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Vereinbarkeit von Job und Familie „Ich steig wieder aus!“

Ich bin wieder ausgestiegen.
© kupicoo / iStock
Über den Wiedereinstieg in den Job reden alle. Unsere ehemalige Kollegin Sandra Hermes redet über ihren Wiederausstieg.

Wir haben uns für Sie entschieden! Glückwunsch! Ich hatte ihn tatsächlich – einen Job als Online-Redakteurin für 25 Stunden in Festanstellung. Teilzeitstellen sind im Journalismus Mangelware, eine zu ergattern ist beinahe wie ein Sechser im Lotto. Seit dem Ende der zweiten Elternzeit für meine Tochter hatte ich frei gearbeitet. Das große Plus: Flexibilität bei kranken Kindern, Freiräume für die Urlaubsplanung und immer da, wenn der Paket-Mann klingelt. Großes Minus: unsichere Auftragslage, kein Büro-Smalltalk, abgeschnitten von Karrierechancen.
Als ich die Zusage für die Stelle bekam, jubelte ich: „Yes! Läuft!“ Meine Tochter sah mich fragend an, und ich erklärte ihr mit klopfendem Herzen und ziemlich stolz, dass ich bald wieder in einem Büro in Hamburg arbeiten würde. „Und wer holt mich dann von der Schule ab?“, wollte sie wissen. „Ja, gute Frage, mein Schatz“, dachte ich.
Die Antwort fanden mein Mann und ich in einer Kombination aus Ganztagsschulbetreuung und Babysitterin für unseren Sohn (damals neun) und unsere Tochter (damals sechs). Damit ich an einem Tag in der Woche voll in der Redaktion arbeiten konnte, kam mein Mann montags früher nach Hause. Alles fein soweit.
Das erste Jahr trug mich – trug uns – die Euphorie. Alles machbar, alles eine Frage der Organisation. Toller Job, tolle Kollegen, endlich wieder mittendrin. Dann wurde es schwerer. Unser Leben war klammheimlich zu einem Marathon geworden. Unsere Familie durchgetaktet, Mutter, Vater, Kinder gestresst, quengelig, erschöpft. Erste Zweifel schlichen sich ein: Was tue ich hier? Ich hetze durch den Tag, treibe die Kinder an. Nur nicht zu spät kommen, allen zeigen, dass Mama das mit links macht. Schnell noch eine Waschmaschine füllen, sonst hat der Große übermorgen keine sauberen Sportsachen. Immer vorausdenken, planen, organisieren. Keine Zeit zum Kuscheln, Spielen, Einfach-nur-da-Sein.

„Und, wie läuft der Job?“, will meine Vollzeit berufstätige Freundin wissen. „Klasse! Alles fein“, lüge ich sie an. „Und wie machen die Kinder das mit?“, erkundigt sich die Mutter von zwei glücklichen Kita-Kindern. „Ganz gut“, weiche ich aus und verschweige, dass unsere Tochter häufig morgens Bauchschmerzen hat, wenn sie an den Hort denkt, und unser nun elfjähriger Sohn in der weiterführenden Schule Probleme. Ich traue mich nicht, zu erzählen, dass ich meine Kinder vermisse, wenn ich lange arbeite. Ich verschweige das Gefühl, nicht mehr nah genug bei ihnen zu sein, ihnen nicht genug zuzuhören, weil gleich der Bus fährt oder mir die Augen zufallen, wenn mein Sohn abends von seinem Tag erzählt. Und ich verschweige, dass ich traurig bin, wenn ich beim Aufräumen Spiele finde, die wir noch nie mit unseren Kindern gespielt haben, weil keiner die Ruhe hatte, sich die Spielanleitung durchzulesen.

Bin ich jetzt unemanzipiert?

