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Schülerstreiche Lehrer als "digitales Freiwild"?

Pupskissen auf dem Stuhl, Karikaturen auf der Tafel oder falscher Alarm - Hans Pfeiffer in der "Feuerzangenbowle" machte Schülerstreiche legendär. Manche Schüler belassen es nicht bei solch harmlosen Späßen und greifen zu drastischeren Mitteln. Sie diffamieren ihre Lehrer im Internet.

Diesen Lehrer konnte kein Schüler leiden, aber ob er das verdient hatte? Zum Abi-Scherz hing sein aus Pappmache nachgebildetes, überdimensionales Gesicht über dem Hauptportal des nordrhein-westfälischen Gymnasiums. Der weitgeöffnete Mund diente als Eingang - und in seinem Inneren verbreitete sich ein unerträglicher Schwefelgeruch. Noch ein normaler Abi-Scherz oder schon eine herbe Attacke auf die Psyche des betroffenen Lehrers?

Schülerstreiche vor Millionenpublikum

Wann ist ein Streich noch ein Streich, wann schon seelische Grausamkeit? Eine Antwort auf die Frage, wo die Grenzen des guten Geschmacks im ewigen Kampf zwischen Schülern und Lehrern liegen, ist gar nicht so einfach. Fest steht aber: In Zeiten von Internet und YouTube spielen sich die Schülerstreiche nicht mehr nur noch innerhalb des Schulgebäudes ab - die Auseinandersetzung wird hinaus getragen, und im virtuellen Machtkampf sind die Lehrer den Schülern oftmals unterlegen. Einige drastische Beispiele:

  • Schüler eines süddeutschen Gymnasiums - alle noch unter 14 Jahren - simulieren in einem Video die Hinrichtung eines verhassten Lehrers, indem sie ein Foto von seinem Kopf in ein entsprechendes Video einfügen. Sie stellen das Video ins Internet mit einem Anklage-Text gegen den Lehrer.
  • An einer Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht eine Gruppe von Schülern Fotomontagen, die Lehrer und Schüler beim Sex zeigen. Die Fotos waren so professionell bearbeitet, dass selbst Experten sie nicht direkt auf den ersten Blick als Fälschungen erkannten.
  • Sechstklässler eine Schule in Niedersachsen benutzen einen Flirt-Chat, um mit anzüglichen Bemerkungen und rufschädigenden Äußerungen fünf Lehrer zu diffamieren.
  • Zwei Schüler einer Berufsschule in Südhessen bestellen im Namen eines Lehrers Computerzubehör für die Schule - Kaufpreis: 3,6 Milliarden Euro.

Die Zahl der virtuellen Attacken und Diffamierungen hat sich in der jüngsten Zeit deutlich erhöht, klagt der Deutsche Philologenverband (DPhV). Die bekannt gewordenen Beispiele bildeten nur die Spitze des Eisberges, so der Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meininger. Mit herkömmlichen Streichen seien diese Taten nicht mehr zu vergleichen: "Da werden die Persönlichkeitsrechte von Lehrkräften systematisch mit Füßen getreten." Lehrer seien schließlich kein digitales Freiwild.

"Cyber-Bullying" ist ein internationales Problem

Diese Form von Mobbing gegen Lehrer ("Cyber-Bullying" genannt) ist ein internationales Problem: So zeigt etwa eine Befragung der britischen Lehrervereinigung ATL, dass 17 Prozent der Lehrer bereits einmal durch derartige "Streiche" belästigt wurden. An der Universität Lüneburg wird derzeit im Rahmen eines europäischen Kooperationsprojektes eine Studie zu dem Thema durchgeführt.
Ob es sich hierzulande aber wirklich um ein Massenphänomen handelt, darin sind sich Lehrerorganisationen untereinander nicht einig. Als der Philologenverband vor einigen Monaten verstärkt auf die Problematik hinwies, warnte der Deutsche Lehrerverband (DL) vor zu viel Hysterie. Von zwölf Millionen Schülern in Deutschland würden derartige Aktionen vielleicht von höchstens fünf Prozent ausgehen.

Jugendlichen Grenzen bewusst machen

Gleichzeitig forderte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei einen besseren Schutz von Pädagogen gegen Mobbing im Internet. Dafür müsse es einerseits wirksame Mittel gegen die Betreiber von Internetseiten geben, andererseits sei aber auch ein Verhaltenskodex an Schulen nötig. Den Jugendlichen müsse deutlich gemacht werden, dass nicht nur körperliche, sondern auch psychische Gewalt zu ächten sei.
Gerade in diesem Bereich liegt sicherlich auch die Aufgaben der Eltern, die ihren Kindern klar machen müssen, dass sie bei ihren Streichen gewisse Grenzen nicht übertreten dürfen. Zum Beispiel, indem man den Unterschied zwischen einem harmlosen Streich und einer tatsächlichen psychischen Attacke bewusst macht - dass es etwa für die Lehrerin etwas ganz anderes bedeutet, wenn man ihr Foto missbräuchlich verwendet, als wenn man ihr zum Beispiel ein Pupskissen auf den Stuhl legt.

Früher war alles besser?

Letztlich gingen aber auch die Streiche, die Lehrern vor 20, 30 Jahren gespielt wurden, häufig unter die Gürtellinie. So auch in den berühmten Klamaukstreifen "Die Lümmel von der ersten Bank" um Pepe, der Paukerschreck, gespielt von Hansi Kraus. Auch damals schon mussten die Lehrer ziemlich leiden und wurden teilweise bis zum Nervenzusammenbruch getriezt. Ein Beispiel: Ein Schüler täuscht vor, aus dem Fenster des Klassenzimmers zu springen, während seine Kameraden auf dem Hof eine Puppe so drapieren, als läge der Schüler verletzt, vielleicht sogar tot auf der Erde. Der Lehrer fällt auf den Streich hinein - und wird erstmal beurlaubt.


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