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Wie fühlen sich Vorwehen an? Wenn das Baby zu früh kommen will

Vorzeitige Wehen kommen oft aus heiterem Himmel - aber werdende Mütter können viel tun, um eine Frühgeburt zu verhindern. Was, das weiß Dr. Rupert Linder, Frauenarzt und Psychotherapeut in Birkenfeld.

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Wie unterscheidet man vorzeitige Wehen von harmlosen Übungswehen?

Frühgeburt
Frühgeburt
© nataistock / Thinkstock

"Echte Wehen wirken auf den Muttermund. Der Gebärmutterhals verkürzt sich, der Muttermund wird weicher, das Kind rutscht tiefer ins Becken. Passiert das ein-, zweimal, ist das nicht tragisch. Etwa vier Wochen vor der Geburt, um die 36. Woche herum, ist das sogar normal - das sind die Senkwehen. Frauen fühlen sich danach oft wohler, denn sie haben nun mehr Platz im Oberbauch und bekommen wieder besser Luft.
Bei Wehen, die früher auftreten, stellen wir drei Fragen, um sie einordnen zu können: Sind es, über 24 Stunden verteilt, nicht mehr als zehn bis 15 Kontraktionen? Kommen sie sehr unregelmäßig, also einmal zwei Wehen im Abstand von 20 Minuten und dann ist über Stunden Ruhe? Wird der Bauch zwar hart, aber die Schwangere spürt kein Ziehen oder Schmerzen? Antwortet die Frau dreimal mit "Ja", sind es meist normale Übungswehen. Ist ein "Nein" dabei, kann es sich um echte vorzeitige Wehen handeln.

Vorzeitige Wegen

Was heißt genau „geöffneter Muttermund“? Und wie wird er gemessen?

Das ist aber nicht immer einfach. Schwangerschaft ist keine Krankheit, aber in diesen neun Monaten herrschen andere Umstände - was sich viele Frauen heute leider nicht zugestehen. Eine Schwangerschaft macht Frauen weicher, emotionaler. Ziel sollte sein, innerlich zu entspannen. Öfter mal Pause zu machen, eine innere Verbindung zum Baby aufzunehmen, mit ihm zu sprechen. Werdende Mütter mit Wehen können ihrem Kind ruhig gut zureden, noch ein bisschen im Bauch zu bleiben. Durch konsequentes Schonen können vorzeitige Wehen verschwinden, selbst ein verkürzter Gebärmutterhals kann wieder länger und stabiler werden.

Eltern Fallbackbild

Was halten Sie von Bettruhe?

Das ist umstritten. Erwa 20 Prozent der vorzeitigen Wehen werden durch die Schwerkraft ausgelöst, also weil das Kind auf den Muttermund drückt. Da hilft natürlich Liegen, zur Not auch mit erhöhtem Becken. Ein Großteil der vorzeitigen Wehen hängt allerdings eher mit Stress zusammen. Auch da hilft Ruhe, die Beine hochlegen auf dem Sofa – ob es jedoch das Liegen selbst ist oder das Umsorgtwerden und Entspannen, weiß man nicht. Doch wenn eine Frau nur liegt, es aber in ihrem Kopf weiterrotiert, bringt das wenig: Nicht nur der Körper muss entspannen, auch die Seele.

Aber vor der Geburt gibt es doch noch so viel zu tun, damit sich das Kind später geborgen fühlen kann!

Wichtiger ist, dass sich die Mutter geborgen fühlt. Dazu sollte sie mit ihrem Partner sprechen, mit Freundinnen, auch mit ihrem Arzt. Gerade ihm muss sie bei vorzeitigen Wehen genau erzählen, wie sie sich gerade anfühlen, wann sie auftauchen - aber auch, welche Gefühle und Ängste sie hat. Nur wer sich geborgen fühlt, kann sich auch entspannen.

Gibt es noch weitere Anzeichen für vorzeitige Wehen?

Ja, etwa, wenn die Beschwerden abends kommen. Oder immer, wenn man sich gestresst fühlt beziehungsweise nach körperlicher Belastung. Auch extreme Müdigkeit kann ein Zeichen sein.

Wie fühlen sich die Wehen an?

Jede Frau empfindet anders: Bei manchen wird der Bauch hart oder fühlt sich schwer an, bei anderen ähnelt der Schmerz dem der Periode, es kann aber auch ein Druckgefühl nach unten sein.

Vorzeitige Wehen, sagen Sie, haben eine Botschaft. Welche?

Der Körper beziehungsweise das Baby sagt: Gib Ruhe

Was ist, wenn man trotz der Schwangerschaft noch ein Projekt fertig machen will oder wenn es größere Kinder gibt, die ihr Recht fordern?

Wenn man, bei was auch immer, seinen Einsatz ein paar Wochen lang um zehn Prozent zurückschraubt, merkt das kein Mensch - weder der Chef noch das große Kind. Aber für die Frau selbst bringt es unheimlich viel.

Ein paar konkrete Beispiele?

Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, den Körper zu verstehen. Und auf anstrengende Dinge zu verzichten, selbst wenn es der Wochenendtrip mit der Freundin ist. Faustregel: Kommt man ins Grübeln, ob man etwas Bestimmtes jetzt noch schafft, ist die Antwort immer klar: Nein. Ansonsten hilft nur: Krankschreibung, Haushaltshilfe.

Das schätzen die Krankenkassen vermutlich gar nicht.

Das wäre sehr kurzsichtig von ihnen! Drei, vier Wochen mit einer Haushaltshilfe sind billiger – und sinnvoller! – als eine Frühgeburt in Kauf zu nehmen: die Frühgeborenen-Intensivmedizin, mögliche Behinderungen, Sorgen, Kosten ...

Und wenn Schonung allein immer noch nicht hilft?

Dann ist die Medizin gefordert. Manchen Frauen hilft hochdosiertes Magnesium: Es stellt die Muskulatur ruhig und kann nicht nur Wadenkrämpfe verhindern, sondern auch Wehen. Zuweilen sind auch Wehenhemmer nötig, so genannte Tokolytika: Sie entspannen die Gebärmuttermuskulatur, haben aber Nebenwirkungen.


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