast alle Schwangeren geben in Umfragen an, ihr Baby die empfohlenen vier bis sechs Monate voll stillen zu wollen. Weniger als der Hälfte gelingt das. Fehlt es deutschen Müttern an Durchhaltevermögen?
Nein, und auch nicht an gutem Willen. Wenn eine Stillbeziehung nach wenigen Wochen endet, dann in den seltensten Fällen auf Wunsch der Mutter. "Bei mir hat's leider nicht geklappt“, sagen mir diese Frauen traurig. Dieses Bild ist immer noch in den Köpfen: dass Stillen irgendwie Glückssache ist. Die einen können's, die anderen nicht. Und in Wirklichkeit? Kann es praktisch jede Frau – wenn sie die richtige Beratung und Unterstützung bekommt.

Ein Satz, den viele Frauen nicht gern hören.
Ja, weil er für sie wie ein Vorwurf klingt: Jede kann stillen – warum nicht auch du? So meine ich ihn aber nicht. Ich will Frauen vielmehr Mut machen: Ihr habt die wunderbare Gabe, euer Baby an der Brust ernähren zu können. Lasst euch das nicht nehmen, sondern fordert die Hilfe ein, die ihr braucht. Denn die Gründe für unfreiwilliges frühes Abstillen sind immer die gleichen. Entweder starke Schmerzen beim Stillen oder das Gefühl, das Baby würde nicht satt. Probleme, die mit der richtigen Stillberatung oft gar nicht erst auftreten würden – oder schnell gelöst werden könnten.

Wie können Frauen sonst noch verhindern, dass sie unfreiwillig früh abstillen?
Wir wissen heute, dass die ersten Stunden nach der Geburt ungeheuer wichtig sind für die Stillbeziehung. Also sollten Mütter darauf bestehen, in dieser Zeit nicht von ihrem Baby getrennt zu werden. So kann die U1 beispielsweise auch auf dem Bauch der Mutter gemacht werden, und alle Routine kann warten, bis das Baby zum ersten Mal an der Brust lag.

Wenn dann das Stillen gut und schmerzfrei klappt ...
... genießen es die meisten Frauen sehr. Das Baby wächst und gedeiht, und in dieser Phase denken die wenigsten Mütter ans Abstillen. Das ändert sich allerdings recht zuverlässig mit dem vierten Lebensmonat.

Was ist da los?
In diesem Alter lassen sich Babys leicht ablenken. Sehen sie beim Trinken etwas Spannendes, zappeln sie herum, docken sich ab – und holen in der Nacht die Milchmahlzeiten des Tages nach. Die Mütter haben nachts also stündlich ihr Kind an der Brust, sind erschöpft und denken dann: Wahrscheinlich reicht meine Milch eh' nicht mehr!

Was ist die Alternative?
Das Baby ganz bewusst tagsüber mindestens alle drei Stunden an die Brust zu legen und durch häufigeres Wechseln beider Seiten die Mahlzeiten tagsüber wieder zu verlängern, nachts hingegen nur das Minimum anzubieten.

Dann werden die Nächte von selbst besser?
Meistens, ja. Allerdings brauchen Babys etwa zwei Wochen, um sich umzustellen. Leider beobachte ich immer wieder, dass Mütter denken, sie dürften nicht in den Stillrhythmus eingreifen. Schreibt eine Mutter in einem Internetforum, dass sie von den durchgestillten Nächten völlig erschöpft ist, kriegt sie oft zur Antwort: "Halt durch und gib deinem Baby jederzeit, was es braucht!" Damit wird ihr Problem aber weder ernst genommen noch gelöst, denn das Baby könnte seinen Bedarf auch tagsüber stillen. Viele Frauen wollen vor allem deshalb abstillen, weil sie den Schlafmangel nicht mehr aushalten. Wenn ich ihnen dann vorschlage, erst mal nur nachts abzustillen, sind sie ganz verblüfft. Das soll gehen? Klar geht das!

Und wie genau?
Indem es in einem bestimmten Zeitfenster nachts keine Milch mehr gibt, während man tagsüber für ein ausreichendes Angebot sorgt. Ist ein Baby älter als sieben oder acht Monate, sehe ich darin kein Problem. Natürlich ist es wichtig, ein Baby mit dem Frust über die Umstellung nicht allein zu lassen, es zu trösten und mit ihm zu kuscheln. Aber meist akzeptieren Babys diese neue "Still-Ordnung" schnell und schlafen in der nächtlichen Pause durch – und die Mutter ist dann so ausgeschlafen, dass sie das Stillen tagsüber wieder genießen kann.

Sie betonen die Vorteile des Stillens übers erste halbe Jahr hinaus. Schlimm, wenn eine Mutter dazu keine Lust mehr hat?
Nein. Entscheidet sich eine Frau bewusst dafür, abzustillen, gibt es daran nichts auszusetzen. Traurig ist nur, wenn sie selbst das Gefühl hat, es sei zu früh – etwa, weil jemand sie dazu drängt.

Wann ist denn aus Ihrer Sicht der optimale Zeitpunkt?
Ganz einfach: wenn eine Mutter merkt, dass sie nicht mehr stillen will. Nicht, weil die anderen sagen, sie sei eine Glucke. Sondern weil sie selber spürt: Jetzt ist es genug. Eine zu kurze Stillzeit gibt es übrigens nicht. Stillen ist immer wertvoll. Egal, ob eine Mutter ihrem Kind einige Wochen oder viele Monate lang die Brust gegeben hat – sie kann in jedem Fall sehr stolz darauf sein.


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