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Antiautoritäre Erziehung Aufwachsen ohne Regeln und Verbote?

Antiautoritäre Erziehung: Mann und Frau liegen auf dem Sofa, während ein Junge und ein Mädchen auf dem Boden spielen
© fizkes / Shutterstock
Mit der antiautoritären Erziehung assoziieren viele Menschen einen Erziehungsstil, der keinerlei Regeln und Grenzen aufzeigt. Aber stimmt diese Vermutung und was steckt wirklich hinter der antiautoritären Erziehung? Wir haben alle Antworten und zeigen dir, wie sie heutzutage praktiziert werden kann.

Definition: Antiautoritäre Erziehung

Hinter der antiautoritären Erziehung verbirgt sich kein spezifischer Erziehungsstil, sie wird vielmehr als Erziehungskonzept mit verschiedenen Leitgedanken gesehen. So wird den Kindern viel Freiraum für Entwicklung, Entscheidungen und Alternativen gegeben. Eltern, die sich an der antiautoritären Erziehung orientieren, lassen Kinder früh Entscheidungen selbst treffen. Eingefahrene Regeln und Vorschriften gibt es hierbei nicht, um das Kind in seiner Entfaltung nicht einzuschränken. Das Gegenteil beschreibt die autoritäre Erziehung. Vorschläge und Anregungen der Eltern können dabei berücksichtigt werden, das letzte Wort liegt jedoch bei dem Kind. Dabei tragen sie von Beginn an die Konsequenzen selbst, die mit ihrer Entscheidung einhergehen.

Kommunikation auf Augenhöhe

Ein weiterer wichtiger Punkt der antiautoritären Erziehung ist die Kommunikation von Kindern und Erziehenden auf Augenhöhe. Hierarchische Strukturen werden aufgebrochen, jede Partei hat das gleiche Mitspracherecht und darf nicht übergangen werden. Respekt und ein freundliches Miteinander stehen dabei an erster Stelle. Mit diesem Erziehungskonzept steht Kindern die Welt offen, sie entscheiden nach dem Lustprinzip und erziehen sich dabei quasi selbst. Es werden keine äußeren Grenzen gezogen, sie können sich in ihrem Alltag frei entfalten und ausprobieren, was sie wollen.

Aus dieser Idee entstand die antiautoritäre Erziehung

Die antiautoritäre Erziehung wurde in den 60er und 70er Jahren von einer Generation ins Leben gerufen, die gegenteilig erzogen worden ist. Die Eltern dieser Studentenbewegung wurden durch den Zweiten Weltkrieg geprägt und erzogen ihre Kinder daraufhin streng autoritär. Gehorsamkeit, Respekt vor Autoritäten und Disziplin wurden meist zwanghaft eingefordert. Die Gefahr von Unterdrückung und eingeschränkter Selbstentfaltung war extrem hoch. Gegen diese Erziehungsform lehnten sich junge Menschen auf. Sie wollten ihre Kinder ganz anders erziehen und ihnen Raum geben, sich zu entfalten und die Welt auf ihre eigene Art kennenzulernen, statt sie sich unterordnen zu lassen und ihnen Zwänge aufzubürden.

In Berlin wurden sogenannte Kinderläden eröffnet, in denen sich der antiautoritäre Erziehungsstil vorrangig durchsetzte. Kinder gingen in dieser Art Kindergarten keinen Pflichten nach, durften sich frei bewegen und das tun, worauf sie Lust hatten.

Folgen der antiautoritären Kindererziehung

Durch den antiautoritären Erziehungsstil sollen die Kinder nicht in der Persönlichkeitsentwicklung, der Kreativität, der Entwicklung des Selbstwertgefühls, des Selbstbewusstseins und der Eigenverantwortlichkeit behindert werden. Doch manche Eltern nehmen diese Offenheit zu ernst und erziehen ihren Nachwuchs ganz ohne Regeln und Grenzen. Das könnte den Nachteil haben, dass Kinder egoistisch werden und Schwierigkeiten entwickeln, Autoritäten, spätestens im Kindergarten, ernst zu nehmen. Sie standen möglicherweise während ihrer gesamten Kindheit im Mittelpunkt und haben es nicht gelernt, sich in einer Gruppendynamik zurechtzufinden. Des weiteren stellt sich die Frage, inwiefern sich ein Pflichtgefühl entwickeln kann, während Kinder lediglich das tun, worauf sie Lust haben.

Vor- und Nachteile der antiautoritären Erziehung

Wir haben die Vorzüge und Nachteile der antiautoritären Erziehung für dich zusammengefasst:

Vorteile

Nachteile

Freie Entfaltung

Handlungen nach dem Lustprinzip

Entscheidungsfreiheit

Schwierigkeiten mit Autoritäten

Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln

Probleme mit dem Sozialverhalten

Frühe Entwicklung der eigenen Persönlichkeit

Neigung zum Egoismus

Stärkung des Selbstbewusstseins, Selbstwertgefühl und Kreativität

Wenig Rücksichtnahme durch ich-orientiertes Verhalten

Kinder fühlen sich ernst genommen

Zu viel Verantwortung für das eigene Handeln in jungen Jahren

Die antiautoritäre Erziehung heute

Heute gibt es die antiautoritäre Erziehung in ihrer reinen Form selten bis gar nicht mehr. Sie wurde vom demokratischen Erziehungsstil abgelöst, welcher sich an den Grundgedanken der antiautoritären Erziehung bedient und ihn weiterentwickelt. Diese Pädagogik der Verantwortung erfüllt ebenso alle Bedürfnisse der Kinder, bereitet sie aber gleichzeitig auf soziale und negative Erfahrungen vor, die mit der Selbstständigkeit im Kindergarten und der Schule einhergehen. Erzieher und Erzieherinnen folgen in Kindertagesstätten ebenso der demokratischen Verantwortung wie der antiautoritärer, so kann die kindliche Erziehung leichter weitergeführt werden.

Wer jedoch auf der Suche nach einem rein antiautoritären Kindergarten ist, wird heutzutage nicht mehr fündig werden. Der Mix aus demokratischem und leicht antiautoritärem Erziehungsstil hat sich durchgesetzt.

Best Practise: Das Internat Summerhill

Das Internat Summerhill in Leiston, der Grafschaft England, wurde im Jahr 1921 von dem Pädagogen Alexander Sutherland Neill gegründet. Es handelt sich dabei um eine demokratische Schule, die jedoch immer wieder in Verbindung mit der antiautoritären Erziehung genannt wird. Schüler:innen können freiwillig am Unterricht teilnehmen und sie werden in alle Entscheidungen rund um die Einrichtung miteinbezogen. In Summerhill werden den Kindern und Jugendlichen viele Freiheiten gewährt, doch ganz ohne Regeln kommt das Internet nicht aus. Diese werden allerdings zusammen mit den Schüler:innen aufgestellt. Sie können sie in demokratischer Mehrheit sogar abschaffen. Lehrpersonal und Lernende haben dabei dieselben Rechte.

Bis sich ein solches Schulmodell in Deutschland durchsetzen wird, dürften noch einige Jahre ins Land streichen. Doch feststeht, dass dieses Internat einen wichtigen Beitrag leistet, um Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, die Regeln, in denen sie sich bewegen, selbst zu bestimmen und anzupassen.

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Verwendete Quellen: kindererziehung.de, kita.de

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