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SIDS Plötzlicher Kindstod: So schläft Dein Baby sicher

SIDS: Plötzlicher Kindstod: So schläft Dein Baby sicher
© yagi studio / iStock
Die Vorstellung, ihr Baby könne am Plötzlichen Kindstod sterben, ist für Eltern der Horror. Dabei ist das Risiko mit der richtigen Vorbeugung nur noch minimal. Deshalb am besten: Vorbeugende Maßnahmen beachten und sich nicht verrückt machen!

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Die gute Nachricht zuerst: Die Zahl der Plötzlichen Kindstode ist heute in Deutschland so niedrig wie nie zuvor. Anfang der 90er-Jahre starben fast 1.300 Babys jährlich, heute nur noch etwas weniger als ein Zehntel davon. Die Fälle konnten in den letzten knapp 30 Jahren enorm reduziert werden. Ein Erfolg, auf den Wissenschaftler und Eltern gemeinsam stolz sein können: die Wissenschaftler, weil sie durch akribische Spurensuche wirksame Vorbeugemaßnahmen gefunden haben, und die Eltern, weil sie die Empfehlungen der Forschung ernst nehmen. Trotzdem waren es im Jahr 2015 immer noch 127 Fälle des Plötzlichen Kindstodes. Und bis heute bleiben die genauen Ursachen des Plötzlichen Kindstodes ungeklärt.

Ein Baby liegt in einem Babyschlafsack mit geschlossenen Augen im Bett.

Was ist der Plötzliche Kindstod?

Der Plötzliche Kindstod, auch SIDS (Sudden Infant Death Syndrom) genannt, passiert fast nur im ersten Lebensjahr, die meisten Babys trifft es im zweiten bis fünften Lebensmonat: Babys, die abends noch quietschlebendig ins Bett schlafen gelegt wurden und keinerlei gesundheitliche Probleme aufgewiesen haben, werden morgens tot gefunden. In seltenen Fällen verstarben die Säuglinge auch während eines Mittagsschlafes. Für Eltern ist die Situation ein unbeschreiblicher Schock - und für Ärzte ein schwer erklärliches Phänomen. Bis heute ist es Wissenschaftlern aus der ganzen Welt nicht gelungen, die genauen Ursachen für den Plötzlichen Kindstod zu finden. Trotz sorgfältiger Untersuchung kann bei den Säuglingen keine Ursache gefunden werden und es existieren lediglich eine Reihe von Theorien. Man vermutet, dass eine Atemstörung des Säuglings im Schlaf auftritt. Weitere Risikofaktoren, äußere oder innere Einflüsse, führen dann zum Plötzlichen Kindstod.
 
Immer wieder gibt es neue Theorien, belegt durch mehr oder weniger plausible Studien. "Doch letztlich können wir bis heute nicht voraussagen, welche Kinder besonders gefährdet sind", sagt Professor Christian Poets, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uni Tübingen. Fest steht nur: Die Kinder haben im Schlaf plötzlich nicht genügend Luft bekommen, sind zum Beispiel mit dem Kopf unter die Bettdecke gerutscht oder haben die Nase im Kopfkissen vergraben. Eine wichtige Frage, die Christian Poets und seine Kollegen beschäftigt: "Warum wachen einige Säuglinge in dieser Situation nicht auf?" Offensichtlich funktioniert bei ihnen das Notfallprogramm in der Atmungssteuerung nicht - es gibt dem Körper bei Sauerstoffmangel normalerweise den Befehl zum Luftschnappen. Für noch wichtiger hält der Mediziner jedoch die Frage: "Wie kann man dafür sorgen, dass das Baby erst gar nicht in diese bedrohliche Situation kommt?" Ein wichtiges Zauberwort lautet: die richtige Schlafumgebung. Wer sein Baby so zum Schlafen bettet, dass es gut atmen kann und in brenzligen Situationen leichter aufwacht, minimiert das Risiko auf nahezu null.

Wie kann man das Risiko für SIDS senken?

Die richtige Vorbeugung beginnt schon vor der Geburt und setzt sich im ersten Lebensjahr fort. Wenn die Mutter in der Schwangerschaft nicht raucht, das Kind im ersten halben Lebensjahr voll stillt und alle empfohlenen Impfungen eingehalten werden, trägt das Kind schon ein wesentlich geringeres Risiko. Die wichtigste Maßnahme aber, durch die allein schon die Zahl der Todesfälle halbiert werden konnte, ist, das Baby zum Schlafen immer auf den Rücken zu legen. Und das gilt auch beim Mittagsschlaf. Damit die Nackenmuskeln trotzdem trainiert werden und das Baby seinen Hinterkopf nicht platt liegt, sollte es mindestens zweimal täglich eine Viertelstunde wach auf dem Bauch liegen – natürlich nicht unbeobachtet.

