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Mutterkuchen Was ist die Plazenta und wie versorgt sie mein Kind?

Gut versorgt in der Plazenta
Gut versorgt in der Plazenta
© Gajus / Thinkstock
Nähren, versorgen, schützen: Während der gesamten Schwangerschaft lässt die Plazenta das Ungeborene in deinem Bauch wachsen. Manche sagen ihr auch Heilkräfte nach und essen den Mutterkuchen nach der Geburt. Was er tatsächlich leistet, erfährst du hier.

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Wie funktioniert die Plazenta?

Plazenta ist das lateinische Wort für Kuchen. Ein Segment des Zellhaufens, der sich auf dem Weg aus dem Eileiter in die Gebärmutter (Uterus) aus der befruchteten Eizelle gebildet hat, trägt das Programm für den Mutterkuchen. Diese Zellen tauchen in die Uterusschleimhaut ein. Wie winzige Wurzeln verzweigen sie sich, und wie Wurzeln nehmen sie die Nährstoffe auf. 280 Tage versorgt die Plazenta das Ungeborene mit einem stetigen Fluss aus Nahrung und Sauerstoff. Der Mutterkuchen transportiert ab, was der Stoffwechsel des Babys nicht brauchen kann wie Abfallprodukte und Kohlendioxid. Im Gegenzug wird das ungeborene Kind mit wichtigen Antikörpern der Mutter versorgt und schützt sich so vor Krankheiten. Die Verbindung zwischen dem Embryo und der Plazenta bildet die Nabelschnur.
Bis zum Augenblick der Geburt versorgt der Mutterkuchen das Kleine zuverlässig. Jetzt hat das scheibenförmige Organ einen Durchmesser von etwa 15 bis 20 Zentimetern und wiegt etwa 500 Gramm. Ist das Baby auf der Welt, löst der Mutterkuchen die Verbindung zur Gebärmutterschleimhaut schnell: Etwa eine halbe Stunde nach dem Baby wird das Organ geboren.

Ein Organ für 280 Tage

Wann bildet sich der Mutterkuchen?

Unmittelbar nach der Einnistung bildet sich der Mutterkuchen in der Gebärmutter. Im Gegensatz zu anderen Organen, die erst nach einer Entwicklungsphase ihre Funktion aufnehmen, geschieht das bei der Plazenta parallel. Während sie wächst, versorgt sie bereits den Embryo von der ersten Woche an.

Plazentaschranke: Mutter und Kind haben getrennte Blutkreisläufe

Von Anfang an haben die werdende Mutter und ihr Baby getrennte Blutkreisläufe, das heißt, ihr Blut mischt sich nicht. Denn in den sehr feinen Gefäßen der zum Kind gewandten Plazentaseite verhindern drei Zellschichten den direkten Austausch. Diese Membran heißt Plazentaschranke. Sie lässt Nähr- und Sauerstoffmoleküle durchschlüpfen, hält aber viele Stoffe, die dem Ungeborenen schaden könnten, zurück. Allerdings ist diese Schranke nur ein zuverlässiger Schutz vor Substanzen, die der Mensch schon sehr lang kennt. Bestandteile von bestimmten Medikamenten zum Beispiel kann die Membran nicht aufhalten. Deshalb ist es so wichtig, bei jedem Mittel nachzufragen, ob es für Schwangere unbedenklich ist. Außerdem verhindert sie auch nicht, dass Nikotin und Alkohol zum Ungeborenen gelangen.

