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Präimplantationsdiagnostik PID – Alle Fakten pro und contra

Präimplantationsdiagnostik
© SeventyFour / iStock
Die genetische Untersuchung eines künstlich gezeugten Embryos (PID) ist in Deutschland nur innerhalb enger Grenzen erlaubt. Erbkrankheiten und eine drohende Tot- oder Fehlgeburt können die Präimplantationsdiagnostik rechtfertigen. Wir erklären den Ablauf einer PID und diskutieren die ethischen Aspekte.

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Was ist eine PID?

Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein Sammelbegriff für genetische Untersuchungen an Zellen von Embryonen, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden. Die Diagnostik findet in der Regel statt, um zu verhindern, dass ein kranker Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt wird. Sie ermöglicht theoretisch auch die Selektion eines Embryos nach seinem Geschlecht oder anderen genetisch festgelegten Merkmalen. Die Eltern könnten mit ihrer Hilfe auch ein sogenanntes "Retterkind" suchen – einen Embryo, dessen Gewebe zu dem eines erkrankten Geschwisterkindes passt. Das ist beispielsweise in Großbritannien erlaubt. Die Gefahr des Missbrauchs und die Frage nach den ethischen Grenzen der Präimplantationsdiagnostik waren und sind immer wieder Gegenstand emotionaler Debatten in Politik und Gesellschaft.

Dr. Frank Nawroth    

Wie läuft eine PID ab?

Eine Präimplantationsdiagnostik braucht die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission. Eine genetische Untersuchung von Embryonen wird nur dann erlaubt, wenn aufgrund der genetischen Belastung der Eltern eine schwere Erkrankung des Kindes, eine Fehl- oder Totgeburt sehr wahrscheinlich ist.
Eine Präimplantationsdiagnostik ist nur bei Embryonen möglich, die durch eine In-vitro-Fertilisation (IVF) oder eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) künstlich gezeugt wurden. Zuerst werden durch Stimulation der Eierstöcke und Punktion zehn bis zwölf Eizellen gewonnen – mehr als zum Beispiel bei einer IVF. Nachdem Eizelle und Spermium im Labor verschmolzen sind und drei bis fünf Tage im Reagenzglas in einem Brutschrank kultiviert wurden, liegt durch die mehrfache Teilung genug Zellmaterial für die Untersuchung vor. Meistens entwickeln sich pro Zyklus drei bis vier der befruchteten Eizellen zu reifen Blastozysten weiter. Ihnen entnimmt ein Embryologe mit einer extrem feinen Nadel ein bis zwei Hüllzellen (Trophektodermzellen). Bei der sogenannten Embryobiopsie muss er die Eihaut (Zona pellucida) durchbrechen, ohne die Zellen des Embryos zu schädigen. Die Analyse der Hüllzellen reicht aus, da zu diesem Zeitpunkt bereits alle Zellen das komplette Erbmaterial der Eltern enthalten. Während die Zellen untersucht werden, dürfen sich die Blastozysten nicht weiterentwickeln. Sie werden schonend eingefroren, bis das Untersuchungsergebnis vorliegt.

Mögliche Diagnosen

Die humangenetische Untersuchung kann Auskunft geben über:

  • das Geschlecht
  • bestimmte Chromosomenfehlverteilungen (wie bei der Trisomie 21)
  • spezifische genetische Krankheiten (Über 50 Gendefekte können so nachgewiesen werden. Unter anderem schwerwiegende Erbkrankheiten wie die Stoffwechselstörung Mukoviszidose, die Bluterkrankheit (Hämophilie) oder das Nervenleiden Chorea Huntington.)

Liegt kein auffälliger genetischer Befund vor, wird der Embryo aufgetaut und in die Gebärmutter übertragen. Die Eltern bekommen mit großer Wahrscheinlichkeit ein gesundes Kind. Kranke Embryonen werden vernichtet. Bei Krankheiten, die geschlechtsgebunden vererbt werden, ist es ausreichend, das Geschlecht auszusuchen, das die Erbinformationen nicht weitergeben kann. Die Bluterkrankheit kann beispielsweise nur auf den männlichen Nachwuchs übertragen werden. Trägt die Frau ein Mädchen aus, ist es in dieser Hinsicht mit Sicherheit gesund. Ist mehr als eine Blastozyste in Hinblick auf die untersuchten Krankheiten gesund oder hat das richtige Geschlecht, können die Eltern sie auch für einen späteren Transfer eingefroren lassen (Kryokonservierung).

Wie ist die Gesetzeslage in Deutschland?