Risikofaktoren für SIDS

Warum genau es zum Plötzlichen Kindstod kommt, ist zwar nicht erforscht, aber neben der zu vermeidenden Bauchlage des Säuglings beim Schlafen gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die dank wissenschaftlicher Forschungen in den letzten Jahrzehnten identifiziert werden konnten. Demnach hat ein Baby ein erhöhtes SIDS-Risiko, wenn
 

  • es mit einem Geburtsgewicht von weniger als zwei Kilo auf die Welt kam.
  • es zu früh auf die Welt kam, das heißt vor der 37. Woche.
  • es ein Zwilling oder Mehrling ist.
  • ein Geschwisterkind bereits am plötzlichen Kindstod verstorben ist.
  • die Mutter bei der Geburt jünger als 20 ist und es sich um eine kurz auf einander folgende Schwangerschaft handelt.
  • es nur sehr kurz oder gar nicht gestillt wird.
  • es während der Schwangerschaft und/oder nach der Geburt einer Raucherumgebung ausgesetzt ist.
  • die Mutter während der Schwangerschaft oder Stillzeit geraucht oder Drogen konsumiert hat.
  • die Mutter nur eine geringe oder gar keine Schwangerschaftsvorsorge in Anspruch nehmen konnte.
  • es im Schlaf überhitzt. Hierzu folgen gleich Tipps, wie Du vermeiden kannst, dass Dein Baby beim Schlafen überhitzt.

Auf diese Präventionsmaßnahmen sollten Eltern achten

Außerdem gibt es verschiedene Präventionsmaßnahmen, auf die man nicht nur in den ersten Monaten nach der Geburt achten sollte. Sie alle helfen, dem Säugling das Atmen zu erleichtern und so vor allen Dingen das Risiko des Plötzlichen Kindstodes zu minimieren. Als Mutter und Vater sollte man zum Beispiel die so genannte "3-R-Faustregel" verinnerlichen, die drei wichtige Handlungsregeln zur Vorbeugung des Plötzlichen Kindstodes zusammenfasst. Sie lauten: Rückenlage – rauchfrei – richtig gebettet! Außerdem gilt für das Baby:
 

  • Vermeidet die Bauchlage! Babys sollen auf dem Rücken schlafen - das ist nachgewiesenermaßen die sicherste Position. So kann das Baby am besten atmen.
  • Nichts mit ins Bett geben, in das es sein Gesicht vergraben kann, also keine dicke Decke, kein Kuscheltier, kein Fell, kein Kopfkissen und auch keine losen Spucktücher. Empfohlen wird ein Babyschlafsack. Eine flache Abpolsterung der Gitterstäbe („Nestchen“) ist in Ordnung, sagt SIDS-Experte und Rechtsmediziner Dr. Jan Sperhake.
  • Die Matratze im Bett sollte möglichst fest sein - so, dass Dein Baby nicht einsinken kann und sich keine Kuhle bildet, in der es sich vergraben kann. Übrigens: Untersuchungen, nach denen bestimmte Matratzen giftige Gase ausdünsten und damit den Plötzlichen Kindstod begünstigen, wurden inzwischen widerlegt. Trotzdem sollte man beim Matratzenkauf natürlich darauf achten, dass sie möglichst schadstofffrei ist.
  • Das Schlafzimmer sollte eher kühl sein. Je wärmer es im Zimmer ist, desto tiefer schläft das Baby. Wenn es schwitzt, hat es außerdem größere Mühe, seinen Atem zu regulieren. Deshalb wird zum Schlafen eine Raumtemperatur von 16 bis 18 Grad empfohlen.
  • Wenn Du nicht sicher bist, ob Deinem Kind warm genug ist: Fühl einfach in seinem Nacken nach. Er sollte warm, aber nicht heiß oder verschwitzt sein. Und das Baby sollte besser kein Mützchen tragen, denn es gibt Wärme über den Kopf ab.
  • Das Bett sollte in Deinem bzw. Eurem Schlafzimmer stehen.
  • Vor allem in den ersten vier Monaten ist das SIDS-Risiko etwas höher, wenn Dein Kind im Elternbett schläft – das so genannte Co-Sleeping. Am besten Dein Baby schläft in einem eigenen (Beistell-) Bett im Elternschlafzimmer.
  • Bitte nicht rauchen! Passiv inhalierter Zigarettenqualm ist für Babys um ein Vielfaches schädlicher als für Erwachsene. Der Qualm kann die sensible Atmung stören, außerdem wirkt Nikotin auf Babys leicht betäubend. Deshalb: Rauche nicht in der Wohnung und am besten auch nicht draußen.

Anzeichen, die auf SIDS hinweisen

Es gibt einige Warnzeichen, die Eltern alarmieren sollten. Ihr müsst dringend einen Kinderarzt aufsuchen, wenn:
 

  • Euer Baby Atempausen hat, die länger als 15 Sekunden andauern.
  • es Atempausen hat, die mit auffallender Blässe oder blauen Lippen einhergehen,
  • es im Schlaf unerklärlich stark schwitzt, so dass der Schlafanzug bei Zimmertemperatur so sehr durchnässt, dass er gewechselt werden muss.
  • Ihr unerklärliche blaue Flecken auf der Haut Eures Kindes entdeckt.
  • Euer Baby sich nur schwer wecken lässt.
  • es häufig erbricht, sich oft verschluckt oder Probleme beim Trinken hat.
  • Euer Säugling apathisch wirkt oder auffallend schrill schreit und nicht zu beruhigen ist.