Hormone sorgen für Harmonie

Die Plazenta bildet die Hormone Östrogen und Progesteron und das Schwangerschaftshormon Human Chorion Gonadotropin (HCG). Östrogen ist der Stoff, der superweiblich macht – unter seinem Einfluss wachsen die Brüste, und es entfalten sich die Milchbläschen, die Haut wird weich unterpolstert, das Haar hat einen längeren Lebenszyklus. Progesteron schützt die Schwangerschaft, weil es für Ruhe in der Muskulatur des Uterus sorgt. HCG sorgt dafür, dass die Gebärmutterschleimhaut mitsamt der befruchteten Eizelle nicht abgestoßen wird. Zudem sorgt es dafür, dass bei Jungs die Hoden in den Hodensack absteigen und die Eizellen in den Eierstöcken beim Mädchen mit der ersten Reifung beginnen. Weil der Mutterkuchen den Spiegel von Östrogen und Progesteron um ein Vielfaches anhebt, sind Frauen nach der Geburt ein bisschen wie auf Entzug – den jähen Abfall des Hormonspiegels müssen sie erst verkraften. Diese Umstellung ist für den Baby-Blues im Wochenbett verantwortlich. Um das Baby im Uterus zu nähren, versorgt der mütterliche Organismus nun mit Vorrang die Plazenta. Der Kreislauf der Mutter schaltet sozusagen "auf Bauch" um. Die Plazenta ist jetzt das Organ, das sich die meisten Nährstoffe aus dem Blut holt. Etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) können werdende Mütter das oft ganz schön spüren. Ihnen wird schnell schwummerig – morgens zum Beispiel, wenn sich das Baby im Bauch die ganze Nacht über alles genommen hat. Da hilft oft ein gehaltvolles Frühstück gegen! Und kleine Zwischenmahlzeiten sorgen dafür, dass es erst gar nicht zu Absackern kommt.

Luft holen für zwei

Alles Leben will Sauerstoff. Deshalb nimmt sich das Ungeborene diesen Blutbestandteil zuallererst – seine Moleküle schlüpfen am schnellsten durch die Membran zwischen mütterlichem und kindlichem Kreislauf. Mangel bremst die Entwicklung des Babys. Und leider reagiert der Mutterkuchen sehr empfindlich auf Nikotin: Die feinen Verästelungen werden (vorübergehend) zugeschnürt – das Kleine bekommt weniger "Luft". Deshalb ist es so gut, wenn werdende Mütter aufs Rauchen verzichten. Alles, was sie dazu bringt, tief zu atmen (Sport, Treppensteigen, ein strammer Spaziergang) ist dagegen wie ein Fitnessprogramm für das Baby.

Was passiert, wenn die Plazenta nicht rauskommt?

Die Nachgeburt wird von Hebammen und Ärzten genau untersucht. Zur Nachgeburt gehört der Mutterkuchen, die Eihäute und die Nabelschnurreste. Insbesondere die Plazenta wird auf ihre Vollständigkeit untersucht, denn schon kleine Reste, die im Uterus zurück bleiben, können zu Komplikationen wie eine Entzündung des Uterus oder Kindbettfieber führen. Eine Ultraschall-Untersuchung klärt zuverlässig, ob sich noch durchblutetes Mutterkuchengewebe im Uterus befindet. Meistens löst es sich bereits 10 - 20 Minuten nach der Geburt des Kindes und kommt als Nachgeburt zur Welt. Verliert die Frau zuviel Blut oder überschreitet die Ablösezeit von 30 Minuten, wird manuell nachgeholfen.

Kann ich meine Plazenta essen?

Planzenta - mitnehmen oder wegwerfen?
© RyanJLane / iStock

Hebammen finden den Mutterkuchen wunderschön – wie die Wurzeln eines Baumes verzweigen sich die Gefäße von der Nabelschnur weg ins Gewebe. Für den Laien dagegen sieht die dunkelrote Plazenta sehr gewöhnungsbedürftig aus. Junge Eltern müssen sich also nicht zwingen, das Organ anzuschauen, wenn sie nicht unbedingt wollen.
Immer mehr Frauen wollen sie nach der Geburt nicht wegwerfen, sondern ihre vermuteten Heilkräfte für sich nutzen. Hebammen gingen schon seit Jahrhundern davon aus, dass insbesondere ein Stück roh gegessene Planzenta (ein Stück püriert in einem Smoothie oder in einer Hühnersuppe mit verarbeitet), die Wöchnerin schneller wieder zu Kraft kommen lässt. Sie haben beobachtet, dass durch die viele Hormone, Spurenelemente und Vitamine die der Mutterkuchen roh enthält,  Frauen sich schneller von der Geburt erholen, weniger Wochenbettdepressionen bekommen und auch erfolgreicher stillen können. Aber er kann auch zu Kapseln, Nosoden (aus Plazenta hergestellten Globuli) oder Pulver verarbeitet werden und ist dann länger haltbar. Auch das Auftragen von sogenanntem Mutterfett (eine Art Plazentabutter) soll bei wunden Brustwarzen oder rotem Babypopos besonders gut helfen.

