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Janni + Peer Kusmagk Ein Geburtstrauma hat ihre Beziehung "nachhaltig verändert"

Janni und Peer Kusmagk mit Söhnchen Emil-Ocean
Janni und Peer Kusmagk mit Söhnchen Emil-Ocean
© privat
Janni Kusmagk erlebte traumatische Geburten. Darüber, über den Tod des Bruders, gemeinsame Therapiestunden und über eine unkonventionelle Kindererziehung ohne Bestrafung und Beschimpfung hat das Paar im Interview gesprochen.

In ihrem ersten Buch "Der Ruf deines Herzens" (ein Ratgeber mit konkreten Übungen, um sein Leben freier und glücklicher zu gestalten; am 22. März 2022 im Rowohlt Verlag erschienen) behandeln Janni, 31, und Peer Kusmagk, 46, Themen, über die sie noch nie zuvor öffentlich geredet haben. Im Interview wurde es daher auch sehr intim.

Private Themen wie die unkonventionelle Erziehung ihrer Kinder, Trennungsgedanken und das Thema Paartherapie kommen auf den Tisch. Doch zu Beginn sprechen die ehemalige Profisurferin und der Schauspieler über die traumatische Geburt von Baby Merlin, die ihre Beziehung "nachhaltig veränderte" und wie Janni den Tod ihres Bruders Dennis im Alter von sieben Jahren verarbeitete.

Janni Kusmagk: Ihr Bruder Dennis starb als Kind infolge eines Behandlungsfehlers

Janni, dein Bruder Dennis hatte einen Gehirntumor und starb durch einen ärztlichen Behandlungsfehler. Da warst du sieben Jahre alt. Bei der Beerdigung konntest du nicht weinen, hast relativ abgeklärt reagiert und meintest zu deiner Mutter: "Es ist, wie es ist". Wieso genau?
Janni: Ich glaube, das ist eine kindliche Sicht der Dinge. Kinder sind sehr Weise in vielen Hinsichten. Sie beobachten, aber bewerten nicht. Ich habe nicht gedacht, wie schlimm das ist, dass meinem Bruder dieser Fehler passierte. Ich hatte durch seine Erkrankung viel erlebt und eine gewisse Resilienz entwickelt. Meine Eltern und beiden Schwestern haben mich dennoch so gut es ging aufgefangen. Diese rationale Betrachtungsweise, Dinge so anzunehmen, wie sie sind, hilft mir heute noch sehr, gerade in diesen schlimmen Zeiten.

Wie hat dich dieses traumatische Erlebnis in den Jahren danach beeinflusst?
Janni: Für mich und meine ganze Familie war es sehr schwer, mit Dennis‘ Tod umzugehen. Ich war noch sehr klein. Meine Schwestern haben damals viel Verantwortung für mich übernommen und psychisch einiges getragen. Wir haben keine Familientherapie gemacht, unsere Therapie war das Meer. Deshalb hat der Ozean für mich auch eine so tiefgreifende Bedeutung.

Ich habe dadurch auch mein Vertrauen in das Gesundheitssystem verloren und habe Ängste entwickelt. Das war nicht einfach für mich, als ich bei meinen Geburten auf Hilfe angewiesen war. Ich habe auf jede Spritze dreimal geschaut.
Janni Kusmagk
Janni Kusmagk
© www.peerkusmagk.de

Deine drei Geburten verliefen leider alles andere als komplikationslos. Nach der Geburt von Merlin musstet ihr sogar auf die Intensivstation. Wie kam es dazu?
Janni:
Die Geburt an sich war in Ordnung, wir haben anschließend leider mit einer Neugeborenen-Infektion kämpfen müssen. Das konnten wir schnell feststellen, weil Merlin Fieber bekommen und nicht mehr normal geatmet hat. Es ist daher wichtig, sein Kind gut zu beobachten. So konnte uns schnell geholfen werden.

Merlins traumatische Geburt hat Peers und Jannis Beziehung "nachhaltig verändert"

Wie habt ihr diese Ausnahmesituation erlebt?
Janni:
Es war eine krasse Phase. Wir hatten bereits zwei Kinder und mussten uns unheimlich aufteilen. Als Paar hatten wir kaum Zeit füreinander, haben eine unsichtbare Beziehung geführt, an die man in diesen Momenten einfach glauben musste.