 
Damit die Atemwege freigehalten werden, solltet Ihr sicherheitshalber auch einen Kinderarzt aufsuchen, wenn Euer Kind länger als drei Tage an Fieber oder Schnupfen leidet.

Anzeichen, die auf einen SIDS-Notfall hinweisen

Von ALTE (apparent life threatening event) spricht man bei der Vorstufe zum Plötzlichen Kindstod, früher "Near-SIDS" genannt. Dabei handelt es sich um eine Neugeborenenapnoe, also einen Atemstillstand bei Säuglingen in den ersten Monaten nach der Geburt. Diese akute Gefahr erkennst Du, wenn Euer Baby:

  • plötzlich röchelt und einen Atemstillstand hat.
  • auffallend blass ist oder blau anläuft.
  • leblos wirkt, das heißt die Muskel erschlaffen.

 
Bei dieser Vorstufe müsst Ihr dringend einen Notarzt unter 112 verständigen und sofort damit beginnen, Euer Baby durch Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage zu reanimieren.
 
Ein Kinder- und Säuglingsnotfallkurs hilft dabei, um in einer solchen Notsituation schnell eingreifen zu können. Am besten belegt Ihr ihn schon vor der Geburt. Hier lernt Ihr, Babys und Kindern im Notfall zu helfen. Dazu gehören auch das richtige Handeln bei einem plötzlichen Notfall mit Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung bei Säuglingen und Kleinkindern.
 

Maßnahmen, um den Babyschlaf zu überwachen

Am liebsten hätten alle Eltern natürlich einen absoluten Schutz für ihr Baby. Den aber gibt es nicht, auch nicht mit Matratzenauflagen, die angeblich die Atmung überwachen: Sie messen Bewegungen – aber leider nicht nur die Atembewegungen des Kindes, sondern zum Beispiel auch Schritte auf federndem Boden oder Vibrationen von Elektrogeräten. Das heißt: Sie können die Eltern in falscher Sicherheit wiegen – oder aber häufig Fehlalarm geben. Beruhigender ist es, sich klarzumachen, wie selten SIDS wirklich ist. Nur 24 von 100 000 Kindern in Deutschland sterben daran.

Sind Babys im Familienbett sicher vorm Plötzlichen Kindstod?

Das fragten wir Privatdozent. Dr. Jan Sperhake, Oberarzt am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg und selbst Vater von zwei Kindern:

Schützt es vorm Plötzllchen Kindstod, wenn das Baby mit im Elternbett schläft?
Dr. Sperhake: „Bei unserem ersten Kind sagte die Hebamme im Vorbereitungskurs zum Thema SIDS: ,Es ist noch kein Kind im Elternbett gestorben.‘ Aber das ist einfach nicht wahr. Ich arbeite seit 15 Jahren in der Rechtsmedizin, und in dieser Zeit musste ich leider auch einige Kinder untersuchen, die im Elternbett am Plötzlichen Kindstod gestorben waren, auch Babys in der ersten Lebenswoche. Allerdings muss man differenzieren: In den Fällen, die ich untersucht habe, gab es meist zusätzliche Risikofaktoren, zum Beispiel waren die Mütter starke Raucherinnen. Wenn jedoch das Kind selbst keine Risikofaktoren aufweist und die Eltern alle üblichen Vorsichtsmaßnahmen einhalten, vor allem aber nicht rauchen, dann ist das Risiko für das Kind im Elternbett wahrscheinlich nur gering erhöht. Vorausgesetzt, es trägt einen Schlafsack, kann nicht unter eine Daunendecke oder mit dem Kopf in ein Kissen oder eine Kuhle geraten. Weil das in der Praxis nicht so leicht umzusetzen ist, empfehle ich die Balkonbettchen, die am Elternbett befestigt werden.“

Heißt es nicht immer, dass die Kinder Schwierigkeiten mit der Atmung hatten?
Dr. Sperhake: Es stimmt, die Kinder haben aufgehört zu atmen. Aber das muss nicht die Ursache sein – es kann auch sein, dass das Herzchen zuerst aufgehört hat zu schlagen. Das können wir im Nachhinein nicht unterscheiden.

Manche behaupten, dass Naturvölker keinen Plötzlichen Kindstod kennen. Können Sie das bestätigen?
Dr. Sperhake: Ich habe fünf Jahre in Afrika gearbeitet. Dort ist eine Säuglingssterblichkeit von 100:1000 keine Seltenheit. Das heißt: Jedes zehnte Kind stirbt im ersten Lebensjahr, meist an Durchfall, Malaria und anderen Infektionen. Wenn dazwischen auch einmal ein SIDS-Fall ist, fällt das einfach nicht auf.


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