Hat sie wirklich Heilkräfte?
Bis heute wurden die über Jahrhunderte gesammelten Erfahrungen kaum wissenschaftlich überprüft. Zwar gibt es ein großes Interesse an den Stammzellen, die in der Plazenta enthalten sind, und überhaupt an den Wirkmechanismen dieses Organs. Ob die Mutterkuchensubstanzen aber auch als Heilmittel etwas bringen, ist noch nie Gegenstand der modernen klinischen Forschung gewesen. Das soll sich nun ändern: Am Plazenta-Labor der Uniklinik Jena widmet sich gerade eine junge Doktorandin diesem Thema. In ihrer Grundlagenarbeit will Sophia Johnson sechs Plazenten untersuchen und herausfinden, ob diese – roh und dehydriert – noch biologisch aktive Substanzen enthalten. „Lassen sich in den Plazenten bestimmte Hormone wie Oxytocin und Elemente wie Eisen nachweisen, könnte man in einem nächsten Schritt die möglichen Chancen diskutieren“, so Johnson. „Stillprobleme, depressive Verstimmungen und Blutarmut sind häufige Probleme im Wochenbett – vielleicht können Plazentaheilmittel tatsächlich eine Alternative zu herkömmlichen Medikamenten sein.“
Ihr Professor Udo Markert ist gespannt auf die Ergebnisse, warnt aber vor großen Hoffnungen: „Selbst wenn wir aktive Substanzen in den Plazenten finden, können wir noch keine generelle Aussage über die Wirksamkeit als Heilmittel treffen. Jeder Mutterkuchen ist anders. Er kann sogar giftige Elemente wie Blei, Quecksilber oder Arsen enthalten. Bei falscher Lagerung können sich außerdem Bakterien ausbreiten. Dem möglichen Nutzen steht als auch ein Risiko gegenüber.“ (Christiane Börger aus dem Artikel "Heilen mit der Plazenta – geht das wirklich?" ELTERN 02/2016)
 
Wer verarbeitet meinen Mutterkuchen?
Da die Herstellung und der Verkauf von Mutterkuchen-Heilmitteln in Deutschland verboten ist, musst du deine Plazenta selber verarbeiten. Am einfachsten ist es, den Mutterkuchen gleich nach der Geburt zu trocknen und dann Pulver daraus zu machen. Das geht entweder im Backofen (ca. drei Tage und Nächte bei geringer Temperatur und offener Klappe dehydrieren, bis der Mutterkuchen auf die Hälfte geschrumpft, schwarz und hart geworden ist) oder einfacher: für ein paar Euro ein Dörrgerät anschaffen. Wer ein Problem mit dem Geruch hat, kann das dann auf dem Balkon aufstellen. Den trockenen Mutterkuchen bricht man in Stücke, reibt ihn auf einer Küchenreibe klein und pulverisiert ihn danach mit der Kaffee- oder Getreidemühle. Was man mit dem Pulver alles machen kann, steht im Buch von Cornelia Enning „Heilmittel aus Plazenta“
(Books on Demand, 14,50 Euro). Hier finden sich alle erdenklichen Rezeptvorschläge: Plazenta-Suppe über ein Milchbildungsgetränk bis zu Salben und Emulsionen.
Für die Verarbeitung zu Plazenta-Nosoden braucht man ein Partner-Labor (Adressen findest du unter www.hebinfo.de).
(Christiane Börger aus dem Artikel "Heilen mit der Plazenta – geht das wirklich?" ELTERN 02/2016)
 
