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Kleinkind-Entwicklung Trotzphase: Gute Fahrt durch Trotz und Eigensinn!

Kleinkind-Entwicklung: Trotzphase: Gute Fahrt durch Trotz und Eigensinn!
© debbiehelbing / iStock
Ein zweijähriges Kind ist eine Ladung Wollen. "Schoko!", "Baum rauf!", "Bett, nein!". Mit dem Dickschädel-Führerschein für Kinder in der Trotzphase steuerst du sicher durch die stressige Zeit.

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Die "Verkehrsregeln" für die Trotzphase lernen

Wenn dein Kind darauf besteht, Schuhe anzuziehen, in die es nicht hineinpasst, wenn es sich beim Bäcker schreiend vor der Theke wälzt, und wenn "Ich will aber!" zu seinem Standardsatz geworden ist – dann befindet es sich in jener Phase, die man Trotzphase nennt. Der wichtigste Tipp: Versuche, das Positive daran zu sehen:

  • Kleinkinder rebellieren nur gegen Menschen, bei denen sie sich sicher fühlen. Also: Bei euch stimmt die Eltern-Kind-Bindung!
  • Dein Kind entwickelt Selbstbewusstsein. Es ist von seinen Ideen (auf Mäuerchen steigen, Bonbon wollen) total überzeugt. Initiative, Ich-Stärke – wer wünscht sich das nicht für sein Kind?
  • Dein Kind will dich mit seiner Trotzphase nicht ärgern! Es ist nur enttäuscht und sauer, dass nicht alles so klappt, wie es sich das in den Kopf gesetzt hat.
Trotzanfall

Regel Nr. 1: Nicht zu häufig auf die Bremse treten!

Sicher, dein Kind gibt zurzeit ganz schön Gas. Bremse es trotzdem nicht ständig aus. Es muss Fehler machen dürfen, ausprobieren und lernen, was klappt (allein aufs Mäuerchen) und was nicht (in Papas Schuhen zum Bäcker laufen). Wenn auf "Ich will, ich kann!" immer nur "Nein, nein!" kommt, bleibt sein Selbstwertgefühl klein. Ist das Vorhaben deines Kindes riskant, darf es natürlich keine Diskussion geben. Oft jedoch übertragen wir Eltern unsere eigenen Ängste aufs Kind. Wir sehen nur, was alles passieren könnte, statt auf das zu schauen, was unser Kind schon kann.

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Regel Nr. 2: Immer vorausschauend fahren

Eltern, die Profis im Umgang mit einem Kind in der Trotzphase sind, umfahren Hindernisse. Sie wissen, dass es im Supermarkt an der Wursttheke zu schrecklichen Szenen kommen kann, und nehmen daher einen Umweg über die Waschmittelabteilung in Kauf. Wenn es sich machen lässt, erledige den Großeinkauf ohne Kind. Zu Hause räumst du am besten aus dem Weg, was nicht in die Hände von Zweijährigen gehört. Dann gibt es darum auch keinen Streit. Familienregeln ("Niemand darf den anderen hauen", "Das Essen wird wenigstens probiert" etc.) müssen selbstverständlich auch in der Trotzphase gelten. Doch wer sie auf ein nötiges Maß reduziert, hat viel für eine friedlichere Atmosphäre getan. Dass diese Strategie nicht immer funktioniert, zeigen die folgenden, ziemlich kuriosen Gründe für Wutanfälle von Kleinkindern.

25 triftige Gründe für einen Trotzanfall – kommt euch das bekannt vor?

Regel Nr. 3: Bitte hohe Drehzahlen vermeiden!

Das sagt sich leicht, wenn der Dickkopf einen mal wieder in drei Sekunden von null auf hundert gebracht hat. Trotzdem stimmt es: Ruhe bewahren beendet lautstarke Willensbekundungen meist zuverlässiger als wilde Machtkämpfe mit Trotzphasen-Kindern. Jeder Elternteil hat da seine eigenen Rezepte. Zum Beispiel: 

  • Tief durchatmen und bis 20 zählen.
  • Das Kind durch lautes Singen ablenken.
  • Kurz aus dem Zimmer gehen.

Manche Kinder beruhigen sich und können ihre kleine Trotzphase eher beenden, wenn man sie liebevoll in den Arm nimmt und Verständnis für ihre Wut zeigt. Andere lässt man lieber in Ruhe, Berührungen machen sie nur noch wilder. Und in der Öffentlichkeit? Da hilft nur eines: Zähne zusammenbeißen und äußerlich ruhig bleiben. Nicht ausflippen, aber das Kind auch nicht ignorieren. Ruhig mit dem Trotzkopf reden, auch wenn er noch so laut schreit. Die Umstehenden um Verständnis bitten, und, wenn es gar nicht anders geht, den Laden oder die Bahn, den Bus verlassen.

