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Retinol in der Schwangerschaft Ist Vitamin A für Schwangere unbedenklich?

Retinol in der Schwangerschaft: Frau cremt sich das Gesicht ein
© fizkes / Shutterstock
Um die Anwendung von Retinol in der Schwangerschaft ranken sich viele Gerüchte. Wir erklären dir zusammen mit Dr. Sarah Bechstein, was du wissen solltest.

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Was ist Retinol?

Retinol in Kosmetikprodukten, auch Provitamin-A oder Vitamin-A-Säure genannt, ist ein Wirkstoff, der die Zellteilung und -erneuerung anregt und so dafür sorgt, dass unsere Haut in Höchstleistung neue Zellen bildet. Dadurch werden nicht nur Falten gemildert, auch die Spannkraft der Haut kann wieder hergestellt werden und Pickel klingen schneller ab. Wer mit Pigmentflecken zu kämpfen hat, kann ebenfalls zu Retinol greifen. Ein wahres Anti-Aging-Wundermittel, welches in Cremes und Seren zum Einsatz kommt.

Was macht Retinol auf der Haut?

Ab Mitte 20 verlangsamt sich die Kollagenproduktion der Haut und Falten können entstehen. Ein natürlicher Prozess. Wer dem jedoch entgegenwirken möchte, greift zu Retinol, denn die Moleküle dringen durch die oberste Hautschicht und sind in der Lage, die Kollagenproduktion wieder anzuregen und um 130 Prozent zu steigern. Das Ergebnis: Eine glattere, weichere und ebenmäßigere Haut.

Das klingt erst einmal effektiv und sollte doch auch in der Schwangerschaft kein Problem sein, oder? Leider ist es nicht so einfach.

Warum kein Retinol in der Schwangerschaft?

Es wird empfohlen, während der Schwangerschaft und Stillzeit auf Retinol, also Vitamin A, in der Hautpflege zu verzichten. Dazu gehören auch verschreibungspflichtige Retinoide wie:

  • Retin-A (Tretinoin)
  • Tazorac (Tazaroten)
  • Differin (Adapalen)
  • Isotretinoin
  • Generisches Tretinoin

Allerdings sind diese verschreibungspflichtigen Retinoide, die zum Beispiel bei Akne eingesetzt werden, ohnehin nicht in herkömmlichen Retinol-Produkten erhältlich. Du solltest aber auch auf frei verkäufliches Retinol verzichten, dieses kennzeichnet sich in der Inhaltsstoff-Liste wie folgt:

  • Retinylretinoat
  • Retinylpalminat
  • Retinsäure
  • Retinaldehyd
  • Hydroxypinacolon-Retinioat

Um den Unterschied der beiden Retinol-Arten (verschreibungspflichtig und nicht-verschreibungspflichtig) zu verstehen, schauen wir einmal auf die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten.

Verschreibungspflichtiges Retinol in Tablettenform

Bei schweren Formen der Akne oder Schuppenflechte werden hochdosierte Retinoide wie

  • Acitretin (Neotigason),
  • Isotretinoin (Roaccutan, Aknenormin)
  • und Bexaroten (Targretin)

in Tablettenform verschrieben und oral eingenommen. Während einer solchen Isotretinoin-Kur sollte es auf keinen Fall zu einer Schwangerschaft kommen, denn dieses Derivat des Vitamin A ist beim Menschen das am stärksten teratogen (fruchtschädigend) wirkende Arzneimittel. Das Fehlbildungsrisiko des Kindes liegt nach der Einnahme im ersten Trimester der Schwangerschaft bei bis zu 25 Prozent. Deshalb wird während einer solchen Behandlung alle vier Wochen ein Schwangerschaftstest durchgeführt. Erst nach einem negativen Ergebnis erhält die Patientin eine neue Ration der Tabletten. Zudem sollte doppelt verhütet werden, beispielsweise mit der Pille und Kondom.

