VG-Wort Pixel

Der Vater bei der Geburt Nett, aber nutzlos?

Vater hilft bei Hausgeburt
© Jodi Hall Photography / iStock
Dass der Vater bei der Geburt dabei ist, ist heute fast normal: Väter trifft man im Kreißsaal genauso häufig wie Ärzte und Hebammen. Studien zufolge sind sie allerdings weniger hilfreich. Was tun, damit Väter eine echte Stütze für ihre Frau sind? Ein Gespräch mit dem Frauenarzt Achim Wöckel.

Was bringt es, wenn der Vater bei der Geburt dabei ist?

Neuere Studien bringen ein ernüchterndes Ergebnis: Der werdende Vater im Kreißsaal macht die Geburt weder schneller, erträglicher noch schöner. Brauchen wir die Männer dort gar nicht?
Dr. Achim Wöckel: Betrachten wir es doch lieber umgekehrt. Väter im Kreißsaal schaden nicht. Diese Frage war die Ausgangslage für die Studien, die Sie ansprechen: Behindern Männer vielleicht durch die eigene Hilflosigkeit und die eigenen Ängste den Geburtsverlauf? Stehen sie Ärzten und Hebammen im Weg rum? Das hat man ja tatsächlich jahrelang gedacht! Zum Glück kann man das nun klar verneinen. Und was das "schöner" angeht: Ein nachweisbarer Nutzen von Männern im Kreißsaal ist der, dass die meisten Frauen sich durch ihre Anwesenheit geborgener und sicherer fühlen. Das ist schon eine ganze Menge.
Weder machen Väter die Geburt kürzer, noch sinkt die Rate der Interventionen, etwa der Einsatz eines Wehentropfes oder eines Dammschnitts. Der Schmerzmittelverbrauch steigt sogar! Sollten Männer nicht doch besser draußen bleiben?
Auf keinen Fall! Männer gehören heute bei der Geburt einfach dazu, die meisten möchten ja auch dabei sein, dieses unglaubliche Erlebnis nicht verpassen, ihre Frau unterstützen. Wir wollen ja nicht zurück in die 1950er-Jahre, als die Männer ihre Babys auf der anderen Seite der Glasscheibe begrüßten. Wichtiger ist es, die Männer besser auf die Geburt vorzubereiten. Dann sind sie nämlich durchaus eine Stütze!
Aber dafür gibt es doch die Partnerabende in den Geburtsvorbereitungskursen. Reichen die nicht?
Ganz klares "Nein". Als Anhängsel mit in einen Frauenkurs gehen zu "müssen", empfinden viele Männer als unangenehm. Sie trauen sich dort nicht, ihre Befürchtungen zu äußern und vermeintlich dumme Fragen zu stellen. Männer wollen ihre Schwächen nur ungern zugeben - erst recht nicht in Anwesenheit von einem Dutzend Frauen!
Was ist also die Alternative?
Beispielsweise ein reiner Männer abend. Auch der Dozent sollte nicht unbedingt eine Frau sein. Wenn die werdenden Väter unter sich sind, trauen sie sich eher, zu fragen: "Wie lange dauert eine Geburt? Wo soll ich stehen? Darf ich auch mal rausgehen?" Eigentlich sind das banale Fragen. Aber sie zu besprechen nimmt der Geburt auf einfache Weise ihren Schrecken. Dafür braucht man gar nicht viel Zeit, eine Stunde vielleicht. Männer bevorzugen Informationen in komprimierter Form.

So können Väter im Kreissaal helfen

Ein Mann hält einer Frau die Hand während sie gebärt.
Frauen erwarten von ihren Männern eigentlich nichts während der Geburt

Dann gleich mal zu der wichtigsten der genannten Männerfragen: Was macht ein Mann die ganze Zeit im Kreißsaal?
Auf diese Frage gibt es die einfachste und zugleich schwierigste Antwort: nur dabei sein. Eine unserer Studien hat gezeigt, dass Frauen von ihren Männern eigentlich nichts erwarten während der Geburt - außer ihrer Anwesenheit. Massieren, mitatmen: Es gibt Frauen, die das wünschen. Aber die meisten wollen einen Mann, der ohne Angst und möglichst entspannt bei ihnen ist, ihnen leise Mut macht und sie motiviert.
Das klingt ja einfach.
Ist für uns Männer aber trotzdem ziemlich schwer. Wir wollen handeln. Auch wenn das jetzt befremdlich klingt: Die Geburtsschmerzen sind auch für einen Mann schwer auszuhalten. Er möchte Linderung für seine Frau und hat Angst vor Komplikationen - dadurch gerät er häufig in einen völlig unnötigen Aktionismus. Er bittet Hebammen und Ärzte um Hilfe; darum, seine Frau doch endlich von den Schmerzen zu befreien. Studien konnten zeigen, dass das dazu führen kann, dass Schmerzmittel früher verabreicht werden. Wenn der Mann von vornherein weiß, dass seine Aufgabe im Kreißsaal ist, nichts zu tun, kommt diese Spirale gar nicht erst in Gang.
Als Frau denke ich da: Dann nehme ich doch lieber meine beste Freundin oder meine Schwester mit in den Kreißsaal. Der muss man das Aushalten und Nichtstun nicht erst mühsam erklären.
So einfach ist es nicht. Auch wenn in vielen Kulturen dieser Welt die Geburt nach wie vor reine Frauensache ist - bei uns ist sie es nicht mehr. Viele Männer wollen die Geburt ihrer Kinder unbedingt miterleben. Auf der anderen Seite erwarten auch die Frauen, dass ihre Männer sie in diesem wichtigen Moment nicht allein lassen. Trotzdem bin auch ich der Meinung: Der werdende Vater muss nicht um jeden Preis mit in den Kreißsaal. Wer zu viel Angst und Vorbehalte hat, sollte das mit seiner Partnerin besprechen. Ein gestresster Mann ist keine Hilfe, das sollte man sich klarmachen. Und dann sollte man auch die Freiheit haben, zu sagen: Ich komme in der Sekunde rein, in der das Kind geboren wird - für ein gelungenes Bonding ist das auch ein guter Start. Und vorher hält eben die beste Freundin, die Schwester oder die Mutter die Hand. Das ist absolut in Ordnung.
Aber muss man sich hinterher nicht trotzdem ein bisschen schämen, weil man nicht dabei war?
Zum Glück ist es bei uns noch nicht so schlimm wie etwa in Skandinavien, wo von Männern in sehr viel höherem Maß erwartet wird, dass sie die Partnerin zur Geburt begleiten. In Mitteleuropa erleben wir zurzeit eher den entgegengesetzten Trend: In vielen Ländern bleiben Männer wieder öfter vor der Kreißsaaltür. Ich glaube, dass sich dieser Trend bei uns stoppen ließe, wenn wir es schaffen könnten, in ganz Deutschland spezielle Väterabende zur Geburtsvorbereitung zu etablieren. Wir arbeiten daran - aber noch sind wir davon leider weit entfernt.

Hebamme Andrea Ramsell

Mehr zum Thema