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Nix da, Glückwunsch Ab dem dritten Jungen gibts Mitleidskarten

Drei fröhliche Jungen
© vitapix / iStock
Als unsere Autorin zum dritten Mal schwanger wurde, war auch ihr Umfeld guter Hoffnung. Hoffnung worauf? Na, dass es endlich ein Mädchen wird natürlich! Was denn auch sonst?

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"Es war einmal eine Mutter, die gebar drei Söhne und alle freuten sich mit ihr."

So oder so ähnlich könnte mein Leben klingen, wenn es ein Märchen wäre... Nun, das isses aber leider nicht. Die drei Söhne gibt es zwar wirklich, aber die Freude über selbige war in meinem Umfeld schon ab Sohn Nummer Zwei ein wenig getrübt. "Ach Mensch, vielleicht klappts ja nächstes Mal", sagten sie, so als wäre ich gerade Zweite geworden anstatt den Right-Gender-Supercup zu gewinnen und man müsse mich motivieren, es noch einmal zu versuchen, den ganz großen Wurf (ergo ein Mädchen) zu machen.

Bei Sohn Nummer drei war es dann aber endgültig amtlich: Ich bin eine arme Sau. Ich, die ich einen Mann an mich herangelassen habe, der es auch beim dritten Mal nicht zustande gebracht hatte, eine kleine Prinzessin zu zeugen. Glückwunschkarten gab es jedenfalls fast keine mehr. Vielleicht hat man nichts Babyblaues in der Trauerkartenabteilung gefunden, was ich komisch finde, denn die Nachfrage an Beileidskarten zum dritten Sohn dürfte groß sein. 

"Naja, Hauptsache gesund"

Schon als ich in der 13. Schwangerschaftswoche verkündete, dass es Nachwuchs geben wird, gab es kein wichtigeres Thema als das Geschlecht. Ich fühlte mich, als hätte ich ein Rubbellos gekauft und eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit in Kauf genommen, eine Niete zu ziehen. Denn der dritte Junge, Leute, ich kann es euch sagen, ist die biggest Loser-Niete überhaupt. Man hat mir zum Glück mindestens 700 Mal erklärt, warum das so ist: Meine Jungs werden leider spätestens nach der Pubertät kein Wort mehr mit mir reden. Stinken werden sie auch, und zwar gewaltig. Ich werde mehrmals wöchentlich zur Lehrersprechstunde gerufen werden und meine Wochenenden werden nur noch aus Fußballveranstaltungen bestehen. Shoppen gehen werde ich mein Leben lang alleine und bald, ja bald schon, werde ich der einsamste Mensch sein, der jemals in einer fünfköpfigen Familie gelebt hat. Als weiblicher Alien von der Venus auf dem Planeten Mars.

Das alles sagte man mir, zumindest solange ich noch eine Chance hatte auf ein Mädchen. Danach lächelte man mir nur noch aufmunternd zu. "Herzlichen Glückwunsch" wurde einfach mal sang- und klanglos in "Naja , Hauptsache gesund" transformiert. Ist ja auch ungefähr das Gleiche. NICHT! Denn, ACHTUNG, JETZT KOMMTS: Sogar ein krankes Kind hätte ich freudig begrüßt auf dieser Welt. Ja, selbst ein männliches. WOAAAHHH!

Da läuft was falsch!

Ich kann den Impuls, mich zu bemitleiden, sogar ein klitzekleines bisschen verstehen. Denn wenn ich mir ein drittes Baby hätte backen können, ja dann hätte ich vielleicht wirklich ein paar hundert Gramm mehr Östrogen benutzt und mir ein kleines Mädchen zubereitet.



Aber das Ding ist: So läuft es mit Kindern nicht. Kinder designt man sich nicht einfach frei nach den eigenen Wünschen, und das ist auch gut so. Denn das Geschlecht ist ja nur der Anfang einer langen Kette großer Erwartungen an den Nachwuchs, wenn man dem Irrglauben aufsitzt, ein Kind sei ein Wünsch-dir-was-Projekt. Das kann (selbst wenn man ein Mädchen hat) nur schief gehen. Ganz einfach, weil man dann das Prinzip "Kind haben" nicht verstanden hat. Geht es darum, aus einem Rohling einen Menschen zu formen? Ganz sicher nicht! Ich glaube, es geht einzig und allein darum, einem kleinen Menschen Halt, Geborgenheit und Liebe zu schenken. Und zwar so viel und so bedingungslos, dass er der Mensch werden kann, der er ist. Mann oder Frau, lustig oder ernst, kompliziert oder nicht. Völlig Wumpe.

Die vier Männer meines Lebens

Ich wünschte, all die Leute, die sich ihre Kommentare nicht verkneifen können und auch alle diejenigen, die mich nur im Stillen bemitleiden, würden sehen, was ich sehe: Vier Männer, einen großen und drei kleine, die jeder auf seine Weise ganz und gar wunderbar und gewollt sind. Vier Männer, die mich in meiner Weiblichkeit nicht in Frage stellen, nur weil sie männlich sind. Niemals würde ich einen von ihnen tauschen wollen. Weder den einen, der offensichtlich keine Mädchen zeugen kann, noch die drei, die ich selbst geboren habe.

Ich werde sie lieben und achten und behüten und ich werde ihnen jeden einzelnen verdammten Tag sagen: Sei, wer du bist. Sei es ganz. Und lass dir niemals einreden, du seist deshalb schlecht, weil du die Erwartungen der anderen nicht erfüllst. Denn es ist ihr Problem, wenn sie dich gerne anders hätten als du bist. Das sagt eine Menge über die aus. Und rein gar nichts über dich! Und sollten mein Söhne später einmal hören, dass ein Kind geboren wird, dann hoffe ich, dass sie sich für die Eltern freuen. Ganz egal, wer dieses Kind sein wird. Kind ist Kind. Und jede Geburt ist ein unfassbares Geschenk!

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei BRIGITTE.de.

Nix da, Glückwunsch: Ab dem dritten Jungen gibts Mitleidskarten

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