Darf ich meinen Mutterkuchen einfach so mit nach Hause nehmen?
Ja natürlich. Es ist dein Mutterkuchen. Er gehört dir. Eigentlich ist es sogar so, dass du im Krankenhaus gefragt werden musst, ob die Plazenta weggeworfen werden soll oder du sie mithaben möchtest. Passiert in der Praxis leider nicht immer. Daher ist es gut, wenn du ihn mitnehmen möchtest, gleich ein Gefäß mit Namen im Krankenhaus der Kreißsaal-Hebamme zu überreichen. Ob du daraus Medizin machen möchtest, kannst du immer noch überlegen. Desöfteren wird der Mutterkuchen auch im Garten vergraben und ein Bäumchen darauf gepflanzt.

Was ist eine Plazenta Praevia?

Die Plazenta entwickelt sich immer dort, wo sich die befruchtete Eizelle in die Gebärmutterwand einnistet. Wenn sich der Mutterkuchen im unteren Bereich der Gebärmutter befindet, spricht man von einer Plazenta Praevia (Placenta Praevia, praevia ist lateinisch "vor dem Weg"). Nur wenn der Muttermund teilweise (Placenta praevia partialis) oder sogar vollständig von der Plazenta bedeckt wird (Placenta praevia totalis), ist eine vaginale Geburt nicht möglich und es kommt zum Kaiserschnitt.

Woran bemerke ich einen Plazenta Praevia?
Wenn du im letzten Drittel deiner Schwangerschaft schmerzlose Blutungen hast, kann das auch ein Zeichen für eine tief unten in der Gebärmutter liegende Plazenta sein. Am besten gehst du dann zu deinem Frauenarzt (FA). Er kann über den Ultraschall feststellen, ob es sich wirklich darum handelt. Wenn bei dir zu Beginn der Schwangerschaft ein tiefsitzender Mutterkuchen diagnostiziert wird, besteht aber noch kein Grund zur Panik. Im Verlauf der Schwangerschaft weitet sich die Gebärmutter und zieht in den meisten Fällen die Plazenta vom Muttermund weg. In Deutschland wird routinemäßig in der 29. Schwangerschaftswoche (SSW) geprüft, wo die Plazenta genau liegt.

Kann eine Plazenta Praevia behandelt werden?
Hast du starke Blutungen, wirst du wahrscheinlich im Krankhaus zur Beobachtung eingewiesen, damit die Blutungen gut kontrolliert werden können.
Wenn du keine Blutungen hast, kann es sein, dass dir lediglich von Stress und starken körperlichen Belastungen abgeraten wird.

Verkalkte Plazenta

Verkalkungen in der Plazenta kommen bei fast allen Schwangerschaften vor. Sie sind die Alterungsanzeichen des Mutterkuchens. Stimmt die Durchblutung der Plazenta nicht, verkalkt sie schneller und durchlebt einen schnelleren Alterungsprozess. Es werden verschiedene Verkalkungsgrade (Grannum) unterschieden.

  • Grannum 1: Eine leicht verkalkte Plazenta, wie sie oft im Verlauf der Schwangerschaft eintritt. Wenn das CTG unauffällig ist, besteht kein Grund zur Sorge.
  • Grannum 2: Hier liegt ein mittelstark verkalter Mutterkuchen vor. In den letzten Wochen der Schwangerschaft ist dieser Verkalkungsgrad nicht besorgniserregend.
  • Grannum 3: Durch eine starke Verkalkung können Kalkherde an der Plazenta entstehen, die die Versorgung des Ungeborenen gefährden. In manchen Fällen wird das Baby dann vorzeitig geholt, um keine Unterversorgung zu riskieren. Rauchen erhöht das Risiko einer vorzeitigen Verkalkung.

Insuffiziente Plazenta

Wenn der Stoffaustausch zwischen Mutter und Ungeborenen beeinträchtig ist, spricht man von einer Insuffizienten Plazenta. Dadurch kann es zu Mangelernährung des Ungeborenen kommen und in Folge dessen zu einer Fehl- oder Frühgeburt. Wie du bemerkst, ob du eine insuffiziente Plazenta hast und was diese Diagnose bedeutet, steht hier ausführlich.


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