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Baby abhalten Was steckt hinter dem Windelfrei-Trend?

Eine blonde Frau in einem gestreiften Kleid hält ein Baby in den Armen und befindet sich in der Natur
© Oleggg / Shutterstock
Wissen Babys wirklich von Geburt an, wann sie mal müssen? Beim Baby abhalten oder auch der Windelfrei-Methode wird genau das vorausgesetzt. Mit bestimmten Techniken versuchen Eltern die Signale ihres Kindes zu deuten und so größtenteils auf Windeln zu verzichten.

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Wenn Kleinkinder mit dem Töpfchen-Training beginnen, sind sie meist älter als zwei Jahre. Eltern, die ihr Baby abhalten, starten schon deutlich früher – teilweise von Geburt an – mit ihrer Praktik. Sie versuchen das Verhalten ihres Kindes zu deuten und dadurch zu erkennen, wann es muss. 

Baby abhalten: Was steckt hinter dem Konzept? 

Das Baby wird dann über einem entsprechenden Behältnis abgehalten. Für diese Praxis wird oft der Begriff “Windelfrei“ verwendet, was recht irreführend sein kann. Denn bei den wenigsten Methoden – und da gibt es beim Baby abhalten reichlich viele – verzichten die Eltern komplett auf Windeln und leben tatsächlich windelfrei. Im Englischen heißt es daher Elimination Communication, deutsche Expert:innen sprechen von Ausscheidungskommunikation.  

Welche Vorteile hat es, sein Baby abzuhalten? 

Als Vorteile werden an erster Stelle meist die intensive Eltern-Kind-Bindung sowie die körperliche Selbstbestimmung des Babys genannt. Weil die Eltern ihr Kind ganz genau beobachten müssen, um selbst kleinste Signale zu deuten, soll sich diese Aufmerksamkeit auch automatisch positiv auf die restliche Beziehung übertragen. Es geht also nicht um Perfektion, oder dass ein Baby bereits wenige Wochen nach seiner Geburt trocken ist und im wahrsten Sinne des Wortes windelfrei. Druck und Stress sollten weder Eltern noch Babys dabei empfinden. 

Deswegen ist Ausscheidungskommunikation auch nicht das Gleiche wie Sauberkeitserziehung. Dennoch kann mit der windelfreien Erziehung direkt von Geburt an begonnen werden. Durch das Abhalten leiden die Babys seltener an Windelausschlag oder Windeldermatitis, weil sie weniger lange oder gar nicht in ihren Ausscheidungen liegen. Praktizierende Eltern berichten außerdem, dass windelfreie Babys seltener an Bauchschmerzen beziehungsweise Blähungen leiden, da sie diese durch die speziellen Abhaltepositionen loswürden.  

Müll und Geld sparen 

Ein weiteres Argument für das Abhalten von Babys ist der ökologische Fußabdruck: 95 Prozent der Kinder in Deutschland werden laut SWR Ökochecker mit Einwegwindeln gewickelt. Ein Neugeborenes braucht durchschnittlich sechs bis acht Windeln pro Tag. Täglich werden rund zehn Millionen Einwegwindeln verbraucht. Bis die Kinder mit durchschnittlich zweieinhalb Jahren trocken sind, entsteht so pro Kind etwa eine Tonne nicht recyclebarer Müll aus erdölbasiertem Material. Aus diesem Grund bieten einige Kommunen einen Zuschuss für den Kauf von Stoffwindeln an.

Ein schöner Nebeneffekt des Abhaltens ist also, dass Familien Geld sparen können – entweder, weil sie deutlich weniger Einwegwindeln kaufen müssen oder weil es sogar einen Zuschuss für die Stoffwindeln gibt. 

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Babys lernen ihren Körper kennen 

Ziel ist es, dass sich das Baby daran gewöhnt und gezielt ablässt, nachdem es die Wörter oder Laute gehört hat. Wobei auch hier zu betonen ist, dass das Abhalten nicht als richtiges Training zu verstehen ist. Vielmehr unterstützen diese Wörter den natürlichen Prozess des Babys, das seinen Körper kennenlernt und immer häufiger ohne Windel auskommt. Viele Familien nutzen, wenn sie windelfrei leben, zusätzlich Stoffwindeln zur Unterstützung.  

“Es ist ein ureigenes Bedürfnis, nicht in seinen Ausscheidungen zu liegen.“

Einen Grund dafür, warum die Methode funktioniert, nennt Entwicklungspädagogin Rita Messmer auf ihrer Website: “Es ist ein ureigenes Bedürfnis, nicht in seinen Ausscheidungen zu liegen.“ In mehreren Büchern geht sie, basierend auf der Montessori-Pädagogik, auf die selbstständige Entwicklung von Kindern ein und bietet Seminare zur Entwicklungsförderung im Babyalter an. 

Aber Babys müssen bis zu 20 Mal täglich. Wird diese Methode also zum Vollzeit-Job? Nein, betonen die Expert:innen. Denn es gibt typische Zeiten, zu denen Babys müssen: 

  • Nach dem Aufwachen 
  • Nach dem Stillen oder dem Fläschchen  

Um noch genauer zu verstehen, wann das Baby muss, empfiehlt sich außerdem, eine Art Protokoll oder Tagebuch über das Ausscheidungsverhalten des Babys zu führen.  

