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Single mit Kinderwunsch Wie ich mich als Alleinstehende künstlich befruchten ließ

Frau wirbelt Kind durch die Luft
© Mckyartstudio / Shutterstock
Tina weiß früh, dass sie Mama werden will. Doch der passende Partner lässt auf sich warten. Daher entscheidet sie sich, alleine ein Kind zu bekommen. Das ist ihre Geschichte.

Tina ist 15 als sie zum ersten Mal Tante wird. Für sie steht fest: Das will sie auch. Mit dem Älterwerden kamen Partner, aber hundertprozentig passte es nie. Endlich, mit 32 die große Liebe. Ein ehemaliger Kommilitone tritt wieder in ihr Leben. Mit Pauken und Trompeten verliebt sie ich. Das ist er, der Vater ihrer Kinder. Der Plan: Erstmal ein wenig zusammenleben und dann Familiengründung. Sein Plan sah anders aus. Nach dem Höhenflug, folgt der Totalabsturz. Es reißt Tina den Boden unter den Füßen weg, als er sie verlässt. Das war es dann wieder mit den großen Träumen. Familie, Kinder? Die Lebensplanung zurück auf Null gesetzt.

Bis ihr eine ältere Ausgabe des Stern wieder in die Hände fällt. „Keine Ahnung warum, aber diese Ausgabe habe ich aufgehoben. Darin ging es um die US-amerikanische Octomom Nadya Suleman, die sie durch künstliche Befruchtung bekommen hatte." Auch darin: eine Doppelseite zu künstlicher Befruchtung für alleinstehende Frauen mit Kliniken in Tschechien, in Dänemark und überall auf der Welt. Tina beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema und es wird ganz schnell klar: Als alleinstehende Frau hat man Anfang 2000 in Deutschland nicht die Möglichkeit, ein Kind durch eine Samenspende zu bekommen. Es sei denn man hat einen Freund, der seinen Samen spendet, unterschreibt und dafür geradesteht.

Dann eben nicht in Deutschland…

„Ich habe in einer Frauenarztpraxis in Dänemark angerufen, die Inseminationen durchführen, also keine künstliche Befruchtung in der Petrischale, sondern der Samen wird direkt vor die Gebärmutter gebracht und muss dann seinen Weg noch allein zum Ei finden. Ich bin dann dort hingefahren und habe mir aus einem Katalog einen Spender ausgesucht.“ Tina entscheidet sich für eine offene Spende. Neben Alter und Größe werden ihr beispielsweise Kinderfotos des Spenders gezeigt, außerdem sein ganzer Stammbaum und seine komplette Krankengeschichte. Zuhause bestimmt sie mithilfe von Ovulationstests ihren Eisprung. Als der positiv ist, steigt sie ins Auto und fährt nach Dänemark. Doch mit dem ersten Spender klappt es leider nicht, mit dem zweiten auch nicht.

„Um mich herum kriegen alle Kinder, warum klappt es bei mir nicht?“

Tinas Freundinnen wurden schwanger, bekamen das erste oder zweite Kind. Das tat weh. Als wieder eine Freundin erzählt, dass sie ein Baby bekommt, trifft es sie sehr. „Es war das Gefühl, versagt zu haben. Und Neid. Alle haben einen Partner und können jeden Monat probieren. Ich habe keinen Partner und muss auf das Portemonnaie schauen.“ Als es ihrer schwerkranken Mama schlechter geht, muss ein Weg her, der schneller geht. Ihrer Mama wollte Tina so gern noch zeigen, dass ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen würde. Also wandte sie sich an eine andere Klinik in Dänemark, um sich künstlich befruchten zu lassen und nahm dabei in Kauf, dass der Spender anonym ist und auch bleibt – dass ihr Kind also niemals seinen Vater würde kennenlernen können, wie es bei der Insemination möglich gewesen wäre. Auch bei der Wahl des Spenders hatte Tina kein Mitspracherecht. Einzig auf die Übereinstimmung der Augenfarbe wurde bei der Auswahl des Spenders Rücksicht genommen, damit das Kind auch zu 99,9 Prozent die ihrige hätte.

Die Hormone kommen

Nachdem Tinas Zyklus dokumentiert und ein Plan erstellt wurde, bekommt sie ein Rezept für ein Medikament, das sie sich umständlich aus Frankreich schicken lassen muss. In Deutschland bekäme sie das nämlich nicht einfach. Dieses Medikament soll durch Hormone ihren Zyklus so aufbauen, dass möglichst viele Follikel produziert werden. Gleichzeitig muss das medizinisch überwacht werden, das heißt, Tina braucht eine:n Gynäkolog:in in Deutschland, der:die die Einnahme kontrolliert. Die nächste Hürde wie sich herausstellt. „Die erste Frauenärztin, bei der ich war, erklärte mir, im Internet gäbe es ja genug Männer, die das so machen würden.“ Glücklicherweise fand sie dann eine Frauenärztin, die sie begleiten wollte. Ihren Namen darf Tina nicht nennen, denn Frauenärzt:innen machen sich hier zu Lande strafbar. Weil sie wissen, was sie da tun, müssten sie nämlich normalerweise für den Unterhalt aufkommen. Rechtlich gesehen hat sie an der Entstehung mitgewirkt.