War die Präimplantationsdiagnostik vor 2011 in Deutschland generell verboten, traf die Mehrheit des Deutschen Bundestages im Juli 2011 die Entscheidung für eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung dürfen betroffene Paare, die um schwere Erbkrankheiten in ihrer Familie wissen, nun Embryonen auf Gendefekte untersuchen lassen, bevor diese in die Gebärmutter übertragen werden. Damit ist die Präimplantationsdiagnostik im Vorfeld einer künstlich herbeigeführten Schwangerschaft in Deutschland heute in einem sehr begrenzten Rahmen erlaubt. Bei Paaren, die eine schwere genetische Vorbelastung haben oder bei denen ein hohes Risiko für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht, darf der Arzt vor einem Embryonentransfer Gentests durchführen.

Das Verfahren wird allerdings nicht standardmäßig angewendet. Jeder Fall muss einzeln begutachtet und durch eine Ethikkommission entschieden werden. Derzeit gibt es in Deutschland fünf Ethikkommissionen, die jeweils einer Landesärztekammer angegliedert sind. Darüber hinaus darf das Verfahren nur in lizensierten Zentren durchgeführt werden. Durch diese Hürden wird die Zahl der PIDs in Deutschland auch in Zukunft überschaubar bleiben. Der erste Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Präimplantationsdiagnostik verweist darauf, dass im ersten Jahr nach der Zulassung des ersten Zentrums im Februar 2014 nur 13 Anträge gestellt wurden. Neuere Zahlen werden erst im nächsten Bericht Ende 2019 erwartet. Alle zugelassenen Zentren melden ihre Daten regelmäßig an das Paul-Ehrlich-Institut. Die Einrichtung fungiert als Zentralstelle zur Dokumentation aller im Rahmen einer PID durchgeführten Maßnahmen.

Pro PID: Welche Argumente haben die Befürworter?

Das Hauptargument für die begrenzte Zulassung der PID sind die Folgen, wenn sie nicht durchgeführt wird. Denn: Wird eine Erbkrankheit oder eine Chromosomenanomalie erst während der Schwangerschaft bei einer Pränatalen Untersuchung (PND) diagnostiziert, ist die Folge häufig eine Abtreibung. Ist es dann für die Frau nicht besser, dass sich der kranke Keim gar nicht erst entwickeln kann? Und welche Rechte hat das Kind? Fragen, die im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag, in der Gesellschaft und den Kirchen sehr kontrovers diskutiert wurden.

Contra PID: Welche Argumente haben die Gegner?

Die Gegner der Präimplantationsdiagnostik sehen schon im Embryo schützenswertes Leben, das vom Menschen nicht nach medizinischen Kriterien selektiert werden darf. Die PID ist für sie ein weiterer Schritt zum Designer-Baby. Den Verweis darauf, dass vorgeburtliche Untersuchungen im Mutterleib (PND) und Spätabtreibungen erlaubt sind und die PID diese minimieren könne, lassen sie als Pro-Argument nicht gelten. Immerhin sehe man gerade an der Pränatalen Diagnostik, dass ein Verfahren, das zunächst als Ausnahme gedacht war, viele Frauen mittlerweile als Standardprogramm der Vorsorge nutzen. Die Kritiker verweisen auch auf das Ausland, wo sich die Präimplantationsdiagnostik auf immer mehr Krankheitsbilder und gar Behinderungen ausgeweitet habe. Die Gegner befürchten, dass behinderte Menschen stärker diskriminiert werden und sich die Eltern dem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen, weil sie sich bewusst für ein behindertes Kind (z.B. mit Down-Syndrom) entschieden oder die vorhandenen diagnostischen Möglichkeiten nicht genutzt haben.

Welche medizinischen Risiken sind mit einer PID verbunden?

Die Frau trägt die gleichen körperlichen Risiken wie bei einer IVF oder ICSI (Mehrlingsschwangerschaften, psychische Belastung, OHSS). Da aber für die genetische Untersuchung mehr Eizellen gewonnen werden müssen, ist eine stärkere Stimulation der Eierstöcke notwendig als bei einer künstlichen Befruchtung ohne Präimplantationsdiagnostik. Dabei kann es leichter zu einem Ovariellen Hyperstimulations-Syndrom kommen. Dank engmaschiger Ultraschall-Untersuchungen ist die Gefahr jedoch eher gering.