Wie funktioniert Baby abhalten? 

Die meisten Babys signalisieren von Geburt an durch bestimmte Signale, dass sie müssen. Einige davon sind: 

  • Verkrampfter Gesichtsausdruck  
  • Strampeln  
  • Zappeln 
  • Stärkere Atmung 
  • Weinen 
  • Blähungen 

Eltern lernen laut Messmer sehr schnell, die entsprechenden Signale zu deuten. Dann geht es darum, das Baby an ein Töpfchen, einen Eimer oder sogar die normale Toilette zu gewöhnen. Das heißt: Eltern erkennen, dass ihr Baby muss. Sie bringen es zur Toilette oder holen das Behältnis. Zusätzlich wird empfohlen, bestimmte Laute zu machen, an die sich das Baby gewöhnt oder immer das gleiche Wort zu sagen.  

Welche Abhaltepositionen gibt es?  

Klassische Windelfrei-Abhalteposition 

Das Kind wird in den Kniekehlen gehalten und sein Rücken gestützt. Diese Position eignet sich für die Toilette, die Badewanne, ein Waschbecken oder ein Töpfchen. 

Liegende Windelfrei-Position für Neugeborene 

Neugeborene werden in waagerecht liegender Position mit dem gesamten Arm gestützt. Der Kopf des Babys liegt in der Armbeuge, der Körper des Babys wird von einer Seite des Unterarms gestützt und von der anderen mit dem Körper. Die andere Hand umfasst das Bein des Babys.  

Abhalten während des Stillens oder Fläschchen Gebens 

Bei Neugeborenen wird während des Trinkens oftmals ein Ausscheidereflex ausgelöst. Ein Töpfchen schafft Abhilfe und lässt sich zwischen die Beine des Elternteils einklemmen, sodass das Baby waagerecht auf dem Schoß liegt und einfach ablassen kann.  

Gemeinsam mit dem Kind 

Ein Elternteil nimmt auf der Toilette hinter dem Baby Platz und stützt es, die Beine des Babys werden hochgehalten. 

Wie funktioniert das Abhalten nachts? 

Auch hier existieren viele verschiedene Ansätze und es gibt kein klares richtig oder falsch. Einige Expert:innen betonen, dass sich Babys mit voller Blase oder drückendem Darm in der Leichtschlafphase befinden. Wird das Baby also unruhig, dreht sich oder gibt Laute von sich, könnte das ein Indiz sein.  

Nachteile und Kritik 

Babys ändern mit der Zeit ihre typischen Ausscheidungssignale. Deswegen ist Windelfrei ein ständiger Lernprozess. Außerdem gibt es Eltern, die dieser Weg zu sehr unter Druck setzt oder für die windelfrei überhaupt nicht mit dem Alltag kompatibel ist. Oftmals ist der Mental Load bei frisch gebackenen Eltern auch ohne zusätzliche Herausforderungen schon sehr hoch. Bei vielen geht es also vielmehr um die Frage, wie man weiter Stress reduzieren kann. Der windelfreie Weg kann für Familien gut funktionieren, muss es aber nicht. In vielen Situationen – sei es der Aufenthalt in der Kita, bei Verabredungen außerhalb der eigenen vier Wände, oder Ausflügen mit dem Auto – ist es fast unmöglich, das Baby abhalten zu praktizieren. Und auch ohne die Praktik Windelfrei ist das allgemeine Töpfchen-Training ein großes Thema für Eltern.   

Werden die windelfreien Babys schneller trocken? 

Obwohl es in vielen Elternforen und bei Windelfrei-Coaches oftmals heißt, dass windelfrei erzogene Babys schneller trocken werden – gibt es auch Studien, die wenig Nutzen darin sehen. In der Veröffentlichung “Relationship between age at initiation of toilet training and duration of training: a prospective study” (auf Deutsch: “Zusammenhang zwischen dem Alter bei Beginn des Toilettentrainings und der Dauer des Trainings: eine prospektive Studie”) kommen die Autor:innen zu dem Schluss, dass ein Toilettentraining, das beginnt, bevor die Babys 27 Monate alt sind, nicht gleichbedeutend ist mit einem schnelleren trocken werden.  

Tipps für einen Mittelweg 

  • Das Baby nur stundenweise Windelfrei erziehen 
  • Lediglich zu den “typischen Zeiten“ (nach dem Stillen und Aufwachen) abhalten 
  • Nachts und bei Ausflügen immer eine Windel benutzen 

Welche Ausstattung brauche ich? 

Mit Blick auf die Weltbevölkerung ist Windelfrei kein neuer Trend. In China und Indien kommen viele Familien bis heute ohne Windeln aus. Deswegen kann man theoretisch ohne jegliches Zubehör sein Baby abhalten. Viele empfehlen jedoch ein spezielles Töpfchen und sogenannte Schlitzhosen oder Abhaltehosen (Splitpants). Diese haben im Windelbereich eine große Öffnung, die das Ablassen schnell und einfach ermöglichen, weil sie das Ausziehen ersparen.

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Teilweise werden auch Stulpen empfohlen. Wer auch nachts Windelfrei unterwegs sein möchte, schafft sich am besten eine wasserdichte Matratzenauflage an.  

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Quellen:  

ELTERN

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