Trotzphase? Der kleine Sohn von ELTERN online-Redakteur Birk Grüling steckt mittendrin. Hier der erste Trotz-Morgen aus Papa-Sicht

Der Morgen der ersten großen Trotzphase beginnt harmlos, Aufwachen gegen 6 Uhr, noch etwas Kuscheln im Familienbett, die üblichen Kinderlieder beim Waschen und Anziehen. Plötzlich, aus heiterem Himmel, kippt die Stimmung. Der eben noch quietschvergnügte Sohn verwandelt sich in einen kleinen Trotzkopf und explodiert beim Weg nach unten förmlich vor Wut. Der wahrscheinliche Grund: Papa hat sein Lieblingskuscheltier unter den falschen Arm geklemmt. Nur mit Ablenkung und einer Banane in der Hand gelingt es mir, die kleinen Beine in den Hochstuhl zu fädeln. Kaum ist eine Klippe umschifft, folgt des Dramas nächster Teil. Mit dem einstigen Lieblingsmüsli samt Apfelmus traf Papa offensichtlich die falsche Wahl. Unter Protest und dicken Tränen fliegt die Schale vom Tisch. Im Laufe des Morgens wird es nicht besser: Trinken anbieten, das „Arm“ rufende Kind auf den Arm nehmen, das sich windende Kind wieder absetzen, Windeln wechseln oder gar Zähneputzen – auf all das folgen kleinere oder größere Wutanfälle. Zum Glück bin ich mit meinem Schicksal an diesem Morgen nicht allein. Während ich meinen laut protestierenden Sohn für die Kita in den Autositz bugsiere, stapft das Mädchen der Nachbarn vorbei – ebenfalls im besten Trotzalter. Einen Fahrradhelm auf dem Kopf, den Stoffhasen unter dem Arm, dazu ein Sommerkleid und Winterstiefel. Aus dem gequältem Lächeln der Mutter schließe ich, dass auch sie vergeblich versuchte, ihrer Tochter Stiefel und Fahrradhelm für den kurzen Fußweg in den Kindergarten auszureden. Wahrscheinlich hat auch ihr Kind die liebvollen, nicht ganz von der Hand zu weisenden Hinweise gerade mit Tränen und Geschrei quittiert.

Zurück aus der Kita beschließe ich, mir Tipps zu holen. Wer könnte dazu mehr sagen als der Erziehungsguru engagierter Vorstadteltern Jesper Juul? Von Trotzphase spricht er wie viele andere Pädagogen ungern, beliebter ist der Begriff: Autonomiephase. Die sei ganz natürlich und sehr wichtig für die Entwicklung von kleinen Kindern, schreibt der dänische Erziehungsexperte. Das Kind wird selbstständig und löst sich von seinen Eltern. Während ich die Stille des Hauses genieße, erfahre ich, dass Müsli an den Wänden verteilen und auf dem Wickeltisch ringen offensichtlich der emotionalen Entwicklung des Kindes helfe und das kindliche Selbstvertrauen, die Herausbildung des Charakters und die Qualität der Beziehung zwischen Kind und seinen Eltern stärke. Und ich dachte schon über spontane Adoptionsfreigabe nach. Solche Gedanken würden Attachment Parenting-Mütter und Jesper Juul wahrscheinlich mit einem strengen Blick quittieren. Schließlich richten sich Wutanfälle nicht gegen uns Eltern, sondern sind Ausdrücke eines frustrierenden Zwiespalts – aus „Will ich selbst machen“ und „Kann ich noch nicht“. Am besten stehen wir mit Engelsgeduld neben unserem tobenden Kind und vermitteln ihm das Gefühl: „Du bist okay, so wie du bist, und wir lieben dich.“

Das klappt nicht immer. Ohne Frage, der kleine Trotzkopf ist auch in seiner Wut noch liebenswert. Doch manchmal gibt es Situationen, in denen die elterlichen Nerven ziemlich strapaziert sind. Dann hilft nur noch tiefes Durchatmen, leise bis 20 zu zählen oder länger auf dem Klo zu verschwinden, um den Trotzanfall besser zu überstehen oder ihm ganz aus dem Weg zu gehen. Diese Ablenkung klappt übrigens auch bei meinem Sohn, wie ich in den letzten Wochen feststellen konnte. Mit Youtube-Liedern auf meinem Telefon lässt er sich in jeder Stimmung wickeln, gleiches gilt auch für das Spielen mit Wasser während des Zähneputzens. Auch die Amseln im Garten sind eine tolle Ablenkung vom Wutanfall, genau wie das laute Singen der „Bibi und Tina“-Anfangsmelodie – wobei letzteres inzwischen bei meiner Frau zu trotz-ähnlichen Reaktionen führt. Was Jesper Juul wohl täte?


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