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Trisomie 18 (Edwards-Syndrom): Ursachen, Symptome und Lebenserwartung

Sorgenvolle Mutter mit Neugeborenem
© Yobro10 / iStock
Babys mit Trisomie 18 leiden unter einer Vielzahl von körperlichen und geistigen Einschränkungen, deren Ursache eine Genommutation ist. Hier alles über Häufigkeit, Symptome und Folgen für das Baby.

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Was ist Trisomie 18 (Edwards-Syndrom)

Bei der Trisomie 18 handelt es sich um eine schwere Entwicklungsstörung des Babys. Sie wird durch eine Verdreifachung des Erbmaterials auf Chromosom 18 verursacht. Schon während der Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft zeigt sich, dass das Kind unter anderem zu wenig Gewicht zunimmt und einen sehr kleinen Kopf hat. Je nach Ursache und Ausprägung des Syndroms kommen auch schwerwiegende Organdefekte oder Missbildungen vor. Die Mehrzahl der betroffenen Kinder stirbt vor der Geburt oder überlebt nur wenige Tage, Wochen oder Monate. Nur 5 bis 10 Prozent werden älter als ein Jahr. Der genetische Defekt wird nach seinem Entdecker John Hilton Edwards auch Edwards-Syndrom genannt. Der Humangenetiker erkannte 1960 den Zusammenhang zwischen der Symptomatik der Trisomie 18 und einer chromosomalen Fehlverteilung.

Welche Symptome sind typisch?

Kinder mit Edwards-Syndrom zeigen bereits während der Schwangerschaft eine große Bandbreite typischer Auffälligkeiten. Ihre Entwicklung ist insgesamt stark verzögert. Die Gewichtszunahme ist unter dem Durchschnitt und ihr Kopf ist zu klein. Auch die inneren Organe sind häufig fehlgebildet.
Nach der Geburt zeigen sich weitere Fehlbildungen, die für eine Trisomie 18 typisch sind. Sie müssen allerdings nicht alle gleichzeitig auftreten. Die Ausprägung der Symptome ist stark von der Ursache des Edwards-Syndroms abhängig.

Die Trisomie 18-Symptome im Überblick: 

  • Organfehlbildungen (Herz, Nieren, Lunge, Harnleiter, Magen-Darm-Trakt, Gehirn)
  • verzögertes Wachstum, das in einem zu niedrigen Geburtsgewicht resultiert
  • sehr kleiner, nach hinten weit ausladender Kopf
  • schwere geistige Beeinträchtigungen
  • zu kleine Mund-Kinn-Region
  • „Faunenohren“ (sie laufen nach oben spitz zu und sind tief angesetzt)
  • kurze Augenlidspalten
  • vorgewölbte Stirn
  • sogenannte Wiegenkufenfüße (da die Form der Fußsohle an die Kufen einer Kinderwiege erinnert, sie werden auch Tintenlöscherfüße genannt)
  • zu viel Fruchtwasser
  • nur eine Arterie in der Nabelschnur


Zusätzlich treten häufig folgende Auffälligkeiten auf:

  • Fingerüberlagerungen
  • Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalte
  • Fehlbildungen der Augen
  • verändertes Skelett (es fehlen z.B. Rippen oder einzelne Wirbel sind fehlgebildet)
  • vorspringende Fersen
  • verkürzte große Zehen
  • kognitive Behinderung
  • schwerer Haltungsdeformität

Kommen die Kinder lebend zur Welt, leiden sie in der Regel unter Atemproblemen, Wachstumsstörungen und Ernährungsproblemen. Kinder, die älter werden, können später selten frei gehen oder mehr als einige Wörter sprechen.
Die meisten und am stärksten ausgeprägten Symptome zeigen sich bei der freien Trisomie 18, der Variante, bei der alle Körperzellen betroffen sind. Die mildeste Symptomatik zeigt sich bei einer Mosaik-Trisomie 18, bei der nur einige Zelllinien ein Chromosom 18 zu viel haben.

Was sind die Ursachen?

Der Grund des Syndroms ist eine Chromosomenstörung. Das Chromosom 18 liegt nicht wie im Normalfall als Paar vor, sondern existiert ganz oder in Teilen dreifach (Aneuploidie). Das überschüssige Erbgut verursacht schwere Entwicklungsstörungen beim Embryo.
Ein gesunder Mensch verfügt über 23 Chromosomenpaare („doppelter Chromosomensatz“). Auf ihnen liegen alle Erbinformationen. Insgesamt gibt es also 46 Chromosomen. Weicht die Gesamtzahl davon ab, liegt eine Genommutation vor. Dies ist bei der Trisomie 18 der Fall, da ein zusätzliches Chromosom existiert.
 
