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Okklusionstherapie Wann muss bei Kindern ein Auge abgeklebt werden?

Okklusionstherapie: Junge mit Pflaster auf dem Auge
© Aleksandr Mokhnachev / Shutterstock
Verdecken lustige Pflaster mit Piraten oder Prinzessinnen ein Auge, steckt dahinter die Okklusionstherapie. Warum und wie lange Kinder sie brauchen, erklärt Prof. Dr. Klaus Rüther. Er ist Leiter des Ressorts Strabologie/Neuroophthalmologie des Bundesverbandes der Augenärzte Deutschlands e. V..

Warum wird bei einigen Kindern ein Auge mit einem Pflaster abgeklebt?

Die Pflastertherapie wird zur Behandlung einer sogenannten Amblyopie, also einer Schwachsichtigkeit, eingesetzt. Diese kann entstehen, wenn beide Augen Informationen nicht in gleichem Maße an das Gehirn übermitteln. Oftmals passiert das, wenn Kinder schielen. Um Doppelbilder zu vermeiden, blendet das Gehirn den Seheindruck eines Auges aus – und die Sehleistung verkümmert zunehmend. Das wollen wir verhindern, indem wir das stärkere Auge abkleben und so das andere Auge trainieren. Leider ist das Schielen nicht immer einfach zu erkennen. Bei sehr kleinen Schielwinkeln wird es häufig übersehen. Eine weitere Ursache für eine Amblyopie sind ungleiche Brillenstärken. Im Gegensatz zum Schielen kann das ohne Weiteres erkannt werden und muss daher gezielt untersucht werden.

Was kann noch zu einer Schwachsichtigkeit führen?

Eine ausgeprägte Fehlsichtigkeit, die nicht mit einer Brille korrigiert wird. In seltenen Fällen liegen die Ursachen auch in einer angeborenen Augenerkrankung wie dem Grauen Star oder einem hängenden Augenlid, das die Sicht behindert.

Wie viele Kinder leiden unter einer Amblyopie?

Etwa fünf bis sechs Prozent eines Jahrganges. Das Problem ist, dass das Zeitfenster für die Behandlung klein ist. Das Sehen entwickelt sich in den ersten sechs bis sieben Jahren. Danach sinken die Erfolgsaussichten der Behandlung drastisch. Doch bei 60 Prozent der Kinder werden Sehschwächen zu spät erkannt. Und gerade Säuglinge und Kleinkinder können Sehprobleme natürlich nicht kommunizieren.

Können Eltern irgendwie erkennen, ob ihr Kind schlecht sieht?

Je kleiner das Kind ist, desto schwieriger ist das. Deshalb findet die erste Untersuchung bereits nach der Geburt im Krankenhaus statt. Gibt es dort bereits sichtbare Auffälligkeiten, wie Augenzittern oder Hornhauttrübungen, ist das Kind ein Frühchen oder liegen erblich bedingte Augenerkrankungen vor, wird es automatisch engmaschiger untersucht. Mit etwa 36 Monaten erfolgt dann im Rahmen der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchung mit der U7a ein weiterer Check, der dringend wahrgenommen werden sollte. Ab dann fallen Sehprobleme oft auf, wenn das Kind Bücher nah vor die Augen hält, sehr dicht vor den Fernseher rückt, stolpert oder ins Leere greift. Auch Kopfschmerzen können eine Folge eines nicht korrigierten Sehfehlers sein. Augenärzte raten Eltern deshalb, zwischen dem 30. und 42. Lebensmonat eine augenärztliche Untersuchung vornehmen zu lassen.

Wie lange muss ein Kind solche Pflaster tragen?

Je nach Schweregrad mehrere Stunden täglich. Zuweilen ist auch das tageweise Abkleben notwendig. Insgesamt kann die Therapie Wochen, Monate, manchmal auch Jahre dauern. Trotzdem lohnt sich die Mühe, denn die Chancen, die Augenprobleme so in den Griff zu bekommen, sind hoch. Ob Videospiele, die das schwache Auge zusätzlich durch Übungen stärken sollen, tatsächlich nützlich sind, ist übrigens noch nicht ausreichend belegt.

Eltern Family 9/ 2021 ELTERN

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