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So gehts! Nachhaltige Erziehung von Anfang an

Nachhaltige Erziehung: ein kleines blondes Mädchen umarmt einen Baum
© paffy / Shutterstock
Unsere Erde ist verletzlich, wir müssen gut auf sie aufpassen – wie lernen Kinder das von Anfang an?

AB 3 JAHREN

Spielplatz Natur

Wie wir kleine Kinder für Ökothemen begeistern? Indem wir mit ihnen einfach öfter mal rausfahren.

Es war sein allerbester Kindergeburtstag, sagt unser Sohn Paul, auch wenn seine Kindergartenzeit schon eine Weile her ist. Dabei war das Fest keineswegs spektakulär: kein Zauberer, keine Eventhalle, und Glitzer-Sticker gab’s auch nicht. Wir haben die ganze Bande einfach in die Tram gesetzt und sind mit ihr an den Stadtrand gefahren, Schnüre und Taschenmesser im Gepäck, ordentlich Brotzeit und sehr viel Apfelschorle. Ort der Handlung: ein Bach mit knietiefem Wasser, Steine, Matsch, Brennnesseln, Bäume und Gebüsch. Idyllisch? Ja, sehr, auch wenn es eigentlich nur ein Stück Brachland war, eingeklemmt zwischen zwei Spazierwegen.

Es war ein Experiment, von dem wir nicht wussten, ob es funktioniert: Kriegen die das hin, unsere durchgetakteten Großstadtkinder, einen ganzen Nachmittag ohne Programm, nur so spielen in der Natur? Ohne Animation und elterliche Aufforderung: Wollt ihr nicht mal … Natürlich hat es funktioniert, jedes Mal, denn hier irrt Paul, es war nicht ein allerbester Geburtstag, wir haben die Bullerbü-Party – wegen des großen Erfolgs – immer wieder neu aufgelegt. Mit den Kindergartenkumpels am Bach, mit den Grundschulfreunden im Wald, und als Paul sein erstes Fest ohne uns mit Lagerfeuer, Sternschnuppen-Gucken und Draußen- Übernachtung gefeiert hat, haben wir uns zufrieden abgeklatscht.

Genau darum gehe es schließlich, sagt Umweltpädagogin Ute Mayer: "Für Umweltthemen begeistern sich Kinder, wenn sie die Natur als etwas Schönes erleben und eine Beziehung zu ihr aufbauen können." Das funktioniert in jedem Alter und auch schon bei den Kleinen, weil die Natur – im Gegensatz zum vorkonfektionierten Spielplatz – Kindern immer auf Augenhöhe begegnet: Jeder macht, was er kann. Die Kleinen krabbeln von der Decke, beobachten Käfer, rupfen Grashalme, sortieren Stöckchen; die Größeren nehmen ihren Mut zusammen und trollen sich ein paar Bäume weiter, wo sie ihre Eltern zwar noch hören, aber nicht mehr sehen können. Kleine Kinder balancieren auf großen Baumstämmen, große auf kleinen. Und jeder klettert exakt so hoch auf den Baum, wie er sich traut.

Die Natur begegnet Kindern auf Augenhöhe

Der Trick ist: "den natürlichen Forschertrieb zuzulassen und bei ersten vorsichtigen Fragen nicht sofort ein Pflanzenbestimmungsbuch zu zücken", rät Umweltpädagogin Mayer, das komme mit der Zeit von ganz allein. Bis dahin "ist es viel schöner, erst einmal gemeinsam zu staunen, als sofort alles besser zu wissen". Erlaubt ist, was Spaß macht: vor einem Ameisenhaufen chillen, Tannenzapfen zählen, aus großen Zweigen eine Hütte bauen oder wild herumrennen. "Hauptsache, es ist schön im Wald oder Park. Weil Kinder so das Allerwichtigste lernen: Wir müssen bewahren, was wir lieben."

AB 8 JAHREN

So geht Öko

Es gibt keinen Masterplan, Kinder für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Aber viele kleine Stellschrauben, an denen wir drehen können.

Äpfel wachsen nicht im Supermarkt

Wie das mit dem Pflanzen und Ernten funktioniert, lernen Kinder nicht durch kluge Kinderbücher, sondern indem sie es tun: Für Kresse reicht ein Papiertaschentuch, eine Untertasse und regelmäßig Wasser. Radieschen lassen sich im Blumentopf auf dem Fensterbrett ziehen, Erbsen, Zucchini, Paprika wachsen auf dem Balkon.

Wo es den nächsten Gemeinschaftsgarten gibt, weiß Google, und wer sich einfach mal durch die Stadt naschen möchte, kann auf mundraub.org nachsehen, wo es Wildapfelbäume oder Haselnusssträucher gibt, an denen man sich for free bedienen darf. Bisschen mühsam? Klar, deshalb werfen wir auch kein Essen weg!

Kaputt?

Die Hose hat ein Loch, der Teddy ein Auge verloren, das Fahrrad einen Platten. Dass man den Teddy nicht wegwirft, versteht sich von selbst, und auch das Loch im Rad ist kein Beinbruch, wichtig ist aber vor allem: Indem wir Dinge reparieren und nicht sofort durch neue ersetzen, zeigen wir, dass sie einen Wert haben. Super, wenn Mama, Papa, Oma, Opa das mit dem Nachwuchs gestemmt kriegen, Menschen mit zwei linken Händen finden in Repair Cafés kompetente Helfer (repaircafe.org).

Ist noch voll gut!