Dieses Fehlbildungsrisiko ist wissenschaftlich belegt. Man spricht in diesem Fall von einem sogenannte Retinoid-Syndrom, welches Fehlbildungen des Gesichtsschädels, des Gaumens, der Ohren, des Gehörgangs sowie Entwicklungsstörungen des Thymus (Teil des Immunsystems) und des zentralen Nervensystems auslösen kann. Hinweise auf den Verpackungen des Medikaments und durch Belehrungen von Ärzt:innen betonen deutlich, dass es bei der Einnahme von Isotretinoin zu keiner Schwangerschaft kommen sollte. Die Dermatologin Dr. Sarah Bechstein sagt dazu:

Nach dem Absetzen der Retinoide können Frauen nach einem gewissen Zeitraum wieder unbedenklich schwanger werden. Bei Isotretinoin-Tabletten lautet die Empfehlung des Herstellers vier Wochen, sicherheitshalber wartet man aber in der Regel drei Monate.

Verschreibungspflichtige Retinol-Cremes

Neben der Tablettenform gibt es verschreibungspflichtige Retinoid-Cremes, meist in der Form von Tretinoin. Auch diese sollten weder in der Schwangerschaft noch in der Stillzeit angewendet werden. Nach dem Absetzen der Creme muss die Familienplanung ebenfalls mindestens einen weiteren Monat warten. Erst dann ist der Wirkstoff komplett abgebaut.

Frei verkäufliche Retinol-Produkte

Durch dieses extrem hohe und wissenschaftlich belegte Fehlbildungsrisiko etablierte sich der Irrglaube, auch frei verkäufliche Cremes und Seren mit Retinol könnten generell ebenso fruchtschädigend sein, da es sich dabei ja auch um Vitamin A handelt. Doch das stimmt so nicht: 

Studien zeigten, dass die Aufnahme durch die Haut sehr gering ist. Ebenso die Wahrscheinlichkeit, dass das angewendete Produkt vom Körper aufgenommen wird und das Kind beeinträchtigen könnte. Trotzdem wird seitens Mediziner:innen davon abgeraten, ein retinol-haltiges Produkt während der Schwangerschaft anzuwenden. Denn nur, weil kein Zusammenhang bestätigt worden ist, heißt es nicht, dass Retinol, welches lokal angewendet wird, nicht doch in irgendeiner Art und Weise das ungeborene Kind in der Entwicklung beeinflusst.

Wissenschaftliche Studien zur Anwendung von Retinol im ersten Schwangerschaftsdrittel

Beispielsweise sind in der wissenschaftlichen Literaturdrei Fälle bekannt, in denen die Mutter lokale Retinoide aus Cremes und Seren verwendete. Beim Fötus wurden Veränderungen festgestellt, die den Retinoid-Syndromen ähnelten. Ein Hinweis, dass auch lokale Retinoide in den seltensten Fällen einen ähnlichen Effekt auf ein Kind im Mutterleib haben könnten wie bei der oralen Einnahme von Isotretinoin.

Eine andere amerikanische Studie aus dem Jahr 1993 untersuchte das Risiko für Kinder, bei denen Mütter im ersten Schwangerschaftstrimester Tretinoin äußerlich angewendet haben. Dabei zeigte sich, dass das relative Risiko des Retinoid-Syndroms bei 0,7 Prozent lag. Die Wissenschaftler:innen schließen daraus, dass topisches Tretinoin nicht mit einem erhöhten Risiko für schwere angeborene Erkrankungen verbunden ist.

2012 wurde ebenfalls eine Studie des European Network of Teratology Information Services durchgeführt, um die Rate angeborener Veränderungen nach lokaler Retinoid-Anwendung im ersten Trimester zu bewerten. Eine Gruppe von 235 schwangeren Frauen, die Retinoide zur Hautpflege verwendeten, wurde mit 444 anderen Schwangeren verglichen, die auf solche Produkte verzichteten. Zwischen den Gruppen wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Kein Kind zeigte Merkmale eines Retinoid-Syndroms. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Ergebnisse nicht auf ein erhöhtes Risiko von Fehlbildungen durch die Anwendung von Retinoiden hindeuten.

Darum wird von der Anwendung von Retinol in der Schwangerschaft abgeraten

Die vorangegangenen Studien zeigen, dass die lokale Anwendung von Retinol nur in den seltensten Fällen zu einer Fruchtschädigung führt. Dennoch raten Wissenschaftler:innen davon ab, Retinoide in Form von Cremes und Seren anzuwenden. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für dich und dein Kind ist fraglich. Und nur aufgrund einer Anti-Aging-Creme eventuell die Gesundheit des eigenen Kindes zu riskieren, steht in keinem Verhältnis.

