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Blutgruppen Verschiedene Rhesusfaktoren sind heute kein Risiko mehr

Bauch einer schwangeren Frau
© Feelkoy / Shutterstock
Wenn die Mutter einen negativen Rhesusfaktor im Blut hat, das Kind aber vom Vater rhesus-positives Blut erbt, kann es bei der Schwangerschaft zu Komplikationen kommen. Heute lässt sich das durch frühe Tests meist vermeiden.

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Was ist eine Rhesus-Unverträglichkeit?

Babys sind im Mutterleib bestens versorgt und auch gut gegen Widrigkeiten geschützt. Doch manchmal kann für das Ungeborene das mütterliche Immunsystem zur Gefahr werden. Zum Beispiel, wenn sich bei einer Rhesus-Unverträglichkeit der Körper der Mutter schützen will und beginnt, durch Antikörper die roten Blutkörperchen des Kindes zu zerstören. Dank medizinischer Fortschritte lässt sich diese Unverträglichkeit aber heute gut therapieren, so dass das Baby gesund zur Welt kommen kann.

Rhesusfaktor

Wieso ist das zweite Kind gefährdeter?

Der Rhesusfaktor ist ein Blutgruppenmerkmal, das auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen sitzt und erblich bedingt ist. Der größte Teil der Bevölkerung hat dieses Merkmal und ist damit Rh-positiv. Bei etwa 17 Prozent fehlt jedoch dieser Rhesusfaktor.

Eine Rhesus-Unverträglichkeit kann entstehen, wenn eine Mutter, die Rh-negativ ist, ein Kind bekommt, das vom Vater den Rhesus-Faktor vererbt bekommen hat, also Rh-positiv ist. Bei der ersten Schwangerschaft ist eine solche Konstellation meist noch kein Problem. Jedoch gelangen bei jeder Schwangerschaft kleine Mengen kindlichen Blutes in den Blutkreislauf der Mutter, beispielsweise über den Mutterkuchen (Plazenta) oder bei der Geburt. Die Mutter bildet dann gegen die Rh-positiven Blutzellen des Kindes Antikörper, da der Körper sie als fremd einstuft und deshalb zerstören will. Das Immunsystem merkt sich diesen Vorgang, um beim nächsten Mal sofort eine große Zahl von Antikörpern bilden zu können - die Mutter ist sensibilisiert.

Abwehrreaktion gegen das kindliche Blut

Wenn das Kind bei einer zweiten Schwangerschaft wieder Rh-positiv ist, genügt schon eine kleine Menge Blut, die vom Kind zur Mutter übertritt, damit der Körper der Mutter massiv Antikörper bildet. Diese gelangen über die Plazenta in den kindlichen Blutkreislauf und zerstören die roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind. Die Folge ist eine Blutarmut (Anämie), das heißt, es ist zuwenig Sauerstoff im Blut und das Herz des Kindes muss mehr arbeiten, um den Körper zu versorgen. In schweren Fällen, die nicht behandelt werden, kann es durch diese Überlastung des kleinen Herzens dazu kommen, dass der Fötus Wasser im Körper einlagert und daran schon vor der Geburt sterben kann. Bei einer leichten Anämie bekommen betroffene Babys kurz nach der Geburt lediglich eine stärkere Form der Neugeborenen-Gelbsucht, die durch eine UV-Therapie aber gut behandelbar ist.

Wie gefährlich ist so eine Rhesus-Unverträglichkeit?

Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Rhesus-Unverträglichkeit eine gefürchtete Komplikation während der Schwangerschaft. Doch heute sind Dank flächendeckender Prophylaxe und besserer Therapien nur noch wenige Schwangere davon betroffen. In der Regel wird bei werdenden Müttern, die Rh-negativ sind, schon sehr früh in der Schwangerschaft ein Antikörper-Test durchgeführt. Werden im Blut Antikörper gefunden, so wird die Schwangerschaft sehr intensiv überwacht.

Was tun, wenn eine Unverträglichkeit vorliegt?