Wie kommt es zur Fehlverteilung von Chromosom 18?
Die Mutation kann an zwei Stellen auftreten. Die Trisomie kann sowohl die Folge einer fehlerhaften Zellteilung (Mitose) als auch die Folge eines Fehlers während der Keimzellenreifung (Meiose) sein.

  • Fehlerhafte Mitose: Stellt sich bei der genetischen Analyse heraus, dass das komplette Chromosom 18 in allen Körperzellen dreifach vorliegt, geht die Trisomie bereits auf eine fehlerhafte Verteilung in den Keimzellen eines Elternteils zurück. Denn normalerweise enthalten Ei- und Samenzellen am Ende der Reifeteilung (Meiose) einen einfachen Chromosomensatz. Weisen die Körperzellen des Kindes aber drei Chromosomen 18 auf, muss entweder die Ei- oder die Samenzelle vor der Befruchtung bereits mit zwei Chromosomen ausgestattet gewesen sein. Denn bei der Befruchtung fügen sich die einzelnen Chromosomen der Keimzellen wieder zu jeweils 23 Paaren zusammen und bilden die einzigartige genetische Zusammensetzung eines neuen Menschen.
    Eine fehlerhafte Verteilung von Chromosomen in den Keimzellen tritt zufällig auf. Die Träger wissen in der Regel nichts von der fehlerhaften Ausstattung ihrer Keimzellen, da diese keine Effekt auf ihre eigene Gesundheit hat. Eine fehlerhafte Reifung tritt sehr viel häufiger bei der Eizelle (90 Prozent) als bei der Samenzelle auf.
     
  • Fehlerhafte Meiose
    Der Fehler, der zu Trisomie 18 führt, kann aber auch erst nach der Befruchtung bei der Entwicklung des Fötus beziehungsweise Embryos passieren. Dann sind nicht alle Körperzellen betroffen.

Welche Varianten der Trisomie 18 gibt es?

Je nachdem, ob der Fehler erst bei der Zellteilung nach der Befruchtung oder bereits bei der Entstehung der Keimzellen vorkommt, entstehen unterschiedliche Ausprägungen der Trisomie 18. Die Medizin unterscheidet vier Formen: Die freie Trisomie 18, die Mosaik-Trisomie 18, die Translokationstrisomie 18 und die partielle Trisomie 18.

  • Freie Trisomie 18
    Die freie Trisomie 18 ist die Folge einer fehlerhaften Keimzellreifung. Mutter oder Vater sind Überträger der Genommutation. Infolgedessen sind alle Körperzellen des Kindes mit drei statt mit zwei Chromosomen 18 ausgestattet. Die Ausprägung des Syndroms ist bei dieser Variante am schwersten. In etwa 94 Prozent der Fälle liegt diese Variante der Erkrankung vor.
     
  • Mosaik-Trisomie 18
    Bei dieser Trisomie tritt der Fehler in der Zellteilung erst relativ spät in der Entwicklung der bereits befruchteten Eizelle auf. Daher sind nicht alle Körperzellen des Kindes betroffen. Die Schwere der Symptome ist abhängig davon, wie viele und welche Zelllinien mit zu viel Erbgut ausgestattet sind. Je weniger Zellen krank sind, desto höher ist die Lebenserwartung. Welche Zellen das sind, ist sehr unterschiedlich. Daher sind der Verlauf und der Grad der Beeinträchtigungen des Kindes schwer vorherzusehen.In nur etwa fünf Prozent der Fälle liegt diese Form vor.
     
  • Translokationstrisomie 18
    Bei dieser Variante besteht bei einem Elternteil eine sogenannte „balancierte Translokation“. Meistens betrifft dies die Mutter. Sie hat zwar eine normale Chromosomenzahl, jedoch wurden Abschnitte von Chromosom 18 nach einem Bruch an ein anderes Chromosom geheftet. Dieses Phänomen bezeichnet man als Translokation (Ortsveränderung). Damit sind zwar alle Gene vorhanden, aber anders angeordnet als normalerweise. Von balancierter Translokation spricht man, weil die andere Lage der genetischen Informationen keine Auswirkungen auf die Gesundheit des betroffenen Elternteils hat.
    Bei der Zeugung eines Kindes kann bei den Nachkommen daraus eine unbalancierte Translokation entstehen. Nur bestimmte Teile von Chromosom 18 liegen dann dreifach vor. Wie schwer oder milde das dadurch entstehende Krankheitsbild ist, liegt daran, welche Teile dreifach vorliegen.
    Bei dieser sehr seltenen Variante spricht man auch von partieller Trisomie infolge einer Translokation. Sie kommt nur in etwa 1 Prozent der Trisomie 18-Fälle vor.

