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Eine Mutter kurz vorm Müdigkeits-Wahnsinn Jedes Kind kann schlafen lernen? Meins nicht!

Jedes Kind kann schlafen lernen? Meins nicht!
© SolStock / iStock
Jessika Rose ist Mutter von zwei Kindern, Bloggerin (www.herz-und-liebe.com) – und dem Müdigkeits-Wahnsinn nahe.

Ich bin dreifache Mutter. Neben meinen beiden Töchtern, fünf und ein Jahr alt, wohnt bei uns ein Sorgenkind: das Einschlafen. Es hat sich mit der Geburt der Großen bei uns einquartiert und beschäftigt uns vom ersten Tag an. Nein, fairerweise muss ich sagen: ab dem zweiten Tag. In der ersten Nacht schlief sie vor Erschöpfung ein – und fünf Stunden durch. Ich auch. Wir haben uns richtig gut ausgeschlafen damals.

Ab der zweiten Nacht ging es bergab. Meine Tochter war ein Stillkind und nickte beim Stillen regelmäßig ein. So lag sie dann in meinen Armen, wir genossen die Nähe. Wenn mein Mann und ich ins Bett gingen, nahmen wir sie mit ins Schlafzimmer und legten sie in ihren Babybalkon. Natürlich wurde sie immer genau dann wach, wenn alles still war und wir gerade unsere Schlafposition gefunden hatten. Dann setzte ich mich wieder auf und stillte sie, bis sie erneut schlief. Die Herausforderung bestand jedes Mal darin, sie wieder in den Babybalkon zurückzulegen, ohne sie dabei aufzuwecken. So ging das Abend für Abend, Nacht für Nacht. Irgendwann ließen wir sie aus purer Bequemlichkeit in unserem Bett schlafen. Stimmen, die uns einflüsterten, wir würden unser Kind damit verziehen, ignorierte ich mit fortschreitender Müdigkeit.

 

Halbstündlich wachte sie auf

Nach wochenlangem In-den-Schlaf-Stillen und zahlreichen Wachphasen in der Nacht, die wiederum auch nur mit Stillen zu überbrücken waren, konnte ich nicht mehr. Langsam begann ich, an mir zu zweifeln. Die Babys von Freunden schliefen zwar auch nicht durch, aber offenbar wesentlich besser als unser Kind.

Mit zehn Monaten haben wir sie ausquartiert – das war zu einem Zeitpunkt, als sie nachts halbstündlich aufwachte, weil sie sich rückversichern musste, dass ich noch da bin. Oder weil sie meine Milch roch, oder weil irgendwas anderes war, das sie hochschrecken ließ.
Besser wurde es in ihrem eigenen Zimmer nicht. Wenn sie nachts wach wurde und partout nicht mehr einschlafen wollte, haben wir sie doch wieder zu uns geholt. Ich war, ehrlich gesagt, zu müde, stundenlang neben ihrem Bett zu sitzen. Vielleicht haben wir damit den Grundstein für ihr verkorkstes Einschlafverhalten erst gelegt. Vielleicht liegt es aber auch an anderen Dingen.
 

„Mama, wo gehst du hin?“


Sie war erst wenige Monate alt, als ich den bekanntesten aller Ratschläge bekam: Lass das Kind doch einfach mal brüllen! Sie wird dadurch schon lernen, allein einzuschlafen ... Genau das wollte ich nicht! Gegen so einen Schwachsinn wehrte sich nicht nur mein Bauchgefühl, sondern auch mein gesunder, mittlerweile allerdings sehr müder, Menschenverstand. Als dann sogar unsere Kinderärztin mit diesem Vorschlag kam, tat ich, was alle verzweifelten Eltern tun: Ich fing an, im Internet nach Tipps zu suchen.
Ich schrieb in Foren, tauschte mich mit anderen Eltern aus und stieß irgendwann auf das Buch „Schlafen statt Schreien – Das liebevolle Einschlafbuch“ – da war unsere Tochter fast ein Jahr alt. Ich habe das Buch in einer Nacht verschlungen. Müde, aber hoffnungsvoll.
Doch bald war klar: Es gibt kein Allheilmittel. Ich habe tagelang ein Schlafprotokoll geführt, beobachtet, Rituale eingeführt, darauf geachtet, dass sie in ihrem Bett (zumindest ein-)schläft. Ich war hoch motiviert, appellierte an meine eigene Geduld, uns allen einfach nur etwas Zeit zu geben. Allmählich wurde es besser – bis sie einen neuen Zahn bekam. Oder einen Infekt. Oder bis uns ein Entwicklungsschub wieder auf Anfang katapultierte.

