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Künstliche Befruchtung, Kindergrundsicherung Das sind die wichtigsten Punkte des Koalitionsvertrages

Ungewollt Kinderlose sollen durch neue Maßnahmen der Politik stärker unterstützt werden.
Ungewollt Kinderlose sollen durch neue Maßnahmen der Politik stärker unterstützt werden.
© Rido / Shutterstock
Nach einigen Wochen der Verhandlung sind die Ampel-Parteien zu einem Ergebnis gekommen. Am Mittwoch, den 24. November 2021, stellten sie den neuen Koalitionsvertrag vor. Wir haben für euch einige der wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Die Abschaffung des Paragrafen 219a

Das umstrittene und viel bekämpfte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche soll abgeschafft werden. "Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen", heißt es im Papier. "Daher streichen wir §219a StGB." Die Selbstbestimmung der Frau über sich und ihren Körper soll gestärkt werden. Schwangerschaftskonfliktberatungen sollen online möglich sein. Gegen Belästigungen durch Aktionen von Abtreibungsgegnern werden „gesetzliche Maßnahmen“ kommen.

Künstliche Befruchtung

Ungewollte Kinderlose sollen deutlich besser unterstützt werden. "Künstliche Befruchtung wird diskriminierungsfrei auch bei heterologer Insemination unabhängig von medizinischer Indikation, Familienstand und sexueller Identität förderfähig sein", heißt es im Koalitionsvertrag. Der Bund übernehme 25 Prozent der Kosten unabhängig von einer Landesbeteiligung. Hinzu kommt: "Wir stellen klar, dass Embryonenspenden im Vorkernstadium legal sind und lassen den 'elektiven Single Embryo Transfer' zu." Sodann planen die Ampel-Parteien, "zu einer vollständigen Übernahme der Kosten zurückzukehren. Die Kosten der Präimplantationsdiagnostik werden übernommen." Es soll eine Kommission eingesetzt werden, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen werde.

Kindergrundsicherung

Bei der Kindergrundsicherung geht es um eine Bündelung der bisherigen finanziellen Unterstützungen wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets sowie dem Kinderzuschlag. "Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen." Sie soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendliche gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbeitrag, heißt es im Koalitionsvertrag.

Bezahlter "Urlaub“ für Partner:innen nach der Geburt

Der Partner oder die Partnerin soll nach der Geburt zwei Wochen bezahlt freigestellt werden, darauf wies Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungsrede am 14. Dezember hin. Die Eltern sollen somit die Möglichkeit bekommen, die ersten 14 Tage ganz für sich und das Baby zu nutzen. Bisher muss sich das zweite Elternteil aktiv Urlaub nehmen, um die erste Zeit zu Hause zu sein.

Das Transsexuellengesetz soll abgeschafft werden

Das Transsexuellengesetz soll durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden. "Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote" heißt es im Vertrag. Die geschlechtsangleichenden Behandlungen "müssen vollständig von der GKV (Anmerkung Redaktion: Gesetzliche Krankenversicherung) übernommen werden."

Des Weiteren: "Für Trans- und Inter-Personen, die aufgrund früherer Gesetzgebung von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen sind, richten wir einen Entschädigungsfonds ein", so der Wortlaut im Vertrag. Ein vollständiges Verbot von Konversionsbehandlungen wird geprüft. "Das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, sowie für Trans-Personen schaffen wir ab, nötigenfalls auch gesetzlich."

Pflege

Die Ampel-Koalitionäre wollen für den Pflegebonus eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Das Pflegegeld für die Pflege zu Hause soll von 2022 an regelmäßig erhöht werden.

Rechte für Eltern im Job

Die Ampel möchte die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil auf 15 Tage und für Alleinerziehende auf 30 Tage erhöhen. Auch sollen Mütter und Väter nach der Elternzeit arbeitsrechtlich besser geschützt werden. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Wir verlängern den elternzeitbedingten Kündigungsschutz um drei Monate nach Rückkehr in den Beruf, um den Wiedereinstieg abzusichern." Es kann also nicht mehr passieren, dass Frauen oder Männer, die aus der Elternzeit zurückkommen, direkt die Kündigung auf dem Tisch haben. Und man darf insgesamt auf mehr Rechte für Eltern im Job hoffen, denn die Ampel verspricht: "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten." 

Wahlrecht

Das aktive Wahlalter für die Wahl zum Bundestag und für das Europäische Parlament soll auf 16 Jahre gesenkt werden. In Deutschland bedarf es dafür einer Änderung des Grundgesetzes, für Europawahlen könnten die Koalitionäre diese Reform mit einfacher Mehrheit beschließen.

Führerschein

Begleitetes Fahren soll bereits ab 16 statt wie bisher mit 17 Jahren möglich sein. Bis zum 18. Lebensjahr besteht die Auflage, den Pkw nur in Begleitung einer mindestens 30-jährigen Begleitperson zu fahren.

Mindestlohn

In einer einmaligen Anpassung soll der Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde erhöht werden.

Bürgergeld

Hartz IV soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, dass das Bürgergeld in den ersten beiden Jahren des Bezugs ohne Anrechnung des Vermögens gewährt und die Angemessenheit der Wohnung anerkannt wird.

Cannabis

Es soll eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften eingeführt werden.

Klima

Der Kohle-Ausstieg soll vorgezogen werden – "idealerweise gelingt das schon bis 2030", heißt es in der Vereinbarung. Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen. Dafür soll der Wind- und Solarstrom massiv ausgebaut werden. Insgesamt soll der Klimaschutz künftig stärker als bisher in die Entscheidungen der Bundesregierung einbezogen werden.

Wohnen

Das Ziel des Koalitionsvertrages ist es, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, davon sollen 100.000 öffentlich gefördert sein. Unter anderem soll die Mietpreisbremse verlängert und verschärft werden. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu elf Prozent steigen dürfen statt der bisher bis zu 15 Prozent.

Verwendete Quellen: sueddeutsche.de, Koalitionsvertrag SPD, FDP und Grüne, tagesschau.de

Dieser Artikel ist zuerst auf Brigitte.de erschienen.

slr

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