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Urlaub nur mit Papa Mit drei Vätern in die Berge

Weil sie ihren Frauen mal ein paar kinderfreie Tage gönnen wollten, schnappten sich drei Väter ihren Nachwuchs und fuhren mit ihm nach Osttirol - auf die Lienzer Hütte.

Schroffe Felsen, gurgelnde Bäche, grüne Matten – alles da

Schon seit Längerem hatten mein Schwager Ändi, mein Freund Peter und ich uns vorgenommen, mit unseren Kindern einen Kurzurlaub in den Bergen zu machen. Ohne unsere Frauen, denn die wollten endlich mal ein verlängertes Wochenende für sich. Nach Osttirol sollte es gehen, möglichst hoch hinaus. Gesunde Luft, frische Milch und abends zwei Bier – so etwas in der Art stellten wir uns vor. In der Alpenvereinsbroschüre "Mit Kindern auf Hütten" fanden wir schließlich die passende Unterkunft: die Lienzer Hütte im Nationalpark Hohe Tauern. Sie ist familienfreundlich, mit kleinen Kindern gut zu erreichen – und bewirtschaftet. Ums Essen brauchen wir uns also keine Gedanken zu machen, als wir unsere vier Kinder ins Auto packen – Line und Lea, die vierjährigen Töchter von Ändi und Peter, Baptiste und Thibault, meine beiden fünf- und vierjährigen Söhne. Durch den Felbertauerntunnel, vorbei am Großglockner und am Defereggengebirge kommen wir hinter Lienz ins Debanttal. Die letzten Kilometer zum Parkplatz Speichenbrunn sind nicht mehr asphaltiert. Dafür sind alle Kinder jetzt wieder wach. Gut so, denn ab jetzt geht es zu Fuß weiter. Zum Glück holt Georg Baumgartner, der Hüttenwirt, unsere Taschen ab.Wir wandern also mit leichtem Gepäck. Zweieinhalb Stunden bergauf über Wurzeln und Geröll, schmatzende Moorwiesen und Holzbrücken. Zwischendurch machen wir immer wieder Halt; weil Line die Kühe und die Kaulquappen in den Pfützen Schroffe Felsen, gurgelnde Bäche, grüne Matten – alles da eingehend betrachten muss, Thibault die Viehgatter allein aufmachen und Lea ihre Jacke ausziehen will, obwohl es gar nicht so warm ist.

Zum Glück haben die Mamas Regenzeug eingepackt

"Die Hütte, die Hütte", schreit Baptiste von oben. Er hat den weiten Talkessel auf 1977 Meter Höhe als Erster erreicht.Wie schön das Haus ist mit seinen braunen Schindeln und dem Silberdistel- Banner des Alpenvereins! Drinnen erwarten uns zwei gemütliche Aufenthaltsräume mit Eckbänken für Raucher und Nichtraucher, quietschende Dielen, alte Bilder, Schlafzimmer mit Doppelstockbetten und sechs Matratzenlager. "Prost!", sagen die Väter zwei Stunden später in der Gaststube, nachdem sie die Kinder ins Bett gebracht haben, und stoßen mit ihren Biergläsern an. "Ist ja gut gelaufen bis jetzt." Der Regen hat pünktlich am Parkplatz aufgehört, die Kinder sind anständig marschiert, und jede Familie hat ihr eigenes Zimmer. Auch an der Landschaft gibt es nichts auszusetzen. Schroffe Felswände, kleine, gurgelnde Bäche, grüne Matten, Schneefelder, Flechten und Butterblumen – alles da. Selbst das Funkloch stört uns nicht wirklich. Den ausführlichen Rechenschaftsbericht bekommen die Mütter noch früh genug. Die Handys verschwinden im Rucksack. Nicht mal als Wecker brauchen wir sie. Denn kurz vor sieben ist hier die Zeit des großen Aufbruchs. Es trippelt und trappelt, es hustet und knarzt. Der Geruch gedünsteter Zwiebeln dringt durch die Ritzen des Bodens in unser Zimmer. Schnell also aufstehen, Katzenwäsche und runter zum Frühstück. Die meisten Hüttengäste sind schon am Berg, selbst die Holländer haben ihre Stiefel bereits geschnürt, ehe unser Nachwuchs den ersten Bissen im Mund hat. Macht nichts, es nieselt ohnehin schon wieder. Das Wetter in den Bergen ist offenbar genauso launisch wie Thibault, der mit dem linken Bein aufgestanden zu sein scheint. Gut, dass die Mamas Gummistiefel, Regenjacken und Fleecepullis für die Kinder eingepackt haben. Gemeinsam begutachten wir zuerst den Spielplatz, dann das Kruzifix und schließlich die Ziegen. Alles prima – den Kindern gefällt's. Die Erwachsenen trösten sich mit einem "Großen Braunen".

