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Baby-Blues im Wochenbett Postnatale Depression: Ursachen, Symptome und Behandlung

Postnatale Depression
© mheim3011 / iStock
Statt vor Glück zu strahlen, fühlen sich viele Mütter nach der Geburt erst mal traurig. Solche Heultage sind ganz normal. Wir sagen, wo eine postnatale Depression bzw. postpartale Depression beginnt, und was dann hilft.

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Endlich ist das Baby da – alle freuen sich, nur die Mutter liegt verheult im Bett und macht sich selbst Vorwürfe: Sollte sie nicht glücklich sein? Nein! Denn solch ein Stimmungstief in der ersten Zeit nach der Entbindung ist völlig normal. Mehr als die Hälfte aller Mütter erleben solch eine depressive Phase mehr oder weniger stark. Und die andere Hälfte leidet häufig auch an Überforderung, Schlafmangel und Unsicherheit – und das ist auch überhaupt nicht verwunderlich: Muttersein ist eins der schwersten und anstrengendsten Abenteuer überhaupt. Nicht jede Frau wuppt diesen Wechsel mal eben so. 
 
Auslöser des Baby Blues ist ein abrupter Hormonabfall nach der Geburt. Manche Frauen stürzt er nur für einige Stunden in ein emotionales Loch, andere leiden einige Tage darunter – meistens zwischen dem dritten und fünften Tag. Doch so rasch diese depressive Verstimmung auch kommt, so schnell geht sie meistens wieder und bedarf keiner weiteren Behandlung.
Leider geht bei rund zehn bis 15 Prozent aller Mütter das seelische Tief weit über die kurzzeitigen Heultage hinaus. Das nennen Experten dann Postnatale Depression.

Was ist eine Postnatale Depression?

Im Unterschied zu den Heultagen, auch Baby Blues genannt, ist eine Postnatale Depression eine schwerere, länger andauernde und behandlungsbedürftige psychische Erkrankung, die nicht nur in der Zeit des Wochenbetts, sondern generell im ersten Jahr nach der Schwangerschaft auftreten kann. Besonders anfällig sind Frauen, die schon früher zu depressiven Verstimmungen geneigt haben und die, die schon in der ersten Woche nach der Geburt stark ausgeprägte, depressive Symptome aufweisen.
Die betroffenen Frauen haben das quälende Gefühl, keine Beziehung zu ihrem Baby aufbauen zu können, sie empfinden keine Freude beim Umgang mit dem Baby und fühlen sich innerlich leer. Oft haben sie auch übermäßig Angst um ihren Säugling.
 
Ganz wichtig: Die postpartale Depression ist KEIN persönliches Versagen oder ein Anzeichen dafür, dass die Frau ihr Baby nicht genügend liebt! Diese Annahme ist schlichtweg falsch. Diese Depression ist eine psychische Krankheit, die behandelt werden kann und MUSS. Betroffene Frauen sollten sich am besten schnellstmöglich professionelle Hilfe suchen. Das Problem: Oft sind sie aufgrund der Depression dazu nicht in der Lage. Dann sind sie darauf angewiesen, dass ihr Partner oder andere nahestehende Menschen sie darin unterstützen, Hilfe zu suchen.

Video: Ängste und Depressionen nach der Geburt

Baby-Blues im Wochenbett: Postnatale Depression: Ursachen, Symptome und Behandlung

Postnatal oder Postpartale Depression?

Vielleicht hast du schon einmal von einer Postpartalen Depression gehört und fragst dich, ob es einen Unterschied zur Postnatalen Depression gibt. Jein! Medizinisch gesehen beschreibt das Wort „postnatal“ die Zeit nach der Geburt, bezogen auf das Kind. „Postpartal“ dagegen meint den Zeitraum nach der Geburt, bezogen auf die Mutter. Dementsprechend wäre in diesem Fall der medizinisch korrekte Ausdruck Postpartale Depression. Allerdings sprechen heutzutage selbst Fachpersonen von einer Postnatalen Depression – der Begriff hat sich eingebürgert. Manche sagen auch Wochenbettdepression, obwohl das seelische Tief weit über das Wochenbett hinausgehen kann.

Wie entsteht eine Postnatale Depression?