Die seelische Belastung des Paares ist dagegen größer als bei einer normalen künstlichen Befruchtung. Die Eltern müssen mit dem Gedanken leben, sich nach der Diagnose vielleicht ganz bewusst gegen ein Kind entscheiden zu müssen, das eine Beeinträchtigung mit sich bringt.
Die weitaus größeren Risiken liegen beim einzelnen Embryo:

  • Werden bei der Untersuchung die embryonalen Zellen verletzt, wird der betroffene Embryo nicht ausgewählt und stirbt.
  • Auch diejenigen, die Träger einer Krankheit sind, die die Eltern ausschließen wollen, oder bei denen nur ein unklarer Befund vorliegt, werden aussortiert.
  • Lange ging man davon aus, dass die Entnahme von Zellen in diesem frühen Stadium der menschlichen Entwicklung keinen Schaden nach sich zieht. Neuere Studien weisen aber darauf hin, dass die betroffenen Embryonen in einigen Fällen unter Entwicklungsverzögerungen leiden.

Außerdem wichtig: Im Rahmen einer PID können viele Krankheiten diagnostiziert werden, aber längst nicht alle. Das heißt: Die Selektion von Embryonen führt somit nicht in allen Fällen zu einem gesunden Kind.

Dr. Frank Nawroth    

Gibt es Alternativen zur PID?

Paare, die wissen, dass sie Träger bestimmter Erbkrankheiten sind oder aus anderen Gründen befürchten, ihr Kind könne nicht gesund sein, können in Deutschland unterschiedliche Verfahren der pränatalen Diagnostik (PND) nutzen.
Für werdende Eltern, die auf natürlichem Weg schwanger geworden sind, ist die Pränataldiagnostik ohnehin die einzige Möglichkeit, Informationen über mögliche Krankheiten oder Fehlbildungen zu bekommen. Schließlich ist die Präimplantationsdiagnostik nur bei künstlich erzeugten Embryonen möglich.

Ohne Risiko für das Kind sind:

  • Einfache und erweiterte Ultraschalluntersuchungen
  • Nackenfaltentransparenzmessung
  • Bluttest des mütterlichen Bluts

Nicht ohne Risiko sind:

Wo darf eine PID durchgeführt werden?

Eine PID darf laut dem 2011 geänderten Embryonenschutzgesetz nur in dafür zugelassen Zentren durchgeführt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Verfahren nur Ärzte und Wissenschaftler durchführen, die auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis sind und über die notwendige diagnostische, medizinische und technische Ausstattung verfügen. Eine aktuelle Liste der deutschen PID-Zentren kann auf der Homepage des Bundesverbands Arbeitsgemeinschaft Präimplantationsdiagnostik in Deutschland im Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. (BRZ) heruntergeladen werden.

Was kostet die PID?

Zusätzlich zu den Kosten der künstlichen Befruchtung kommen für die humangenetische Untersuchung der erzeugten Embryonen, je nach Indikation und genetischem Testverfahren, zwischen 10.000 und 15.000 Euro hinzu. Die Behandlung ist bisher keine Kassenleistung. Das PID-Zentrum Lübeck empfiehlt den Paaren dennoch, ein Antrag auf Kostenerstattung bei ihrer Versicherung zu stellen, in dem die Notwendigkeit der Diagnostik im konkreten Fall dargelegt wird.

Die Kosten der IVF oder ICSI übernehmen die Kassen nur dann anteilig, wenn zusätzlich eine Fruchtbarkeitsstörung vorliegt.

Ist die PID in anderen Ländern erlaubt?

In Luxemburg und Irland wird das Verfahren nicht durchgeführt, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlen oder sich das Verbot bereits aus der Verfassung ergibt. In Italien ist die Präimplantationsdiagnostik nur erlaubt, um der Unfruchtbarkeit eines Paars Abhilfe zu schaffen. In anderen europäischen Nachbarländern ist sie zwar erlaubt, unterliegt aber ähnlichen Einschränkungen wie in Deutschland. Die Diagnostik von schweren Erbkrankheiten steht an erster Stelle als Argument für eine PID. Ein Aneuploedie-Screening, also eine Untersuchung auf eine Chromosomenfehlverteilung, ist in Österreich und Frankreich nicht gestattet. Die Auswahl immunkompatibler Embryonen, die später als Spender für erkrankte Geschwister („Retterkinder“) fungieren sollen, ist in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden verboten, während sie in Norwegen, Schweden und Frankreich erlaubt ist. 
So verschieden die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Europa sind, in der Frage der Geschlechterauswahl ist man sich relativ einig. Embryonen dürfen nur nach ihrem Geschlecht selektiert werden, wenn die Auswahl aufgrund einer geschlechtschromosomal vererbbaren Krankheit stattfindet. In den meisten US-Staaten und in Israel dürfen Embryonen auch nach ihrem Geschlecht selektiert werden. Das sogenannte „social sexing“ wird in den USA dabei in erster Linie genutzt, um das Geschlechterverhältnis innerhalb einer Familie auszubalancieren. Die Bevorzugung eines Geschlechts konnte nicht nachgewiesen werden.


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