Die Kinder jammern, die Papas fahren aus der Haut

Gegen Mittag reißen die dunklen Wolken auf. Zeit für eine Schatzsuche. Peter malt mit Wachsmalkreiden Gesichter und Pfeile an den Fels und versteckt Gummibärchen in den Wacholderbüschen. Das Programm kommt gut an.Wir denken uns deshalb in den kommenden Tagen noch mehr aus: Mal machen wir ein Boccia-Spiel mit Steinen, mal basteln wir mit den Kindern dekorative Igel, indem wir Kuhfladen mit Stöcken spicken. Zwischendrin werden Felsen erklommen und Geister gejagt, die im Nebel ihr Unwesen treiben. Auf unserer nächsten größeren Wanderung Richtung Glödisspitze dürfen die Kinder selber Schätze verstecken. Mit verschmitzten Gesichtern verteilen sie Waffeln in Felsspalten und leiten uns mit "heiß, kalt, kalt"-Rufen bergauf. "Funktioniert prächtig", denken die Papas und sind stolz auf ihr perfektes Motivationstraining. Leider setzt das große Jammern und Maulen trotzdem ein. Lines kleine Beine bleiben im Schlamm stecken. Lea findet, dass es langsam reicht. Und Thibault tritt voller Wut gegen den Felsen. "Kackaberg!, Kackaberg!", heult er. Abwechselnd fahren die Papas aus der Haut. Zum Glück bekommen das nur die Murmeltiere mit. "Mannomann", seufzt Peter obendrein, "es ist schon eine Folter, diese wunderbaren Dreitausender den ganzen Tag vor Augen zu haben und nicht hoch zu dürfen. Stattdessen kreuchen wir in Zeitlupe durch die Landschaft." Genug mit der Qual, wir kehren um. Baptiste bettelt: "Papa, bitte, bitte, darf ich allein vorauslaufen! Die anderen sind sooo langsam." Und verspricht mit treuherzigem Augenaufschlag: "Dafür ärger ich auch Thibault nicht mehr." Toller Deal! Den würde seine Mama selbstverständlich nie eingehen. Aber warum eigentlich nicht? Der Weg ist nicht besonders steil und fast überall einsehbar. Als wir 30 Minuten später an der Hütte eintreffen, unterhält sich Baptiste angeregt mit einem älteren Herrn über Schafherden und sein Auto-Quartett. Früh am Abend stehen wir im Flur oben und horchen an den Zimmertüren. Kein Mucks zu hören. Bergluft plus Anstrengung, Pfannkuchensuppe, Schnitzel und Schreikrämpfe haben die Einschlafzeit auf ein Minimum verkürzt. Als unsere Vätergruppe auf ihrer Eckbank Platz nimmt, wird am Nachbartisch Schafkopf gespielt. Die Männer heben den Daumen. Die Frauen rufen: "Mutig, mutig!" und "Gratuliere!". Noch mehr Erfolgserlebnisse beschert uns der nächste Tag: Dank unserer Unterhaltungskunst sind die Kinder doch tatsächlich hinauf zum Salzplattensee gelaufen. Immerhin 2370 Meter hoch. Klar gab es wieder Proteste und Klagen.Aber nun kauern wir am Rand des kleinen Gebirgssees und mümmeln den Inhalt unserer Lunchpakete. Heute hätte es ruhig etwas mehr sein können.