Wie fast immer bei depressiven Erkrankungen wirken mehrere Faktoren zusammen. Häufige Auslöser für eine Wochenbettdepression können sein:

  • körperliche Ursachen: Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt genauso wie biochemische Veränderungen im Körper.
  • psychische Faktoren: zum Beispiel ein traumatisches Geburtserlebnis oder eine starke Veränderung der Selbstbilds nach der Schwangerschaft.
  • äußerliche Einflüsse: ein veränderter Lebensrhythmus genauso wie die veränderte Wahrnehmung des eigenen Selbst- und Körpergefühls.
  • soziale Veränderungen: Sich neu in die Rolle als Mutter einzufinden, fällt vielen Frauen sehr schwer. Auch die veränderte Beziehung zum Partner und zu den anderen Familienangehörigen nach der Schwangerschaft kann sehr zu schaffen machen. Genauso wie mangelnde, soziale Unterstützung vom Umfeld oder eine instabile bzw. fehlende Beziehung zum Partner.
  • gesellschaftliche Umstände: In unserer Gesellschaft sind Paare und insbesondere Mütter in der ersten Zeit meist auf sich alleine gestellt. Hinzu kommen hohe Erwartungen an Mütter, alles richtig zu machen.

Auf welche Symptome muss ich achten?

Die Postpartale Depression hat eine Vielzahl an Symptome. Hier die wichtigsten: 

  • ausgeprägte emotionale Labilität
  • häufiges Weinen
  • zwiespältige Gefühle gegenüber dem Säugling
  • die Unfähigkeit, positive Gefühle für das eigene Kind zu entwickeln, bis hin zur kompletten Gefühllosigkeit
  • übermäßige Angst und Sorge um das Wohlergehen des Kindes
  • Minderwertigkeits- und Schuldgefühle
  • Versagensängste und Zweifel an den eigenen Fähigkeiten als Mutter
  • Zwangsgedanken (zum Beispiel das Baby zu schädigen)
  • Stillprobleme
  • Verlust von Interessen
  • Appetitlosigkeit
  • Schlafstörungen
  • Angstattacken
  • Antriebslosigkeit
  • innere Leere

Wenn du das Gefühl hast, dass mehrere dieser Symptome auf dich zutreffen, ist ein Beratungsgespräch mit deiner Ärztin oder deiner Hebamme sehr zu empfehlen. Weiter unten haben wir dir noch andere Beratungsstellen aufgelistet.
 
Bei uns kannst du auch einen Selbsttest zu Depressionen durchführen. 
 

Was ist der Unterschied zur Postnatalen Psychose?

Die Postpartale Depression ist abzugrenzen von der Postnatalen Psychose. An ihr erkranken in etwa ein bis zwei von 1.000 Frauen nach der Schwangerschaft. Meistens tritt die Postnatale Psychose in den ersten vier Wochen nach der Geburt auf oder als Weiterentwicklung der Postpartalen Depression. Die Betroffenen können unter Halluzinationen, quälenden Wahnvorstellungen und tiefem Vertrauensverlust leiden. Auch kurze Zeitintervalle von Gedächtnisverlust oder Verwirrung sind Symptome für eine postnatale Psychose. Außerdem wirken die betroffenen Mütter häufig manisch und sind stark eingeschränkt in ihrem Alltag.
Aufgrund der unmittelbaren Gefahr für die Mutter und das Kind ist es besonders wichtig, schnell professionelle Hilfe zu suchen. Meist können dies die Betroffenen nicht selbst, sondern sind auf Hilfe von Angehörigen angewiesen. Fast immer ist bei dieser Art von psychischer Erkrankung eine stationäre Behandlung angeraten. 

Christina Herbold erzählt in ihrem Erfahrungsbericht, wie es ihr mit ihrer postpartalen Depression und beim zweiten Kind sogar mit einer nachgeburtlichen Psychose erging. 

Wie und wo finde ich Hilfe?

Häufig reagiert die Umwelt noch mit Unverständnis und Ablehnung auf diese depressive Erkrankung. Viele erwarten, dass eine junge Mutter stolz und überglücklich ist. Doch genau diese Erwartungshaltung erschwert die Situation für viele depressive Betroffene zusätzlich. Sie fühlen sich oft unverstanden und ausgestoßen. Den meisten hilft es dann, mit Personen ihres Vertrauens ganz offen über ihre Gefühle zu sprechen. Auch Gespräche mit Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, können zu ersten Linderungen der Depression führen. „Hilfreich ist der Austausch mit Gleichgesinnten“, bestätigt Dr. med. Ralph Kästner von der Frauenklinik der LMU München. „Auch Eltern-Kind-Kurse, Erziehungsberatungsstellen oder Krabbelgruppen sind geeignet, um sich mit den Tiefen des Mutterseins auseinanderzusetzen."
 
