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Verdauung Stress mit dem Stuhlgang?

Wenn das Kind auf dem Töpchen nicht mehr zu Potte kommt, ist Darm-Alarm. Aber was genau ist Verstopfung und was können Eltern tun, damit die Schmerzen abklingen und der Stuhlgang der Kleinen wieder flutscht? Hier kommen die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Wenn die "Sitzung" zur Qual wird

Baby hat Verstopfung
Baby hat Verstopfung
© ivolodina / iStock

Verstopfung gilt als typisches Frauenproblem. Dass auch Kinder darunter leiden können, wissen meist nur die betroffenen Eltern. Wobei das, was sie für Verstopfung halten, sich meist nicht ganz mit dem deckt, was Ärzte als "Obstipation" definieren.
Die meisten Menschen verstehen unter Verstopfung nämlich nur ausbleibenden beziehungsweise seltenen Stuhlgang. Mediziner zählen dazu noch mehr: "große Geschäfte", die nur aus wenigen, kleinen Bröckchen bestehen; das unangenehme Gefühl, auf dem Klo nicht alles loswerden zu können; Schmerzen beim Stuhlgang.
Auch Menschen, die nur nach langen, mühevollen "Sitzungen" zu Potte kommen, gelten medizinisch als verstopft. Vor allem, wenn sie - wie das bei Kindern nicht selten der Fall ist - gleichzeitig unter Bauchweh, übel riechenden Blähungen, fehlendem Appetit oder Übelkeit leiden.

Eine Mutter wechselt ihrem Baby die Windeln.

Auch Kinder leiden unter Verstopfung

Aus Angst vor Schmerzen verkneifen sich betroffene Kinder den nächsten Klogang

Mindestens fünf Prozent aller Kinder quälen sich mit ihrem Stuhlgang herum. Damit ist Verstopfung eines der Hauptthemen beim Kinderarzt. Bekommt der Doktor die kleinen Patienten zu sehen, zieht sich das Problem meist schon über mehrere Wochen beziehungsweise Monate hin. Wegen ein paar Tagen Verstopfung bringt schließlich niemand sein Kind zum Arzt.
Doch gerade solche akuten Obstipationen sind oft der Beginn des Übels. Wird nämlich Stuhlgang, der bereits den Enddarm erreicht hat, nicht ausgeschieden, verhärtet und vergrößert er sich immer mehr - bis er als sogenannter Stuhl- oder Kotstein den Darmausgang blockiert und eine chronische Verstopfung auslöst.
Leider lassen sich ab dem Kleinkindalter akute Verstopfungen nicht mehr ganz vermeiden. Denn sobald Kinder die Kontrolle über ihren Darm-Schließmuskel haben - also etwa ab dem zweiten Lebensjahr -, halten sie manchmal bewusst oder unbewusst ihren Stuhl zurück. Das können weder Eltern noch Ärzte verhindern. Zu den häufigsten Gründen gehören, dass Mutter, Vater oder Erzieherin gerade keine Zeit hat, mit aufs Klo zu gehen und den Po abzuwischen, Ekel vor fremden Toiletten und "Protest" gegen eine verordnete Sitzung.
Zu einer Art sekundärer Verstopfung kann es kommen, wenn der Stuhl sich von zu vielen Süßigkeiten, zu ballaststoffarmer Ernährung, zu wenig Trinken oder als Folge von reichlich Stopf-Kost nach einem Durchfall so verfestigt hat, dass das Entleeren wehtut und eventuell sogar den After verletzt.
Logisch, dass sich die betroffenen Kinder den nächsten Klogang aus Angst vor Schmerz verkneifen. Häufig verhalten sie sich dabei ganz typisch: Sie kreuzen die Beine, setzen sich auf die eigenen Fäuste oder - wenn der Druck immer stärker wird - "reiten" jammernd und weinend auf harten Kanten wie zum Beispiel auf Stuhllehnen.

Leerlauf statt Stuhlgang

Jedes Verkneifen hat Grenzen

Doch jedes Verkneifen hat Grenzen. Irgendwann läuft der Darm über, und flüssiger Stuhl aus den oberen Bereichen bahnt sich am Kotstein vorbei den Weg ins Freie. Die Folgen sind braune Spuren in der Wäsche, auch Kotschmieren oder Enkopresis genannt, oder so genannter paradoxer Durchfall, den man auf keinen Fall für die Lösung des Problems halten darf!
Denn die Quälerei auf dem Klo ist damit nicht beendet. Der Stuhlgang kann sich erst dann wieder normalisieren, wenn der Enddarm gereinigt ist und sich von den Strapazen der Verstopfung erholt hat. Sprich, wenn sich die durch den Stuhlstein ausgeleierte Darmwand zurückgebildet hat und auf Entleerungsreize wieder richtig reagiert. Und wenn gleichzeitig die Verdauung angeregt wird.
Bis vor wenigen Jahren entfernte man Kotstein mit einem Einlauf und gab für die Verdauung Lactulose, einen synthetischen Zucker, der selbst nicht verdaut wird, aber die Verdauung fördert (bitte nicht verwechseln mit dem Milchzucker Lactose!).
Heute setzen immer mehr Ärzte auf Polyethylenglykol, kurz PEG, weil es wie Lactulose wirkt, aber weniger Nebenwirkungen hat. Das rezeptpflichtige Pulver, das es unter verschiedenen Handelsnamen gibt, wird in Wasser eingerührt und getrunken. Für die Darmreinigung verschreibt der Arzt eien größere Dosis, die danach für die Darmanregung reduziert wird.
Die Wirkung des PEG beruht darauf, dass es Wasser in den Darm zieht und mit dem Stuhl vermischt, so dass sich dieser leichter ausscheiden lässt. Im Gegensatz zu den Abführmitteln für Erwachsene, die die Darmbewegungen stimulieren, macht PEG nicht abhängig. Zum Glück, denn die Kinder müssen es oft lange Zeit nehmen.
Häufig dauert es Monate, bis sich die Verdauung wieder normalisiert. Erst wenn das Kind jeden oder jeden zweiten Tag beschwerdefrei Stuhlgang hat, wird das Mittel langsam abgesetzt. Und als gesund gilt der kleine Patient, wenn auf dem stillen Örtchen auch ohne Nachhilfe alles klappt.

