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Krebspatientinnen Kryokonservierung: Mit neuer Methode zum Babyglück

Kryokonservierung bei Krebspatientinnen
Kryokonservierung bei Krebspatientinnen
© Thinkstock
Eine Krebstherapie führt bei Frauen in vielen Fällen zu Unfruchtbarkeit. Doch in Forschung und medizinischer Praxis hat sich einiges getan: Neben dem Einfrieren von Eizellen, kann auch die Konservierung von Eierstockgewebe eine Schwangerschaft nach der Krebs-Behandlung ermöglichen. Auch bei krebskranken Kindern wurde das Verfahren jetzt angewandt.

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Warum bedroht Krebs auch die Elternschaft?

Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 17.000 Frauen zwischen 15 und 45 Jahren an Krebs. Medizinische Fortschritte haben zwar dafür gesorgt, dass die Heilungschancen für einen Großteil von ihnen gut stehen. Doch leider können Behandlungsmethoden wie Chemotherapie oder Bestrahlung bei einigen Krebsarten, etwa Brust- oder Magen-Darm-Krebs, zum Verlust der Fruchtbarkeit führen. Denn je nach Dosierung töten die Medikamente nicht nur Krebs-, sondern auch Keimzellen - eben die Eizellen. Je nach Alter der Patientin kann die Eierstockfunktion deshalb durch die Krebsbehandlung vorzeitig erschöpft sein, die Menstruation bleibt aus und es treten vorzeitige Wechseljahre auf.
Für die Betroffenen ist dies oft besonders bitter, denn nicht selten wächst in ihnen nach überstandener Krankheit ein besonders starker Kinderwunsch heran. In manchen Fällen kann die Eizellenproduktion durch eine Hormonersatztherapie, etwa durch die "Pille", wieder angeregt werden.
Bei einigen Patientinnen sind die Schäden jedoch so gravierend, dass eine dauerhafte Unfruchtbarkeit droht. Doch genau diesen Frauen machen Wissenschaftler des Universitätsklinikums Erlangen-Nürnberg jetzt Hoffnung:

Wie funkionieren Einfrieren und Retransplantation?

Jetzt kann die Patientin wie jede andere Frau schwanger werden

Zum ersten Mal gelang es hier deutschen Medizinern, zuvor tiefgefrorenes ("kryokonserviertes") Eierstockgewebe einer Patientin wiedereinzupflanzen. Einer jungen Frau wurde nach der Krebs-Diagnose, jedoch vor der Chemo- und Bestrahlungstherapie, per Bauchspiegelung Eierstockgewebe mitsamt unbefruchteter Eizellen entnommen.
Dieses ovarielle Gewebe wurde anschließend schonend eingefroren und in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius gelagert - ein Verfahren, das eine lange Lebensdauer der Eizellen garantiert. In der Zwischenzeit wurde die Patientin erfolgreich behandelt. Allerdings wäre auch sie als Folge der Krebstherapie nicht mehr in der Lage gewesen, Kinder zu bekommen.
Um ihr dennoch eine Schwangerschaft zu ermöglichen, wurde das Eierstockgewebe rund zweieinhalb Jahre nach der Entnahme, langsam wieder aufgetaut und der Frau von Klinikdirektor Professor Matthias W. Beckmann und seinem Team zurück implantiert. Und tatsächlich: Das Gewebe nahm seine hormonelle Tätigkeit wieder auf, nach einiger Zeit bekam die Frau auch wieder eine Regelblutung. "Jetzt kann die Patientin wie jede andere Frau schwanger werden", erklärt Prof. Beckmann.

Eine ehemalige Krebspatientin wurde bereits ein halbes Jahr nach der Reimplantation ihres Eierstockgewebes in der Erlangener Uniklinik schwanger. In anderen Fällen passierte nichts. Weltweit sind bislang rund zwei Dutzend Kinder auf diesem Weg auf die Welt gekommen.

Hoffnung auch für die Fruchtbarkeit kleiner Krebspatienten?