Wenig später endete meine Elternzeit, meine Tochter kam in die Kita, und wir mussten uns alle neu finden. Auch nachts. Sie hatte sich mittlerweile abgestillt und bekam abends ein Fläschchen. Die anfänglichen Zweifel, dass meine Muttermilch vielleicht nicht sättigend genug war und sie deshalb nicht gut schlief, lösten sich schnell in Wohlgefallen auf. Auch die Flaschenmilch brachte keine Besserung. Vielleicht war meine Tochter einfach keine gute Schläferin?
Umso mehr achtete ich darauf, dass wir unser festes Abendritual einhielten, bevor ich sie ins Bett legte. Danach begann immer der anstrengendste Teil des Abends: Während ich äußerlich ruhig, aber von Minute zu Minute genervter neben ihr saß, fegte sie wie ein Duracell-Hase durch ihr Bett. Von Müdigkeit keine Spur. Sie und dieses unsichtbare Sorgenkind Einschlafen waren eine verschworene Einheit.

Erst wenn sie schlief, besser gesagt: wenn ich glaubte, dass sie schläft, schlich ich auf Zehenspitzen aus ihrem Zimmer, in der Hoffnung, dass meine Gelenke nicht knacken, ich nicht auf ein Spielzeug trete oder der Teppich unter mir nicht raschelt. Vom Bett waren es keine drei Meter zur Tür – aber spätestens beim Drücken der Türklinke setzte sie sich pfeilartig auf und fragte: „Mama, wo gehst du hin?“ Und dann saß ich wieder da, wo das ganze Spiel über eine Stunde vorher begonnen hatte.
Kurz bevor unsere zweite Tochter geboren wurde, riet mir die Kinderärztin eindringlich, das mit dem Einschlafen zu regeln, bevor das Baby kommt. Ich war mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich wusste nur, das würde scheitern.
 

Manchmal bin ich nur wütend

Immerhin: Die Kleine ist schlaftechnisch das komplette Gegenteil ihrer großen Schwester. Schon beim Gute-Nacht-Sagen will sie am liebsten in ihr Bett, dreht sich dann auf die Seite und schläft, sodass ich ihr Zimmer verlassen kann, um die nächsten zwei Stunden wahlweise im, vor oder unter dem Bett der Großen zu verbringen. Manchmal lesen wir dann noch etwas, manchmal erzählen wir uns vom Tag, und manchmal bin ich einfach nur wütend über ihre Zappelei. Oder darauf, dass sie trinken will, dass sie auf Toilette muss und mir den tausendsten Grund nennt, warum sie nicht allein schlafen kann.

Das sind dann die Momente, in denen ich schwach, verzweifelt und ziemlich genervt in die Schublade „Ganz schlechte Erziehungsmethoden“ greife: Ich ärgere mich und werde laut, ich schimpfe und drohe mit Konsequenzen, was die Sache am Ende natürlich nicht besser macht.
Meine Mutter beruhigt mich immer mit einem wissenden Lächeln und sagt: „Du warst genauso!“ Das hilft mir leider so viel wie die Weisheit, dass „alles nur eine Phase“ sei. Wenn es eine Phase ist, dann eine ganz schön hartnäckige. Manchmal gelingt es mir, sie mit Humor zu nehmen. Und manchmal ist da nur Resignation.
 

Über schwierige Schläfer und scheinbar hoffnungslose Fälle sprach ELTERN-Autorin Jessika Rose mit der Schlafmedizinerin Barbara Schneider – sie ist Leiterin des Kinderschlaflabors am Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut.
 


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