So funktioniert die Verdauung

Im Grunde beginnt sie schon im Mund. Die Nahrung wird dort verkleinert und mit Enzymen versetzt. Ist der Nahrungsbrei durch die Speiseröhre in den Magen gerutscht, wird er dort mithilfe von Salzsäure und Pepsin weiter angedaut.
Die eigentliche Verdauung findet dann im anschließenden Dünndarm statt. Hier werden die Inhaltsstoffe frei. Vom Dünndarm geht es weiter in den Dickdarm, wo Ballaststoffe zersetzt, Wasser entzogen und der Rest zu Kot eignedickt wird.
Der letzte Teil des Dickdarms heißt Enddarm. An seinem Ende befindet sich eine so genannte Ampulle, die normalerweise leer ist. Sobald Kot in die Ampulle gelangt, kommt es zum Ausscheidungsreflex, und der innere Schließmuskel des Afters entspannt sich. Dieser Reflex tritt pro Ampullenfüllung nur einmal auf. Verkneift man ihn durch Zudrücken des äußeren Schließmuskels, muss man später auf dem Klo drücken und pressen.

Das hält den Darm fit

  • Viel Obst, rohe Gemüseschnitze, Vollkornbrot und kleiehaltiges Müsli auf den Speiseplan setzen. Und dafür sorgen, dass das Kind reichlich Wasser und zuckerfreie Tees dazu trinkt. Ohne genug Flüssigkeit bremsen Ballaststoffe nämlich die Verdauung.
  • Gelegenheiten zum Rennen und Toben schaffen. Einmal pro Woche zum Turnen oder Ballspielen gehen genügt nicht. Kinder brauchen jeden Tag Bewegung, das macht den Darm munter.
  • Im Alltag Ruheinseln schaffen für den Toilettenbesuch. Am häufigsten stellt sich der Stuhldrang nach den Mahlzeiten ein. Deshalb sollte das Kind dann in Ruhe auf Klo gehen können.
  • Das "Örtchen" gemütlich gestalten. Heizen, Bilderbücher bereitlegen und einen Schemel vor die Kloschüssel stellen, auf den das Kind die baumelnden Füße stützen kann.

Wenn das Baby Verstopfung hat

Nur alle paar Tage was in der Windel? Oder gleich mehrmals täglich? Verdauung bei Babys folgt ihren eigenen Gesetzen. Der Kinderarzt und Kindergastroenterologe Dr. Stefan Razeghi aus dem oberbayrischen Miesbach kann das bestätigen.

Können auch Babys Verstopfung haben?
Ja, das kommt vor, wenn auch nicht sehr häufig. Ausschlaggebend ist die Ernährung. Stillbabys sind praktisch nie verstopft. Flaschenkinder dagegen haben schon mal festeren Stuhl. Zum Beispiel bei einer Kuhmilch-Allergie. Oder wenn die Milchnahrung zu dick angerührt wird. Folgenreich kann auch die Umstellung auf Beikost sein. Bei manchen Kindern bremst sie anfangs den Darm.

Wie können Eltern helfen?
Birnenmus füttern, Karotte und Banane weglassen, und - nach Rücksprache mit dem Kinderarzt - eventuell ein Mikro-Klistier geben. Außerdem brauchen verstopfte Babys viel zu trinken – rund 150 Milliliter Flüssigkeit täglich pro Kilo Körpergewicht. Bekommt das Baby noch Milchnahrung, eventuell mehr Wasser einrühren, als auf der Verpackung steht.

Und was ist mit Bauchmassage?
Sie stimuliert die Darmbewegungen, die sogenannte Peristaltik, die den Darminhalt Richtung Ausgang vorwärtsschiebt. Die einfachste Variante: das Baby-Bäuchlein nach den Mahlzeiten sanft im Uhrzeigersinn massieren. Übrigens hält auch Bewegung den Darm in Schwung. Gymnastik auf dem Wickeltisch beziehungsweise häufiges Krabbeln fördert die Verdauung.

Wie wichtig ist eine ärztliche Untersuchung?
Im Gegensatz zu größeren Kindern, bei denen das so gut wie gar nicht vorkommt, kann Verstopfung bei Babys manchmal organische Ursachen haben; zum Beispiel eine Fehlbildung des Darms. Deshalb sollten verstopfte Babys unbedingt ärztlich untersucht werden. Vor allem, wenn sie auch Bauchweh beziehungsweise ein aufgeblähtes Bäuchlein haben.


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