Wie häufig ist das Edwards-Syndrom?

Das Edwards-Syndrom kommt bei einem von 3.000 bis 5.000 lebend geborenen Kindern vor. Es sind mehr Mädchen betroffen als Jungen (Verhältnis 3:1). Die Jungen versterben häufiger noch vor der Geburt. Der Grund für diesen Unterschied ist noch nicht ausreichend erforscht.
Die freie Trisomie 18 kommt am häufigsten vor. Eltern, die ein betroffenes Kind mit dieser Variante haben, tragen kein erhöhtes Risiko, erneut ein Kind mit Edwards-Syndrom zu bekommen. Wird Ei- oder Samenzelle geschädigt, ist der Fehler reiner Zufall und tritt spontan auf. Er folgt selten bestimmten Vererbungsmustern.
Das Alter der Mutter ist allerdings ein Risikofaktor. Liegt das Risiko, ein Kind mit Trisomie 18 im Mutterleib zu tragen für eine achtzehnjährige Frau noch bei 1:2500, steigt es bei einer Vierzigjährigen auf 1:180.
Handelt es sich ursächlich um eine sehr selten vorkommende Translokationstrisomie 18 und lässt sich bei einem Elternteil eine Translokation mit dem Chromosom 18 nachweisen, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit derselben Genommutation gezeugt wird, bei 25 Prozent.

Wie stellt der Arzt die Diagnose?

Die Diagnose Trisomie 18 erfolgt in der Regel bereits während der Schwangerschaft. Die auftretenden Wachstumsverzögerungen sind für den Frauenarzt meist Anlass für eingehendere Untersuchungen. Zeigen diese weitere Symptome, wie bestimmte Fehlbildungen oder zu viel Fruchtwasser, wird der Arzt einen Gentest vorschlagen, um ganz sicher zu sein.
Invasive Verfahren der Pränataldiagnostik
Das dazu notwendige Genmaterial kann auf unterschiedliche Weise gewonnen werden. Mit einer feinen Kanüle entnimmt der Gynäkologe durch die Bauchdecke der Mutter Fruchtwasser für die Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) oder etwas Plazentagewebe für die  Chorionzottenbiopsie. In beiden Proben befindet sich Zellmaterial des Kindes. Mit ihm kann nun im Labor eine Chromosomenanalyse durchgeführt werden, die eine Trisomie zweifelsfrei nachweist. 
Invasive Untersuchungen, wie die Chorionzottenbiopsie oder eine Amniozentese, bringen auch immer ein Risiko für das ungeborene Kind mit sich (z.B. eine Frühgeburt). Mit einem Bluttest lässt sich dies vermeiden.
Nicht-Invasive Verfahren der Pränataldiagnostik
Bei einer Trisomie können bestimmte Blutwerte der Schwangeren erhöht sein. Der sogenannte Triple-Test (auch MoM-Test) kann klären, ob das Ungeborene ein erhöhtes Risiko für eine Genommutation trägt. Der Test liefert also eine Risikoeinschätzung, aber keine sichere Diagnose.
Diese ist nur durch die Isolierung von kindlichem Genmaterial aus dem mütterlichem Blut möglich. Dies Verfahren ist noch relativ neu und wird in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen. Der große Vorteil ist, dass der Test ein verlässliches Ergebnis liefert ohne das Baby zu gefährden.
Bei einer Risikoschwangerschaft wird der Test ab der vollendeten 9. SSW angeboten. Ob die Kasse den Test vor dem Hintergrund einer möglichen Trisomie im Einzelfall doch übernimmt, muss individuell erfragt werden.
Für alle anderen, die durch einen Bluttest (Harmony-Test, Praena-Test oder Panorama-test) Gewissheit haben wollen, stellt er eine IGeL-Leistung dar. Zusammen mit der obligatorischen humangenetischen Beratung, in der mit den Eltern die Konsequenzen eines positiven Testergebnisses besprochen werden, kommen schnell Kosten von einigen hundert Euro zusammen.

