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Was haben unsere Kinder aus Corona gelernt? – 5 Fragen an Patricia Cammarata

Junge mit Mundschutz schaut aus dem Fenster
© Gargonia / iStock
Homeschooling, Kontaktsperre, Abstand und Co haben in der Coronakrise das Leben unserer Kinder auf den Kopf gestellt. Welchen Einfluss die Corona-Zeit auf sie hat und ob der erhöhte Medienkonsum negative Folgen hat, beantwortet Expertin Patricia Cammarata.

BARBARA.de: Liebe Patricia, was haben Kinder und Jugendliche deiner Meinung nach aus der Corona-Krise Positives gelernt?

Patricia Cammarata:
Ganz sicher haben sie gelernt sich Informationen aus verschiedenen Quellen eigenständig zusammenzusuchen und auch mal aktiv nachzufragen, wenn es Lücken gibt. Je jünger die Kinder, desto mehr Unterstützung werden sie aber genau dabei gebraucht haben. Bei unserem Teenagerkind hatte ich den Eindruck, es hat alles gelernt, was man normalerweise erst nach der Schule lernt wie z.B. sich selbst zu organisieren, Deadlines einzuhalten, Vor- und Nachteile von Teamarbeit.

Welche negativen Auswirkungen könnte es geben?
Es gibt Kinder, die nicht in privilegierten Familien leben, die sie bei allem begleiten und gut versorgen. Das ist aber nicht die Lebensrealität aller Kinder. Das heißt: Durch den Wegfall der Schule, fällt bei einigen Kindern z.B. das regelmäßige Essen weg. Das ist eine Katastrophe. Es gibt auch Familien, die können sich die digitalen Endgeräte nicht (oder nicht in der Anzahl und Aktualität) leisten. Diese Kinder sind dann von Bildung und Klassenverbund abgehängt. Es gibt auch ältere Kinder, die ihre jüngeren Geschwister versorgen mussten, weil die Eltern außer Haus arbeiten gehen mussten. Auch die hat es hart getroffen. In vielen Familien war außerdem die Anspannung so groß, dass häusliche Gewalt zugenommen hat. Auch das ist ein großes Problem. Die Kinder haben durch die Kontaktsperre ihre Schutzorte verloren.

Worin siehst du Gefahren im aktuell höheren Medienkonsum?
Ich sehe aktuell gar keine Gefahren, die mit erhöhtem Medienkonsum zu tun haben. Die Gefahren sind auch außerhalb von Coronazeiten die selben: Wenn Kinder unbegleitet und unaufgeklärt im Netz unterwegs sind, dann kann das problematisch werden. Das ist unabhängig davon, ob sie nun 20 oder 120 min im Netz unterwegs sind. Bestimmt werden sich einige wieder umgewöhnen müssen, was ihre Freizeitgestaltung angeht. Das war vielleicht etwas monothematisch durch die Kontaktsperre. Aber man muss einfach mal in die glücklichen Kindergesichter schauen, wenn sie nach der Kontaktsperre wieder auf den Spielplatz durften oder endlich ihre Freundinnen und Freunde gesehen haben. Dann verliert man die Angst, dass sie an nichts anderem mehr interessiert sind als an digitalen Medien.

Welche Chancen siehst du für den Schulalltag nach Corona?
Ausgehend von unseren Erfahrungen, sehe ich nicht besonders viele Chancen, denn ich gehe davon aus, dass alles auf „vor Chorona“ zurückgesetzt wird. Eine echte Chance könnte sein, dass sich die Arbeitsweise mehr vom drögen Frontalunterricht in offenere Kleinprojektarbeit verschiebt. Die Kinder haben schließlich gelernt, wie sie sich eigenständig Wissensgebiete erarbeiten.

Wie können sich Eltern fit machen, die sich mit Medien gar nicht auskennen?
Da gibt es viele Wege. Man kann regelmäßig Podcasts hören, man kann Newsletter auf Seiten wie Schau hin oder Gutes Aufwachsen mit Medien abonnieren oder man liest sich partiell in Themen ein und nutzt z.B. den Elternguide.online oder Bücher wie mein „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!". Ganz ohne Arbeit gehts leider nicht.

Seit 1997 ist Patricia Cammarata als "dasnuf" im Netz unterwegs. Sie ist Autorin, Speakerin und Podcasterin. Patricia Cammarata hat ein großes Faible für digitale Themen und schreibt unter anderem für den Elternratgeber "SCHAU HIN!", die "Let's talk"-Serie, die Eltern in digitalen Medien fit macht.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei BRIGITTE.de.


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