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Eine Ode Lasst die Erzieher in Ruhe! Die sind Helden!!!

Mittagessen in der Kita
© lisegagne / iStock
Heute schon einen Superhelden getroffen? Wenn du heute morgen dein Kind in der Kita abgegeben hast, ganz bestimmt. Eine Ode an die Erzieher und Erzieherinnen dieser Welt!

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Heute morgen in einer beliebigen Kita eines beliebigen Vororts einer beliebigen Großstadt in Deutschland. 25 Kinder toben lärmend um zwei Erzieher, während eine beliebige Mutter empört den Hausschuh ihres Sprösslings sucht. Sie schimpft leise, aber laut genug, um gehört zu werden. "Kann ja wohl nicht sein", zischt sie. "Jeden Tag muss man alles neu sortieren, suchen und dass der arme Ben eine Schnupfnase hat, ist ja auch kein Wunder, wenn keiner darauf achtet, dass die acht vorgesehenen Lagen korrekt übereinander gezogen werden. Außerdem sei er jeden Tag dreckig und sie freue sich schon auf den Elternabend, wo man dann ja "all das" mal klären könne. Ich schlucke. Schaue auf die 25 Kinder, auf zwei im Vergleich zu mir und dieser Mutter erschreckend gut gelaunte Erwachsene, die heute den ganzen Tag in diesem Wahnsinn bleiben werden und denke, dass ich froh bin, nicht in deren Haut zu stecken.

Jeden Tag aufs Neue eine Mission Impossible

Gestern hatte ich fünf Kinder bei mir zuhause. Das war komplett abgefahren, und mir ist wieder mal klar geworden: Kennste ein Kind, haste trotzdem keine Ahnung von den anderen. Während mein Sohn immer eine "Wer-ist-der-schnellste-Challenge" braucht, um aus den Puschen zu kommen, fängt die kleine Sophie sofort an, zu weinen, sobald es hetzig wird. Und wenn man als Mutter eines Obstverweigerers plötzlich Gurken-Radieschen-Monster schneiden soll oder Unmengen an Apfelschnitzchen verlangt werden, ist das auch irgendwie verwirrend. Ein Kind musste fünf mal etwas größere Geschäfte erledigen, ein anderes fühlte sich beim Lego-Bauen ausgeschlossen, weil es selbst keine Lust auf Lego hatte. Vier Kinder wollten unbedingt vor der Tür mit dem Fahrrad fahren, eines kann noch nicht Radfahren. Als das letzte "nicht-meins-Kind" abgeholt war, wartete ich vergeblich auf den Schiedsrichter mit der Medaille. Die hatte ich verdient, verdammt. Stattdessen bekam ich einen handfesten Streit zwischen "mein-Kind-Nr.1" und "mein-Kind-Nr.2". Die Medaille hab ich mir selbst gegeben. Eine rote, flüssige, mit Alkohol.

Erzieher machen das jeden Tag. Ohne Wein.

Erzieher können nicht jeden Tag mit Merlot-Medaillen ausklingen lassen. Wär für die Gesundheit ja nicht so der Hammer. Die können die Bande auch nicht mal kurz vor die Glotze setzen, wenn es zu bunt wird. Die schneiden Tag für Tag Gurken-Radieschen-Monster, überreden Obstverweigerer zu einem Löffelchen Apfelmus, schlichten nicht 15 Streitigkeiten, sondern 400 am Tag, sind Puffer zwischen 25 Kindern und zwischen Eltern und Kitaleitung, hüten gleichzeitig Helikopter-Kinder und vernachlässigte kleine TV-Junkies, wechseln 25 Kindern bei Bedarf die Kleidung, wenn doch mal was danebengeht und können sich dann noch anhören, dass sie wegen der Kleidungswahl aus dem unvollständigen Wechselbeutel an Bens Schnupfnase schuld sind. Nebenbei sollen sie bitte die Vorschulkinder fördern, die Kleinsten regelmäßig kuscheln, die mentale Lebensmittelintoleranz schwieriger Kandidaten behutsam wegtherapieren und den Eingangsbereich gefälligst ordentlich halten. Ach ja, und die unmarkierte Mütze sollte ja wohl echt nicht einfach verloren gehen. Ist ja wohl nicht zu viel verlangt in einem Kindergarten mit nur 140 Kindern, mh?

All das machen sie dann auch noch gerne

Wer jetzt - wie ich - meint, das alles in Summe sei dann doch irgendwie bemitleidenswert, der hat die heldenhafteste Eigenschaft der meisten Erzieher unterschätzt. Erzieher wollen kein Mitleid für das, was sie leisten. Sie leisten das nämlich gerne. Sie schaffen es, über Jahrzehnte immer wieder diese kleinen fremden Menschen so sehr in ihr Herz zu schließen, dass sie jeden Tag aufs Neue motiviert zur Arbeit gehen. Koste es, was es wolle, und sei es der letzte Nerv. Letztens ist Heike, die Erzieherin meines Sohnes, nach ihrem Feierabend noch geblieben, weil er nach einer Diskussion mit ihr nicht wieder in die Gruppe fand. "Er sah so traurig aus, deshalb hab ich lieber noch mit ihm gekuschelt und geredet", erzählte sie mir am nächsten Tag. Da hätte ich sie am liebsten fest umarmt.

Leute, habt Respekt!

Was Erzieher und Erzieherinnen wie Heike können, das könnte ich einfach nicht und was sie bereit zu geben sind, kann man mit Geld niemals aufwiegen. Was ihnen aber unnötig Energie raubt: Eltern, die die Sachen ihrer Kinder nicht markieren, die sich an Kleinigkeiten aufziehen, die tausend Sonderbehandlungen für ihren Schatz wünschen oder nicht mal die zwei Minuten Zeit aufbringen, die aktuellen Aushänge zu lesen. Auch ich fall in die ein oder andere dieser Kategorien, es ist ja auch menschlich, manchmal doof oder unbedacht zu sein. Dann aber den eigenen Frust an den Erziehern auszulassen, das ist echt nicht die feine Englische. Ich für meinen Teil gelobe Besserung und schenk den beiden mal eine Merlot-Medaille. Oh, und morgen, am Elternabend, werd ich brüllen wie eine Löwin, wenn auch nur einer wagt, den Respekt zu verlieren. Auch wenn Erzieher längst nicht so viel verdienen wie sie sollten, unseren RESPEKT verdienen sie ganz sicher.

Dieser Artikel it zuerst erschienen bei BRIGITTE.de.

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