Das Immunsystem der Mutter kann überlistet werden

Per Ultraschall kann die maximale Blutflussgeschwindigkeit von Blutgefäßen im kindlichen Gehirn gemessen werden. Daran lässt sich erkennen, ob eine Anämie vorliegt und wie schwer diese ist. Erst wenn sich bei diesen Untersuchungen herausstellt, dass das Kind eine starke Blutarmut hat, wird die Nabelschnur punktiert, um ein exaktes Blutbild des Kindes erstellen zu können. Durch die Ultraschall-Untersuchung ist dieser Eingriff weit weniger häufig nötig geworden. Wenn das Kind an schwerer Blutarmut leidet, kann es noch in der Gebärmutter Bluttransfusionen in die Nabelschnur verabreicht bekommen, bis sich seine Blutwerte wieder gebessert haben.
Doch das Risiko einer Rhesus-Unverträglichkeit kann verhindert werden. Dazu wird das Immunsystem der Mutter überlistet, indem ihr während ihrer ersten Schwangerschaft etwa in der 28. bis 30. Schwangerschaftswoche sowie in den ersten 72 Stunden nach der Geburt Antikörper gespritzt werden. Da das Immunsystem nun glaubt, schon Antikörper gegen die fremden Blutzellen zu haben, fängt es erst gar nicht an zu arbeiten, und merkt sich folglich auch das "Rezept" für die Antikörper nicht. So wird verhindert, dass bei einer zweiten Schwangerschaft vom mütterlichen Organismus massiv Antikörper produziert werden können. Die Schwangerschaft verläuft durch diese Prophylaxe in fast allen Fällen ohne Komplikationen.

Rhesus-Prophylaxe für alle rh-negativen Schwangeren?

Praktisch wird dieses Verfahren derzeit bei jeder rh-negativen Schwangeren angewendet - unabhängig davon, ob bei dem Säugling später ein positiver oder ein negativer Rhesusfaktor festgestellt wird. Denn die Blutgruppe des Ungeborenen lässt sich ja nur mithilfe eines Eingriffs wie der Nabelschnurpunktion exakt bestimmen. Wie Forscher der Universität Göttingen jetzt in einer Studie herausfanden, sind aber 35 Prozent aller Kinder von Frauen mit negativen Rhesusfaktor selbst Rh-negativ. "Diese Mütter hätten keine Anti-D-Prophylaxe gebraucht", sagt Prof. Tobias Legler von der Abteilung Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Göttingen. "Hochgerechnet sind das auf Deutschland bezogen rund 46.000 Frauen pro Jahr, die eine Rhesus-Prophylaxe bekommen, obwohl sie diese nicht benötigen.

Deshalb haben Prof. Legler und seine Göttinger Kollegen zusammen mit europäischen Spezialisten ein Verfahren entwickelt, mit dem das tatsächliche Risiko einer Rhesus-Unverträglichkeit in der Schwangerschaft vorhersagbar werden soll. Dabei isoliert ein so genannter Magnetspitzen-Roboter die DNA des Ungeborenen aus dem Blut der Schwangeren. Die DNA des Kindes wird dann im Labor auf den Rhesusfaktor untersucht - mit sehr zuverlässigem Ergebnis: In 99,8 Prozent aller rh-positiven Fälle stimmte der vorgeburtliche Test mit dem Test beim Neugeborenen überein. Größter Vorteil neben der Genauigkeit: Die immer mit einem gewissen Risiko behaftete Nabelschnurpunktion bleibt bei diesem Verfahren Mutter und Kind erspart.

Derzeit ist das Labor an der Universitätsmedizin Göttingen jedoch das einzige, das diese Methode bereits routinemäßig anwendet. Prof. Legler und sein Team hoffen nun, diese in Zukunft allen Schwangeren mit negativen Rhesusfaktor anbieten zu können. Dafür müssen jedoch noch die entsprechenden Richtlinien des Bundesärzteausschusses der Ärzte und Krankenkassen sowie der Bundesärztekammer angepasst werden.


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