Eine Ziegenherde bringt die Kinder auf Trab

Regentropfen tanzen auf der Wasseroberfläche. Die Temperaturen liegen bei etwa 10 Grad, die Kinder haben fünf Schichten am Körper, und trotzdem frieren alle. Zeit für eine Gymnastikeinlage. Line und Lea haben ihre Augen auf den Vorturner gerichtet und heben Arme und Beine im Takt. Langsam wird uns wärmer. Zum Schluss machen sogar die Jungs mit. Sieht ja keiner zu, der sich darüber lustig machen kann. Auf dem Rückweg stößt unser Trupp auf eine Ziege, die uns nach einer kurzen Kennenlernphase freundschaftlich die Hände leckt. Als wir uns ein paar Minuten später umdrehen, stapft eine ganze Herde hinter uns her. "Schau mal den Opa da", kichert Lea und zeigt auf einen zottigen Bock. "Gleich boxt er uns in den Popo", vermutet Baptiste, und Thibault kräht zehn Minuten lang: "Popo! Popo!" Motivationseinlagen sind dank unserer tierischen Begleiter nicht mehr erforderlich. Überhaupt spielt sich unser alpines Dasein langsam ein.Am Morgen des fünften und letzten Tages sind wir deshalb alle ein bisschen traurig, dass der Hüttenzauber in Osttirol zu Ende ist – obwohl wir uns allmählich auch wieder auf die Mamas, respektive Ehefrauen freuen. Hoffentlich haben die sich auch ein bisschen erholt.

Infos und Preise


Unterkunft: Die Lienzer Hütte ist von Anfang Juni bis Anfang Oktober geöffnet. Sie hat 13 Zimmer mit 33 Betten und 54 Plätze in 6 Matratzenlagern,Waschräume mit Dusche,WCs, einen Trockenraum und zwei Gaststuben. Die Übernachtung in einem der Doppel- oder Mehrbettzimmer kostet 16 Euro pro Person, im Matratzenlager 12 Euro. Mitglieder des Alpenvereins zahlen die Hälfte. Kinder unter sechs Jahre sind gratis. Auf der Hütte gibt es eine Auswahl deftiger Speisen, die fast jedes Kind mag. Preis fürs Frühstück 6 Euro, für Hauptgerichte zwischen 6,50 und 10 Euro. Man kann auch Halbpension buchen.


Für kleine Kinder besonders geeignete Touren sind der Naturlehrpfad vom Parkplatz Seichenbrunn hoch zur Hütte oder der Aufstieg zum Salzplattensee. Rund um die Hütte beginnen verschiedene Touren, die im unteren Bereich meist auch mit Kindern machbar sind. Eine Herausforderung für größere Kinder ist der Klettersteig in der Nähe. Anmeldung über das Hüttentelefon 00 43/48 52/6 99 66.


Noch mehr Hüttenurlaub: In der Broschüre „Mit Kindern auf Hütten“ sind außer der Lienzer Hütte noch 69 weitere familienfreundliche Alpenvereinshütten aufgeführt. Es gibt das Heft kostenlos bei den Geschäftsstellen und Sektionen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins sowie des Alpenvereins Südtirol. Gegen einen mit 1,50 Euro frankierten DIN-A5-Rückumschlag (ins Ausland 3,50 Euro) wird sie auch zugeschickt. Bestelladresse: Alpenvereinsjugend, Wilhelm-Greil-Straße 15, A-6020 Innsbruck, Tel. 00 43/5 12/5 95 47-13. Unter www.alpenvereinsjugend.at ist sie auch als Download erhältlich. Vier österreichische Alpenvereinshütten in Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark bieten im Juli und August auch Familienurlaub mit Kinderbetreuung und Wanderprogramm an. Infos über Preise und Termine beim Österreichischen Alpenverein, Abteilung Alpenvereinsjugend (Adresse siehe oben).


Infos über kindertaugliche, bewirtschaftete Übernachtungshütten in Tirol (inklusive Osttirol),Wandervorschläge und allgemeine Auskünfte gibt’s bei Tirol Werbung, Tel. 00 43/5 12/72 72-0, www.tirol.at. Wer lieber eine Hütte für sich hat, findet eine große Auswahl unter , www.huetten.com, www.huettenpartner.at oder in den Hütten-Broschüren der österreichischen Bundesländer, die angefordert werden können bei der Österreich Werbung, Tel. 01802/ 10 18 18, [email protected].


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