Und dann ging das los, was man mit Kinderwunschbehandlungen in Verbindung bringt

Hormonspritzen, Ultraschall, Follikelaufbau. Alle Daten gingen nach Dänemark, die wiederum gaben Bescheid, wann Tina kommen sollte. Nicht ohne 12 Stunden vorher ihren Eisprung ausgelöst zu haben. 16 Eier wurden entnommen und in Petrischalen mit dem Samen zusammengebracht. Dort sollten sie erstens selbst zueinanderfinden und zweitens sich mindestens zweimal teilen. Je symmetrischer diese Teilung ist, desto perfekter. War es nicht perfekt, wurde es auch nicht eingesetzt.

Zwei Tage danach der Anruf: Tina konnte vorbeikommen. Von den 12 befruchteten Eiern, eigneten sich sechs. Zwei wurden ihr eingesetzt und innerhalb von Sekunden hieß es für Tina: „So, du bist jetzt schwanger. Mal gucken, ob es sich festsetzt.“ Vierzehn Tage später war der Schwangerschaftstest dann positiv, neun Monate später das Baby da. Ein kleines Mädchen, sechs Wochen zu früh, aber gesund.

In der neunten Woche sollte Tina noch einmal zum Abschlussgespräch vorbeikommen. „Ich erfuhr dann, dass der Spender blaue Augen hat, braune Haare, 1,90m groß und 76 kg leicht ist. Kann also ein IT-Nerd oder ein Topmodel sein“ lacht sie.

Was passiert mit den anderen vier Eizellen?

Will ich noch ein weiteres Kind? Ein Gedanke, mit dem sich Tina recht schnell auseinandersetzt. Schließlich lagen da noch vier weitere befruchtete Eizellen im Tiefkühler. Fünf Jahre wurden diese aufgehoben. Doch die Frist sollte gar nicht verstreichen, bevor sie das erste Mal Post bekam: Der Spender hat eine Autoimmunerkrankung des Darms und durfte nicht mehr spenden. Die Eizellen könnten ihr nur auf eigene Gefahr hin eingesetzt werden, sagte man ihr. Tina macht sich auf den Weg zum Humangenetiker, lässt sich und ihre Tochter testen. Glücklicherweise ist alles gut. Bahnfrei für die Eizellen, ein zweites Kind und eine unbeschwerte, zweite Schwangerschaft, die hoffentlich auch neun Monate dauern sollte.

Also geht es für sie wieder nach Dänemark, wo die Eizellen bereits aufgeweckt und zwei Tage beobachtet wurden. Acht Tage nach dem Einsetzen der Eizelle war Tina klar: schwanger. Auch ihr Sohn macht sich zu früh auf den Weg, auch diese Schwangerschaft verläuft nicht komplikationslos. Aber mit ihren beiden Kindern ist Tina überglücklich und hat ihre Entscheidung keinen Tag bereut. 

Alles alleine machen: Ist das nicht hart?

„Es gab nie eine andere Option. Insofern empfinde ich das gar nicht als so anstrengend. Ich kenne es nicht anders: 24/7 sind die beiden bei mir. Ich hatte aber auch das Glück, absolut entspannte Babies zu haben, die auch super geschlafen haben, was es natürlich noch einfacher macht, als wenn ich Schreibabys gehabt hätte.“ Was für sie aber auch wichtig war: ein Netzwerk zu haben, auf das sie sich hundertprozentig verlassen konnte. Nachdem sie für sich die Entscheidung getroffen hatte, weiht sie Familie und Freunde ein, weil Tina klar war: „Ich brauche ein Notfallnetz, wenn wirklich mal etwas ist. Ich mach das zu 99,9 Prozent alleine, aber wir hatten schon ein paar Notfälle und dann weiß ich einfach, dass sie da sind.“

Wie sag ich's meinem Kind?

Heute sind die beiden schon neun und fünf Jahre alt. Vor allem ihre Tochter weiß ganz genau, wie sie entstanden ist. Tina hat es möglichst kindgerecht erklärt. „Sie weiß: Ich wollte ein Kind haben und es gab keinen Mann dazu, der gepasst hat. Also habe ich im Krankenhaus nachgefragt und da konnte mir ein Arzt helfen. Das erzählt sie auch ganz frei, wenn jemand sie fragt.“ Bei ihrem Sohn wird das Thema nun auch langsam spannend, aber noch nicht so, wie bei ihrer Tochter. Klar sehen die beiden, dass andere Kinder einen Papa haben, vermissen tun sie es bis heute allerdings nicht. Sie kennen es eben nicht anders, daher fehlt ihnen der Vater auch nicht. Was ihnen vielleicht fehlt, ist dieses männliche, körperliche Toben und Gerangel, sagt Tina, denn das könne sie nicht bieten. "Wir gehen damit offen um, dass wir eine besondere Geschichte haben, aber es ist nichts, das wir vor uns hertragen." Ihr Credo: Wenn man selbst hinter seiner Entscheidung steht, kann man auch Widerständen gut gegenübertreten.

„Ich kann heute sagen: Alles, was ich geschafft habe, habe ich alleine geschafft. Ich habe zwei gesunde, fröhliche Kinder, die alles haben, was sie brauchen.“

ELTERN

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