Mit der selben Methode wurden in Kinderkrankenhäusern in Chicago und Philadelphia nun auch ganz junge Krebspatienten behandelt. Bei Mädchen werden Teile des Eierstockgewebes tiefgefroren, bei Jungen Teile des Hodens. Um die ohnehin geschwächten Patienten nicht einer zusätzlichen Belastung auszusetzen, wird der Eingriff in der Regel während einer ohnehin notwendigen OP oder Narkose durchgeführt. Die Methode ist noch absolutes Neuland. Erst in einem Fall führte sie in späteren Jahren zu einer Schwangerschaft. Allerdings war das betroffene Mädchen bei der Gewebeentnahme schon am Beginn der Pubertät. Ob das noch unreife Eierstock- und Hodengewebe von Kleinkindern bei einer späteren Reimplantation tatsächlich funktionieren wird, ist noch offen.
Für die Eltern ist der Eingriff als solcher schon ein Hoffnungsschimmer. Immerhin bedeutet der Blick in die Zukunft ihres Kindes als mögliche Mutter oder Vater, dass man daran glaubt, dass sie die Krebstherapie überleben werden. Und auch wenn die Kinder heute kaum verstehen werden, was da passiert, werden sie den Ärzten und ihren Eltern vielleicht einmal dankbar sein für ihre Voraussicht.

Welche Risiken gibt es bei diesem Verfahren?

Patientinnen sollten sich mit ihrem Onkologen besprechen

Auch wenn die Entnahme des Eierstockgewebes meist ambulant per Bauchspiegelung erfolgt - es ist eine Operation unter Narkose.
Bei jungen Frauen unter 30 Jahren kann es zudem passieren, dass die Entnahme eines Eierstocks die Menopause beschleunigt. Nach dem 30. Lebensjahr schwächt sich dieser Effekt jedoch ab.
Wichtig ist, dass sich die Frauen genau mit ihrem Onkologen absprechen. Zwar streuen bösartige Krebserkrankungen nur selten in den Eierstock, doch rein theoretisch ist es möglich, dass sich in dem kryokonserviertem Gewebe auch Krebszellen befinden, die dann später wieder in den mittlerweile geheilten Körper transplantiert werden. Um dies auszuschließen, wird bei der Gewebeentnahme eine Probe auf mögliche Krebszellen untersucht. Dennoch raten die Experten Patientinnen, die ovarielles Gewebe kryokonservieren lassen wollen, ihren behandelten Arzt nach der Wahrscheinlichkeit von Metastasen im Eierstock zu fragen.

Wie groß ist die Chance auf ein Baby?

Noch befindet sich das Verfahren in einem experimentellen Stadium, eine Garantie auf die wiederhergestellte Fruchtbarkeit gibt es nicht. Hierzulande wird die Methode nur in wenigen universitären Zentren überhaupt angeboten. Trotzdem fordert der Erlanger Klinikdirektor Professor Beckmann: "Krebskranke Frauen im gebärfähigen Alter müssen vor Therapiebeginn auf die neue Möglichkeit, ihre Fruchtbarkeit zu erhalten, hingewiesen werden." Denn gerade jüngere Patientinnen befänden sich oft in einer Lebensphase, in der die Gedanken an die Familienplanung eigentlich noch weit weg sind. Gerade sie hätten aufgrund der höheren Dichte an Eizellen in ihrem Eierstockgewebe jedoch gute Chancen, ihre Fruchtbarkeit wiederherzustellen. Außerdem bliebe ihnen auch noch mehr Zeit zur Retransplantion - Zeit, in der die Wissenschaftler die Technik verbessern könnten.

Zwar gibt es schon jetzt die Möglichkeit, der Frau nach der Krebsdiagnose Eizellen zu entnehmen und diese später nach einer künstlichen Befruchtung wiedereinzusetzen. Doch muss sie dafür zunächst Hormone einnehmen, damit mehr Eizellen produziert werden. Das braucht eine gewisse Zeit - und bei der Krebsbehandlung kann genau die entscheidend sein. Bei der Entnahme von Eierstockgewebe hingegen könne die Chemo- oder Strahlentherapie direkt im Anschluss an den Eingriff beginnen.

Wo finde ich weitere Infos und Kontakt zu anderen Betroffenen?

Weitere Infos zur Kryokonservierung von Eierstockgewebe und der anschließenden Wiedereinplanzung finden Interessierte auch auf der Homepage des Universitätszentrums für Fortpflanzungsmedizin Franken oder beim "Netzwerk Fertiprotekt", das von den Abteilungen für Gynäkologische Endokrionolgie und Reproduktionsmedizin der Unis Heidelberg und Bonn koordiniert wird und dem mittlerweile 100 Zentren aus dem gesamten Bundesgebiet angehören.
Mussten Sie sich selbst mit einer Krebs-Diagnose auseinandersetzen? Fürchteten auch Sie, dass Ihr Kinderwunsch dadurch für immer unerfüllt bleiben könnte? In unserem "Mit medizinischer Hilfe zum Wunschkind-Forum" können Sie sich mit anderen Paaren über neue reproduktionsmedizinische Methoden, Ihre Sorgen und Ängste austauschen. Denn wer sollte Sie besser verstehen als Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden?


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