VG-Wort Pixel

Lehrerin gibt ihren Traumjob auf und nennt 5 unbequeme Wahrheiten unserer Zeit

Grundschullehrerin im Unterricht
© FatCamera (Symbolfoto) / iStock
Jessica Gentry hat ihren Beruf geliebt – doch nun hat sie ihn an den Nagel gehangen. War es, weil sie als Lehrerin so schlecht verdient hat? Weil der Job sie nicht mehr mit Leidenschaft erfüllt hat? Nein. Die Wahrheit ist viel unbequemer. Und Jessica spricht sie aus.

Jessica Gentry hat die Nase voll. Nach zwölf Jahren hat sie ihren Beruf als Vorschul-Lehrerin gekündigt. Und allen, die denken, sie wissen, warum Jessica nicht mehr will, sagt sie gerne die Wahrheit.

Ihren Facebook-Post, der inzwischen über 200.000 Mal geteilt wurde, leitet Jessica wie folgt ein: "Ich denke, es ist einfacher für die Leute, wenn sie denken, dass ich wegen der schlechten Bezahlung aufgehört habe. Für meinen damaligen Leiter der Personalabteilung war es auch leichter zu glauben, dass ich etwas gefunden habe, für das ich noch mehr Leidenschaft aufbringe. Manche würden sie vielleicht in diesem Glauben lassen, weil es einfacher wäre, als die unbequeme Wahrheit auszusprechen. Nun, so eine bin ich nicht …"

Fünf Gründe, warum Jessica ihren Traumjob aufgegeben hat, listet die ehemalige Lehrerin auf. Hier kannst du sie in gekürzter Form nachlesen:

  1. Die alte Ausrede: "Die Kinder haben sich verändert". Auf gar keinen Fall! Kinder sind einfach Kinder. ERZIEHUNG hat sich verändert. Die GESELLSCHAFT hat sich verändert. Die Kinder sind nur die unschuldigen Opfer der Umstände. Ihre Eltern arbeiten von früh bis spät, hängen an ihren technischen Geräte, drängen die Kinder in komische Erziehungs- und Betreuungssituationen und setzen sie schlimmen Medien aus – und da heißt es, die KINDER hätten sich verändert?
  2. Unsere Antwort ist ständig, wir bräuchten Schulen fürs 21. Jahrhundert mit besten technischen Mitteln. Oh. Okay. Vergessen wir also, den Kindern soziales Miteinander beizubringen und sie an die Hand zu nehmen. Bewerfen wir sie lieber mit noch mehr Technik, weil sich das gut auf unserer Website macht!
  3. Und weil der Technik-Ansatz ja irgendwie auch nicht funktioniert, schicken wir die Lehrer lieber noch zu Fortbildungen während der Schulzeit (Unterrichtszeit, die den Schülern fehlt!).
  4. Anstatt die Eltern zur Verantwortung zu ziehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, benehmen wir Lehrer uns inzwischen wie ein Kundenservice. Ich lese auf Facebook die wütenden Beiträge von Eltern, die einen "bösen Brief" von der Schule bekommen haben. Nun, die Sache ist die: Ich kann dein Kind nicht unterrichten, wenn es nicht in der Schule ist! 
  5. Meine körperliche und seelische Gesundheit stand auf dem Spiel. An. Jedem. Einzelnen. Tag! Zu wissen, dass diese Kinder weniger bekommen, als sie brauchen und verdienen, ständig in Meetings zu sitzen und immer wieder ungehört zu warnen, weil du diese Kinder LIEBST und deine Mission mit Leidenschaft erfüllen möchtest – das reißt dich auseinander.


Jessicas Worte gehen ans Herz – das zeigen auch die Reaktionen im Netz. Die ehemalige Lehrerin bekommt eine Menge Zuspruch und Unterstützung in den Kommentaren, viele feiern ihre Offenheit und Ehrlichkeit.

Ihr Beitrag endet mit folgendem Absatz: "Ich habe gemerkt, dass ich nicht alle retten kann. Wenn ich gesundheitlich und seelisch nicht auf der Höhe bin, kann ich noch nicht einmal 21 von ihnen retten. Ich habe meine Altersvorsorge zurückgelassen und 46 bezahlte freie Tage verfallen lassen – ich gehe nicht wegen der schlechten Bezahlung. Ich habe mich entschieden, bei meinem Kind zu Hause anzufangen. Ich glaube wirklich, dass es zu Hause anfängt. Ich habe das Klassenzimmer verlassen, aber ich setze mich noch immer für Kinder ein. Es sieht nun eben etwas anders aus …"

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei BRIGITTE.de.


Neu in Schulkind