Ich will niemandem etwas vorheulen, nicht jammern – und ich will den Schein wahren. Mütter sind doch Multitasker, schaffen das immer irgendwie. Die emanzipierte Gesellschaft erwartet, dass wir das hinbekommen: cooler Job, gelungene Kinder, Vorzeigezuhause, gleichberechtigte Partnerschaft. Freiwillige Hausfrauen werden belächelt. Die Medien sind voll von Familienmanagerinnen, die alles unter einen Hut bekommen. Alles nur Fassade?, frage ich mich. Reden die sich ihre Probleme klein, oder sind sie einfach besser organisiert, haben mehr Unterstützung, pflegeleichtere Kinder, Oma und Opa um die Ecke, einen kurzen Weg ins Büro? Oder teilen sie und ihre Partner sich die Arbeit besser auf?
Ich fühle mich unter Druck. Und ich bin hin- und hergerissen, ratlos, müde, unzufrieden. Eine hingeworfene Bemerkung bringt plötzlich Klarheit: „Das geht auch vorbei“, sagte mir eine Kollegin, als ich ihr erzählte, dass die Betreuung die Hälfte meines Gehalts auffrisst und uns zu wenig Familienzeit bleibt. „Ja, klar geht das vorbei“, gab ich zurück. „Spätestens, wenn die Kinder aus dem Haus sind.“ Aber ich möchte doch nicht, dass die Kindheit möglichst schnell vorbeigeht.
Mir wurde bewusst, dass es nicht um die anderen geht. Es geht um mich, um meine Situation, meine Kinder, mein Leben. Medien, Gesellschaft, Freundinnen – ich muss mich entscheiden. Es wurde Zeit, ehrlich zu sein, also sagte ich mir: „Ja, ich schaffe das, aber der Preis ist mir zu hoch!“
Ich bin nicht faul, unorganisiert oder nicht belastbar. Ich mag meinen Job, meine Kollegen, das Gefühl, Teil von etwas anderem als der Familie zu sein. Aber mir wurde nach vielem Für und Wider klar, dass vieles auf der Strecke bleibt, das mir wichtiger ist.

Diese Entscheidung braucht Mut

Ich wünsche mir Zeit, um meinen Kindern zuzuhören, wenn sie traurig sind, mit ihnen Kuchen zu backen, ohne dass Geburtstag ist, mit ihnen ins Freibad zu düsen, wenn es heiß ist. Sie sollen Freiraum haben für spontane Verabredungen, die sich nicht nach meinen Bürozeiten richten. Ich wünsche mir Ferien für meine Kinder, in denen Mama und Papa sich nicht die Klinke in die Hand geben müssen und die vorher generalstabsmäßig geplant wurden.
Unser Familienleben soll wieder anders aussehen. Deshalb mein Ausstieg nach dem Wiedereinstieg. Nun verzichte ich auf meine Festanstellung, berufliche Sicherheit und ein regelmäßiges Gehalt. Ein Risiko und mehr Abhängigkeit, ich weiß. Und auch ein Entschluss, den nicht alle Familien so treffen können. Schließlich kann ich mich als Journalistin wieder selbstständig machen und weiterhin meinen Beitrag zum Familieneinkommen leisten. Und mit dem Verdienst meines Mannes können wir klarkommen. Aber Mut brauchte auch ich, und natürlich sagte auch mir der Verstand oft etwas ganz anderes als Herz und Bauch.
Wie lange hatten Frauen dafür gekämpft, endlich nicht nur in der Küche Karriere machen zu können. Gebe ich also auf, was Generationen mühsam erreicht haben? Ich denke nicht. Gelebter Feminismus ist für mich die Freiheit, sich als Frau entscheiden zu können, wie ihr Leben zwischen Job, Kindern und Partnerschaft aussehen soll, als Frau wirklich die Wahl zu haben. Was für die eine richtig ist, muss nicht für die andere passen.
Und jetzt? Die ersten Wochen liegen hinter mir. Und ja, ich bin ruhiger und zufriedener. Der Haushalt wächst uns nicht mehr über den Kopf, die Kinder genießen es, nachmittags einfach mal nur zu Hause sein zu dürfen und spontan einen Freund einzuladen, der Keller ist entrümpelt, ich gehe wieder zum Sport. Und die ehemaligen Kolleginnen? Vermisse ich sehr, sind aber dank WhatsApp auch nicht aus der Welt. Klingt alles irgendwie banal? Mag sein, aber für mich fühlt es sich endlich wieder richtig an.


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