Bei Babyklamotten tun wir es sowieso, weil die Winzlinge viel zu schnell aus den Klamotten rauswachsen, aber auch für größere Kinder und Erwachsene gilt: Secondhand-Klamotten sind nicht nur billiger, sondern vor allem nachhaltiger. Indem wir die Sachen weitergeben, eintauschen und so länger verwenden, verringern wir ihren ökologischen Fußabdruck. Eine Zahl, die angehende Umweltschützer sofort überzeugt? Um eine neue Jeans herzustellen, braucht es 8000 Liter Wasser – das ist einmal Badewanne pro Woche ein ganzes Jahr lang.

Licht aus!

Wer Strom spart, spart Geld und schont die Umwelt, weil wir weniger CO2 verbrauchen, so weit, so klar. Ernennt bei euch einen Nachwuchs-Familien-Energieberater, der durch die Wohnung geht und kontrolliert: Sind alle Lichter aus? Wie kann man das Stand-by-Licht des Fernsehers ausschalten? (Stecker ziehen oder eine schaltbare Steckdose montieren.) Muss die Heizung wirklich so warm bullern – oder kann man die einfach runterdrehen, wenn keiner im Zimmer ist? Erklärt euren Kindern, warum ihr Ökostrom nutzt. Oder wechselt! Meistens ist das noch nicht mal teurer.

Rauf aufs Rad

Jaja, es ist wahnsinnig praktisch, überallhin mit dem Auto zu fahren (außer man wohnt im Parklizenzgebiet mitten in der Innenstadt). Ökologisch ist es nicht. Und nur wenn wir unseren Kindern konsequent vorleben, dass Fahr- und Lastenräder, die eigenen Füße mit Gummistiefeln dran oder Öffis eine vernünftige Alternative sind, auch wenn das Wetter novembergrau ist, werden sie aufhören zu fragen: Fährst du mich heute mit dem Auto in die Schule?

AB 12 JAHREN

Immer wieder freitags

Ein Gespräch mit Ella Limbrunner, die schon mit acht für die Rechte von Jahrmarkt-Pferden kämpfte und jetzt mit 14 fürs Klima.

Eltern: Ella, du bist mit knapp 14 eine der jüngsten Organisatorinnen der Münchner "Fridays For Future"- Demos. Wie kam‘s?

Ella Limbrunner: Meine Eltern habe mich immer mitreden lassen, mich nach meiner Meinung gefragt. Es hat sie einfach interessiert, was ich denke. Wahrscheinlich habe ich deshalb so früh angefangen, mich mit vielen Dingen auseinanderzusetzen.

Zum Beispiel?

Es ist nicht so, dass meine Eltern permanent auf Demonstrationen waren. Aber wenn ihnen etwas wirklich wichtig war, sind sie hingegangen. Anti-Atomkraft- Demos zum Beispiel. Oder welche gegen das Polizeiaufgaben-Gesetz. Man muss was tun, wenn man will, dass sich was ändert. Den Mund aufmachen. In der Grundschule und im Hort habe ich das ganz ähnlich erlebt.

Erzähl mal.

Im Hort gab es einen Kinderrat, an dem sich alle ab der ersten Klasse beteiligen konnten. Wie wir unsere Nachmittage nach der Schule gestalten wollten etwa, aber auch, was uns sonst wichtig ist.

Als du in der dritten Klasse warst, hat euch der Münchner Stadtrat eingeladen …

Weil wir eine Petition gestartet haben, damit es in Zukunft keine Jahrmarkt-Pferde mehr gibt auf der Münchner Auer Dult und dem Oktoberfest. Weil die Tiere leiden und es nicht zeitgemäß ist, Kinder auf todunglücklichen Ponys im Kreis reiten zu lassen. Wir haben das nicht von heute auf morgen geschafft, aber es war cool zu erleben, dass uns die Stadträte zuhören und ernst nehmen. Und ab 2024 wird es auf dem Oktoberfest tatsächlich keine Jahrmarkt-Pferde mehr geben.

In der vierten Klasse hast du dich als Biene verkleidet …

Das war eine spontane Mini-Demo am letzten Schultag der Grundschule, wir wollten auf das Insektensterben aufmerksam machen.

Warum engagierst du dich für Natur- und Umweltfragen?

Mein Papa ist ein großer Vogel-Fan, welche Vogelarten wo leben, was sie brauchen, damit es ihnen gutgeht. Wir sind eine ziemlich naturverbundene Familie, gehen viel raus, essen wenig Fleisch.

Wie bist du bei "Fridays For Future" gelandet?

Der Klimawandel ist das wichtigste Thema unserer Zeit. Ich engagiere mich in der Umwelt-AG meiner Schule, aber wir lernen viel zu wenig darüber, was durch die Erderwärmung tatsächlich auf uns zukommt. Da kann man einzeln überhaupt nicht gegensteuern. Wenn ich kein Fleisch esse und versuche, meinen Konsum zu reduzieren, nützt das global gesehen gar nichts. Es muss sich etwas im System ändern. Nur wenn die Politik klare Vorgaben macht, wird es für alle einfacher, bewusster zu leben. Und auch wenn das durch die Pandemie leider fast untergegangen ist: Wir streiken weiter jeden Freitag fürs Klima – bis sich etwas ändert.

Was für die Natur tun?

# Kurse, Gruppen, Reisen, vor allem in den Bergen, gibt es bei der Jugendsektion des Deutschen Alpenvereins (jdav.de)

# Die Deutsche Waldjugend beobachtet Ameisen, Bäume, Vögel, räumt den Wald auf und wird dabei meist von einem Paten-Förster unterstützt (waldjugend.de)

# Die BUNDJugend ist politisch aktiv, es gibt Kurse und Ausflüge (bundjugend.de)

ELTERN

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