Trisomie 18 (Edwards-Syndrom): Ursachen, Symptome und Lebenserwartung

Welche Optionen haben die Eltern nach der Diagnose?

Sind die Ergebnisse eindeutig, sollten die Eltern sich unbedingt umfassend beraten lassen. Aufgrund der Vielzahl der körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen und der meist geringen Lebenserwartung, wird oft zum Schwangerschaftsabbruch geraten. Den Eltern fehlt dabei häufig das Wissen um die Alternative. Sie können nicht einschätzen, ob ihr Kind leidet, wenn es zur Welt kommen würde und sie haben keinen Überblick darüber, welche Pflegemaßnahmen für ein behindertes Kind notwendig sind.
Um eine Entscheidung treffen zu können, brauchen die Eltern Zeit und Informationen, die sie im hektischen Klinikalltag oft nicht bekommen. Im Netz finden sich jedoch einige Selbsthilfegruppen, die einen sehr privaten Einblick in das Leben mit der Diagnose bieten.

Gibt es eine Therapie?

Eine Heilung gibt es für Kinder mit Edwards-Syndrom nicht. Kommen sie lebend zur Welt, ist das Ziel aller therapeutischen Maßnahmen, ihnen eine möglichst hohe Lebensqualität zu verschaffen. Je nach Schwere der Symptome gehört zur Therapie die Überwachung der Atemfunktion, eine Sondenernährung bei Problemen mit der Nahrungsaufnahme oder Operationen, die die Fehlbildungen von Organen (z.B. ein Herzfehler, Harnleiter) beheben können. Operative Eingriffe werden dabei nur dann erwogen, wenn sie die Lebenserwartung und/oder die Lebensqualität des Kindes verbessern.
Auch Physio- oder Ergotherapie kann den Kindern helfen, wenn Hände oder Füße fehlgebildet sind. 
Nach der Geburt wird den Eltern in der Regel eine psychologische Beratung angeboten. Denn in der Regel müssen sie von nun an jeden Tag mit dem Tod des Kindes rechnen. Gemeinsam mit Ärzten und Psychologen können die Eltern darüber sprechen, wie die weitere Behandlung und Pflege eines so stark beeinträchtigten Neugeborenen gestaltet werden kann, und wie sie künftig mit dem Wissen umgehen, dass dieser kleine Mensch nur kurz ihr Leben begleiten wird.

Wie verläuft das Edwards-Syndrom?

95 Prozent der Kinder sterben bereits im Mutterleib. Die Lebenserwartung der lebend geborenen Kinder ist in jedem Fall stark verkürzt. Der Verlauf der Erkrankung hängt vor allem von der Schwere der Symptome und der Entscheidung der Eltern über eine intensivmedizinische Behandlung ab. Die meisten Kinder überleben nur wenige Tage oder Wochen und sterben an Herzversagen oder einem zentralen Versagen von Kreislauf und Atmung. Nur etwa jedes fünfte bis zehnte Kind überlebt das erste Lebensjahr. Sehr selten werden sie einige Jahre alt. In seltenen Fällen werden Kinder mit Trisomie 18 bis zu zehn Jahre oder älter. Das ist aber die große Ausnahme. Ein Beispiel dafür schildert der anrührende Blog "Jaels Welt".
Handelt es sich um die sehr seltene Mosaik-Trisomie 18, ist der Verlauf meist sehr viel milder und die Lebenserwartung besser. Denn in diesen Fällen sind nur bestimmte Zelllinien erkrankt.

Gibt es noch andere Trisomien?

Chromosomenstörungen mit einem überschüssigen Chromosom kommen nicht nur bei Chromosom 18 vor. Die bekannteste Genommutation ist die Trisomie 21 (Down-Syndrom). Sie ist auch die häufigste Form. Es folgen Trisomie 18 und Trisomie 13 (Pätau-Syndrom). Bei diesen drei Trisomien sind die Kinder potentiell lebensfähig. Kinder mit Trisomie 21 können trotz gesundheitlicher Einschränkungen ein hohes Alter erreichen und häufig ein selbstbestimmtes Leben führen. Embryonen, bei denen ein anderes Chromosom dreifach vorliegt, sterben meist sehr früh. Oft geht der Fötus bereits nach einigen Wochen ab und die Fehlgeburt wird gar nicht als solche bemerkt.


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