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Geburtsstillstand Was tun, wenn die Geburt nicht voran geht?

Schwangere in Klinik bei Geburtsstillstand
© Tyler Olson / Shutterstock
Bei einer Geburt gibt es fast immer Phasen, in denen es nicht richtig vorangeht. Aber wann ist so eine Pause tatsächlich ein Geburtsstillstand, der einen Kaiserschnitt nötig macht?

Der Geburtsstillstand zählt heute, gleich nach dem Blasensprung und einem schlecht versorgten Baby (pathologisches CTG), zu den häufigsten Geburtskomplikationen in Deutschland. Der Muttermund geht nicht weiter auf, das Köpfchen rutscht nicht tief genug ins Becken, die Wehen sind zu schwach, der Frau geht die Kraft aus – häufig sind diese Gründe der Knock-out für eine natürlich begonnene Geburt: Ist das Baby schon weit genug unten, wird es mit der Saugglocke oder in einer Zangengeburt geholt. Sitzt es zu weit oben, hilft nur noch der Kaiserschnitt. Jeder zehnten Schnittentbindung geht die Diagnose "Geburtsstillstand" voraus.
Doch viele Hebammen bezweifeln, dass ein diagnostizierter Geburtsstillstand tatsächlich immer einer ist. "Bei jeder Geburt gibt es Pausen. Die Wehen werden vielleicht schwächer, die Frau hält die Schmerzen nicht mehr aus", sagt Esther Goebel, Hebamme aus Dresden, die seit vielen Jahren Haus- und Praxisgeburten leitet. "Es ist nur eine Frage, wie man eine Pause interpretiert: Ist sie eine Phase der Erholung oder ein Stillstand?"

Wie lange dauert eine Geburt überhaupt?

Früher sagte man: "Die Sonne soll über der Gebärenden nicht zweimal untergehen." Eine wunderbar diffuse Zeitangabe, die jede Menge Spielraum ließ – abzuwarten, Kontakt zum Baby aufzunehmen, eine neue Gebärhaltung auszuprobieren, ein Entspannungsbad zu nehmen.
Heute hat man sehr viel konkretere Vorstellungen, wie lange eine Geburt dauern sollte. Bei einer Erstgebärenden am besten nicht länger als 24 Stunden (wobei nicht ab der ersten Wehe, sondern erst ab dem Beginn regelmäßiger Wehen gerechnet wird). Der Muttermund sollte sich kontinuierlich öffnen, die Austreibungsphase nach spätestens zwei Stunden beendet sein.
Einige Geburtshelfer nehmen es da sehr genau, dabei können das immer nur ungefähre Richtwerte sein", sagt Dr. Sven Seeger, Chefarzt der Geburtshilfe am Perinatalzentrum St. Elisabeth und St. Barbara in Halle. "Man kann bei einer Geburt nicht auf die Uhr gucken und sagen: Jetzt ist die Zeit abgelaufen, jetzt machen wir einen Kaiserschnitt."
Stattdessen müsse man immer die gesamte Situation betrachten: Eine erste Geburt dauert länger als eine zweite, mit PDA öffnet sich der Muttermund schneller, dafür ist die Austreibungsphase meist verlängert. "Und überhaupt: Solange es dem Kind gut geht und die Mutter motiviert und voller Kraft ist, spielt die Geburtsdauer eine relativ geringe Rolle", sagt Chefarzt Dr. Seeger, nimmt aber gleichzeitig die vorsichtigen Kollegen in Schutz: "Entscheide ich mich als Geburtshelfer fürs Abwarten, bin ich auch dafür verantwortlich, wenn etwas schiefgeht. Im Zweifel sehen das auch die Gerichte so."

Wie lange darf bei einem Geburtsstillstand abgewartet werden?

Die Sache mit dem Geburtsstillstand ist also immer eine Gratwanderung: Wie lange kann ich abwarten, ohne Mutter oder Kind in Gefahr zu bringen? "Da sind die Ärzte, je nach Erfahrung und Persönlichkeit, unterschiedlich risikobereit", gibt Dr. Seeger zu. "Ein guter Geburtshelfer muss sehr viel wissen, um nichts zu tun."
Und Esther Goebel, die Hebamme aus Dresden, ist sich noch einer anderen Sache sicher: "In der Klinik fehlt heute oft die Zeit, um den wahren Gründen für eine Geburtspause nachzuspüren. Es gibt jede Menge körperliche und seelische Blockaden, die den Geburtsweg verschließen können. Durch einfühlsame Unterstützung und hilfreiche Fragen kommt eine Geburt oft besser wieder in Gang als mit jedem Wehenmittel."

Das könnt ihr selbst bei einem Geburtsstillstand tun

In der Extremsituation einer Geburt, noch dazu, wenn sie kompliziert wird, können werdende Eltern ihre Lage kaum noch selbst beurteilen: abwarten, Medikamente ausprobieren oder doch ein Kaiserschnitt? Diese Entscheidungen treffen dann die Ärzte. Trotzdem kann es helfen, sich in der Schwangerschaft mit diesen Fragen zu beschäftigen:

Kommt der Geburtsstillstand von Blockaden in meinem Körper, vor allem im Becken?
Ärzte und Hebammen sind sich einig: Verspannungen der Muskulatur und Blockaden im Becken sind häufig ein Grund für einen Geburtsstillstand. Leider spielt der Blick darauf in der Schwangerenvorsorge überhaupt keine Rolle. Deshalb: ruhig mal zur Physiotherapeutin gehen!

Bin ich gut auf die Geburt vorbereitet?
Nur wer keine Panik vor der Geburt hat und (Entspannungs-)Techniken beherrscht, kann das Baby wirklich los- und durchlassen. Ein guter Geburtsvorbereitungskurs oder Schwangeren-Yoga sind deshalb nicht nur nett, sondern richtig wichtig. Auch ein Geburtsplan gibt vielen Frauen mehr Sicherheit.
Einen Versuch wert ist auch die geburtsvorbereitende Akupunktur. Die Nadelbehandlung soll die Muttermundreifung unterstützen und die Eröffnungsphase verkürzen.

Geburtsstillstand, weil ich mich nicht richtig aufgehoben fühle?
Ein Gefühl von Geborgenheit löst so manche Verkrampfung. Wichtig deshalb, wenn du in der Klinik entbinden möchtest: Welche Philosophie wird dort in der Geburtshilfe vertreten? Ist man eher abwartend, eher an der Schwangeren orientiert oder mehr an der Technik? Was für einen Eindruck habt ihr von den Geburtsräumen? Gibt es vielleicht einen schönen Blick in den Garten? Kann man das Fenster öffnen? Und: Wirkt das Hebammenteam beim Infoabend harmonisch?

Gibt es eine Abmachung zwischen dir und deinem Partner für den Fall des Geburtsstillstandes?
Du kannst dir die Geburt wie eine lange und anstrengende Wanderung vorstellen, da zieht mal der eine die andere mit, mal ist es umgekehrt. Triff am besten eine Abmachung mit deinem Partner: Wenn ich nicht mehr kann, musst du übernehmen! Verliere ich den Kontakt zum Baby, nimm du ihn auf! Habe ich Angst, dann lass dich nicht anstecken! So hat ein Geburtsstillstand die Chance, eben das zu bleiben, was er oft tatsächlich ist: kein Stillstand, sondern eine Pause.


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