Falls du selbst betroffen bist, führst du dir am besten immer wieder vor Augen: Eine Depression ist gut behandelbar. Unterstützung auf der Suche nach einer für dich geeigneten Anlaufstelle bekommst du vor allem von deiner Ärztin oder deiner betreuende Hebamme. Natürlich kannst du dich auch selber informieren zum Beispiel hier:

Wenn du ein Angehöriger einer betroffenen Person bist und ihr gerne helfen möchtest, aber nicht weiß wie, kannst du dich immer an Selbsthilfegruppen für Angehörige wenden. Eine davon ist Schatten & Licht - Krise nach der Geburt e.V.. Eine andere Möglichkeit ist, bei deinem Arzt nachzufragen, der kann dir sicher eine gute Anlaufstelle nennen. Auch die nächstgelegene psychiatrische Klinik oder der Deutsche Hebammenverband e.V. können dir weiterhelfen.  
 
Hilfe bei Suizidgedanken
Denkst du darüber nach, dir das Leben zu nehmen, versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen. In Notfällen wähle am besten gleich 112 oder suche die nächstgelegene psychiatrische Klinik auf. Es gibt auch noch die anonyme, kostenlose und rund um die Uhr zu erreichende Telefonseelsorge. Sie sind per Hilfe-Chat auf ihrer Telefonseelsorge-Webseite, per E-Mail-Beratung oder unter den Telefonnummern 0800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 zu erreichen. 
 

Wie wird die Postnatale Depression behandelt?

Hat sich die betroffene Mutter Hilfe gesucht, bespricht sie mit ihrem behandelnden Arzt, wie es weiter geht. Hier mehrere Ansätze für den Weg aus der Depression.

  • Medikamente: Der Gedanke an eine medikamentöse Behandlung schreckt viele Betroffene, sie führt aber häufig schnell zu einer Besserung der Beschwerden. Besprich am besten mit deinem Arzt mögliche Nebenwirkungen für dich und dein Kind. Hast du zum Beispiel Angst, dein Baby dann nicht mehr stillen zu können? Frag nach! Viele Medikamente lassen sich mit dem Stillen vereinbaren. 
  • Betreuungsdienste: In manchen Fällen ist es auch hilfreich, Betreuungsdienste wie zum Beispiel Haushaltshilfen, Kinderbetreuung und Co. einzubeziehen. So hast du mehr Zeit für dich und der Alltag ist keine unüberwindbare Hürde mehr. Hast du ein Attest vom Arzt für deine Erkrankung, übernimmt häufig auch die Krankenkasse die Kosten dieser Dienste. 
  • Mütter- und Selbsthilfegruppen: Sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, tut den meisten Frauen gut. Sie lernen dabei neue Bewältigungsstrategien für ihren Alltag kennen, können über ihre Konflikte sprechen und erfahren, dass sie mit ihren Beschwerden nicht allein sind. 
  • Therapie: In einer psychotherapeutischen Maßnahme geht es vor allem um die Bewältigung der Krankheitssymptome, die Mutter-Kind-Interaktionen zu verbessern und das Selbstvertrauen der Mütter zu stärken. Du wirst in der Therapie umfassend über deine Krankheit aufgeklärt und bekommst Hilfe, wie du dich am besten in deiner neuen Rolle als Mutter einfindest und eine gute Mutter-Kind-Beziehung aufbaust. Häufig werden auch dein Partner oder andere wichtige Angehörige mit einbezogen. 
  • Klinikaufenthalt: In manchen Fällen, wie bei einer schweren postnatalen Depression, ist zum Wohl von Mutter und Kind ein Klinikaufenthalt angeraten. In einigen psychiatrischen Krankenhäusern gibt es spezielle Mutter-Kind-Abteilungen, in denen die Mutter mit ihrem Baby aufgenommen werden kann. Weitere Infos zu Mutter-Kind Aufnahmestellen bei postpartalen Erkrankungen bietet die Marcé Gesellschaft

Schadet die Depression meinem Kind?

Viele junge Mütter mit postnatalen Depressionen sorgen sich, dass die Krankheit ihrem Kind Schaden zufügen könnte. Tatsächlich ist es für depressive Mütter häufig schwierig, angemessen auf die Bedürfnisse des Kindes zu reagieren. In solch einer Situation ist es wichtig, dass andere vertraute Bezugspersonen dem Baby die Geborgenheit und Stabilität gibt, die es braucht – bis die Mutter so weit genesen ist, dass sie diese Aufgabe wieder selbst übernehmen kann. 
 

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