Setze stattdessen auf unbedenkliche Anti-Aging Cremes mit Inhaltsstoffen wie Vitamin E oder Hyaluronsäure, welche deinem Baby nicht schaden werden.

Retinol in der Schwangerschaft: Dermatologin Dr. Sarah Bechstein im Expertinnen-Interview

Eltern.de: Schließt du dich den Empfehlungen der Wissenschaftler:innen der Studien an oder hast du zu Retinol in der Schwangerschaft eine andere Meinung oder andere Erfahrungen gemacht?

Dr. Sarah Bechstein: Retinol gehört zu der Gruppe der Retinoide (Vitamin A- Säure Derivate). Werden diese in Form von Tabletten eingenommen (zum Beispiel bei schwerer Akne oder Schuppenflechte), können sie im Falle einer Schwangerschaft Fehlbildungen beim Kind hervorrufen. Daher dürfen Frauen unter dieser Therapie nicht schwanger werden. Bei Vitamin A Säure- Derivaten (wie z.B. Retinol) in Form von Seren und Cremes ist diese Wirkung nicht eindeutig nachgewiesen. Dennoch sollte man diese sicherheitshalber nicht in der Schwangerschaft verwenden.

Welche Anti-Aging-Inhaltsstoffe empfiehlst du Schwangeren als Alternative zu Retinol und dem verscheibungspflichtigen Tretinoin?

In der Schwangerschaft kann man Azelainsäure verwenden. Das ist zwar nicht so effektiv gegen Fältchen wie Tretinoin oder Retinol, allerdings hilft es gegen Hyperpigmentierungen. Fast 50 Prozent der schwangeren Frauen entwickeln während der Schwangerschaft Hyperpigmentierungen in Form von Melasmen (auch genannt Schwangerschaftsmaskne), Azelainsäure kann dem vorbeugen.

Gibt es weitere Inhaltsstoffe, die während der Schwangerschaft in der Hautpflege nicht benutzt werden sollten?

Auch hochprozentige Salicylsäure sollte in der Schwangerschaft nicht verwendet werden. Vielfach umstritten ist auch Oxybenzon, was leider immer noch häufig in Sonnencremes eingesetzt wird. Oxybenzon gelangt über die Haut in den Blutkreislauf und konnte auch in der Muttermilch bei stillenden Frauen nachgewiesen werden. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, ob und wenn ja welche Langzeitauswirkungen dies auf Mutter und Kind haben kann, daher würde ich die Anwendung grundsätzlich auch unabhängig von der Schwangerschaft vermeiden.

Wie sieht für dich die optimale Hautpflege-Routine in der Schwangerschaft aus?

Aufgrund der hormonellen Veränderungen kann sich auch in der Schwangerschaft die Haut verändern. Bei manchen führt das zu einem regelrechten Strahlen der Haut, auch bekannt als der “Schwangerschaftsglow”. Andere leiden vermehrt an Unreinheiten. Auch in der Schwangerschaft sollte man die Pflege auf den Zustand der Haut anpassen. Zur optimalen Routine gehören eine Reinigung, eine Pflege, die der Haut ausreichend Feuchtigkeit bietet und ein UV-Schutz (ohne Oxybenzon), da es wie erwähnt häufig zu Hyperpigmentierungen kommen kann und dies durch UV-Strahlung noch zusätzlich begünstigt wird. Zusätzlich kann man morgens ein Vitamin C Serum verwenden, das hat eine leichte Anti-Aging-Wirkung und schützt die Haut vor freien Radikalen. Für Feuchtigkeit empfiehlt sich Hyaluronsäure und zum Vorbeugen der Hyperpigmentierungen Azelainsäure. Sollte man mit leichten Unreinheiten zu kämpfen haben, gilt Benzoylperoxid als sicher in der Schwangerschaft.

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Verwendete Quellen: Pregnancy outcomes following first-trimester exposure to topical retinoids: a systematic review and meta-analysis, 2015; Pregnancy outcome following exposure to topical retinoids: a multicenter prospective study, 2012; First trimester topical tretinoin and congenital disorders, 1993

ELTERN

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