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Glückshaube Alles über das seltene Geburtsphänomen, das Glück bringen soll

Vater kuschelt mit seinem Neugeborenen
© 2019 Rohane / Shutterstock
Eine Geburt ist immer ein ganz besonderes und beeindruckendes Ereignis. Doch in seltenen Fällen ist sie noch ein kleines bisschen außergewöhnlicher als üblich: Nämlich, wenn das Baby mit einer Glückshaube geboren wird. Hier erfahrt ihr, was es damit auf sich hat.

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Glückshaube – das klingt beinahe nach einem magischen Kleidungsstück. In Wirklichkeit ist die Glückshaube aber eine Besonderheit während der Geburt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1:80.000 kann ein Baby in einer intakten Fruchtblase oder – etwas häufiger – mit Teilen davon geboren werden. Es erblickt mit einer Glückshaube das Licht der Welt! Doch wie kommt es dazu und woher stammt dieser Begriff eigentlich?

Was ist eine Glückshaube?

Der Begriff Glückshaube, englisch "caul" oder lateinisch "caput galateum" genannt, bezeichnet ein seltenes Phänomen: Hierbei wird das Baby mit einem Teil der Fruchtblase geboren, der sich wie eine kleine Mütze oder Haube über das Neugeborene gestülpt hat. Noch unwahrscheinlicher, aber ebenfalls möglich ist es, dass das Kind bei seiner Geburt in einer intakten Fruchtblase auf die Welt kommt. Hierbei handelt es sich strenggenommen aber nicht um eine Glückshaube, sondern um eine so genannte en-caul-Geburt. Ein außergewöhnliches Ereignis, das schon in der Antike als Glückszeichen galt und dem Neugeborenen sogar übersinnliche Fähigkeiten zuschrieb.

Geburt mit Glückshaube im Video

In diesem faszinierenden Video könnt ihr sehen, wie ein Baby in einer intakten Fruchtblase nach einem Kaiserschnitt aussieht. Einfach unglaublich: Genauso lag das Kind noch eben im Bauch der Mutter.

Wann kann ein Kind in der Fruchtblase zur Welt kommen?

In den meisten Fällen platzt die Fruchtblase unter der Geburt durch den Druck der Wehen auf, das ist der so genannte Blasensprung. Manchmal wird die Fruchtblase auch manuell geöffnet, um die Geburt zu beschleunigen. Nun kann sich das Baby aus der geöffneten Fruchtblase durch den geöffneten Muttermund langsam auf die Welt schieben. Die Reste der Fruchtblase bleiben in der Regel bis zur Nachgeburtsperiode in der Gebärmutter, bis sie sich schließlich gemeinsam mit der Plazenta ablösen.

In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass der Blasensprung ausbleibt. Dies kann passieren, wenn die Eihäute sehr fest sind oder sich nur wenig Fruchtwasser zwischen kindlichem Kopf und Fruchtblase befindet. Denn dann wird der Druck der Wehen abgefedert und die Fruchtblase bleibt lange oder komplett intakt – es kann zu einer en-caul-Geburt kommen. Reißt die Fruchtblase unter der Geburt zu einem späten Zeitpunkt doch noch ein und das Baby ist bereits in den Geburtskanal eingetreten, kann sich ein Teil der Membran über den Kopf und den Oberkörper des Neugeborenen legen und so zu einer Glückshaube werden. Dem Aberglauben nach wird so ein echtes Glückskind geboren.

Wie viele Babys kommen in der Fruchtblase zur Welt?

Dass ein Baby mit Teilen der Fruchtblase auf die Welt kommt, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Hebammen schätzen, dass eine klassische Glückshaube bei ungefähr einer von tausend Geburten vorkommt. Eine en-caul-Geburt, bei der die Fruchtblase die Geburt komplett unbeschadet übersteht, ist hingegen sehr selten und vor allem bei Frühgeburten oder Kaiserschnitten zu beobachten. Bei Kaiserschnitten werden extreme Frühchen manchmal sogar bewusst in der geschlossenen Fruchtblase durch den Bauch geboren, da diese Methode mit einer geringeren Verletzungswahrscheinlichkeit für Mutter und Kind einhergehen soll. Genaue Zahlen oder Studien über Häufigkeit und mögliche Vorteile gibt es allerdings nicht. Es wird angenommen, dass eine en-caul-Geburt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:80.000 Geburten eintritt.

Ist die Glückshaube gefährlich für Mutter und Kind?

Nein, eine Glückshaube stellt keine Gefahr dar. Aber zur Freimachung der Atemwege sollten die Reste der Fruchtblase sofort vom Gesicht des Neugeborenen entfernt werden. Die Hebamme kann die Eihaut mit einer Klemme oder den Fingern entfernen. Kommt ein Kind in einer geschlossenen Fruchtblase auf die Welt, ist weniger Eile geboten: Solange die Fruchthülle noch intakt ist, wird das Kind wie im Mutterleib über die Nabelschnur mit Sauerstoff versorgt und seinen ersten Atemzug erst tun, wenn es zum ersten Mal mit Luft in Berührung kommt.

Warum heißt es Glückshaube?

Wie der Name schon vermuten lässt, hat die Glückshaube mit Glück zu tun: Sie galt als gutes Omen und ein Baby, das so geboren wurde, war dem Aberglauben nach vom Glück begünstigt. Bereits den alten Römern war das seltene Geburtsphänomen ein Begriff und spätestens seit dem Mittelalter sind uns zahlreiche Mythen und spirituelle Bedeutungen rund um die Glückshaube aus ganz Europa überliefert.

So wurden die Glückskinder als hellsichtig, besonders redegewandt oder auch als vor dem Ertrinken geschützt angesehen – was einen regen Handel mit Talismanen auf den Plan rief. Seefahrer und Rechtsanwälte sollen Hebammen Glückshauben abgekauft haben, um von deren Magie zu profitieren. Andernorts war es üblich, die Überreste der Fruchtblase in die Kleidung der Kinder einzunähen oder sie ihnen als Glücksbringer um den Hals zu hängen. Und auch in die Literatur fand die Glückshaube Eingang: So griffen beispielsweise die Gebrüder Grimm in ihrem Märchen „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ den Volksglauben auf und ließen ihren vom Glück begünstigten Protagonisten mit einer Glückshaube auf die Welt kommen.

Heutzutage nehmen wir diese Mythen vielleicht nicht mehr so ernst und sind auch weniger abergläubisch, ihren Zauber hat die Glückshaube bei der Geburt aber dennoch nicht verloren: Erlaubt sie uns doch einen seltenen Blick auf das, was unseren Augen sonst im Schutze des Mutterleibs verborgen bleibt.


Quellen:

Stiefel, Andrea et al. (Hrsg.): Hebammenkunde: Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf, 5. Auflage, Hippokrates Verlag, Stuttgart 2013.    

Zacharis, Konstantinos et al.: „En caul birth” – A rare and spectacular delivery, in: HJOG. An Obstetrics and Gynecology International Journal, zuletzt abgerufen am 28.02.2022.

Ploss, Dr. Hermann Heinrich: Die Glückshaube und der Nabelschnurrest; ihre Bedeutung im Volksglauben, in: Zeitschrift für Ethnologie (ZfE) / Journal of Social and Cultural Anthropology (JSCA), 4. Bd., Wigandt und Hempel Verlag, Berlin 1872.

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