Peer: Es war ein Moment, der unsere Beziehung nachhaltig verändert hat. Wir mussten uns zum ersten Mal darauf verlassen, dass es funktioniert. Wir leben unkonventionell, betreuen unsere Kinder zu Hause und mussten funktionieren. Wir hatten keine andere Wahl.

Ich habe kurz danach meinen Job gekündigt, auch wegen dieser Erfahrung und der konkreten Auseinandersetzung, wie schnell das Leben vorbei sein kann.

Das hat uns motiviert, noch mehr auf den Ruf unseres Herzens zu hören. Dadurch mussten wir aber die Sicherheit, die das System uns zwar gibt, mit dessen Bedingungen wir uns aber nicht komplett wohlfühlten, in uns selbst suchen. Wenn man das schafft, macht einen das ein Stück weit unabhängiger.

Janni Kusmagk am Krankenbett von Baby Merlin
Janni Kusmagk am Krankenbett von Baby Merlin
© instagram.com/thehappytribe

Janni, du hast während der dritten Schwangerschaft Ängste entwickelt, wie zum Beispiel eine diffuse Flugangst. Kamen die nach der traumatischen Geburt mit Merlin noch einmal hoch?
Janni:
Der Weg mit der Angst hat lange gedauert. Nach der Geburt musste ich noch einmal ins Krankenhaus, dann bekam Merlin den RS-Virus (respiratorische Synzytial-Virus, betrifft obere und untere Atemwege, Anm. d. Red.), ich habe im Krankenhaus unser jetziges Haus gefunden, wofür Peer allein mit den beiden Kindern nach Mallorca geflogen ist. Dabei sind sie in einen riesigen Sturm geraten.

Dann bereits vor der Geburt die Pandemie. Menschen spalten sich, denken quer, auch im engsten Umkreis. Mit manchen konnten wir uns nicht mehr normal unterhalten. Das ganze Jahr hatten wir mit Existenzängsten zu kämpfen, was sich in einer permanenten Anspannung und Angst entlud. Nach der Geburt hat sich das entspannt.

Janni Kusmagk: Als Baby Nummer 1 kam, haderte sie mit ihrer Beziehung

Ihr musstet euch als Paar erst finden. Janni, du schreibst, dass du zu Beginn mit Peers "Stressmanagement gehadert" hast. "Manchmal vergreift er sich dann im Ton, wird unfair." Du hattest sogar überlegt, zu gehen. In welchen Momenten war das der Fall?
Janni:
Das hatte viel mit seinem übernommenen Verhaltungsmustern zu tun. Wir sind damit aufgewachsen, dass Männer oft für das, was sie sind, entschuldigt wurden. Sie dürfen sich im Ton vergreifen, dürfen beleidigend sein und Frauen sind für die Harmonie und Care-Arbeit zuständig.

Als wir Eltern wurden, sind bei Peer manche dieser alten Verhaltensmuster hochgekommen, die mich überrascht haben und ich nicht haben wollte. So sind wir nicht.

Ich bin eine Feministin, will als Frau gesehen werden und eine Beziehung auf Augenhöhe führen. Das haben wir aber geschafft, indem wir offen miteinander kommuniziert haben.

Peer und Janni Kusmagk
Peer und Janni Kusmagk
© www.peerkusmagk.de

Peer: Ich muss zugeben, dass ich Jannis Care-Arbeit nicht immer wertschätze und manchmal noch in alten Verhaltensmustern stecke, die dafür sorgen, dass wir noch keine komplette Gleichberechtigung erreicht haben. Das ist ein langer Prozess, an dem ich arbeite, um das komplett zu überwinden.

Janni und Peer machen eine Paartherapie

Was hilft euch, um mit diesen Erlebnissen umzugehen. Macht ihr zusammen eine Therapie oder nimmt jeder für sich selbst Stunden in Anspruch?
Peer:
Das ist punktuell. Oft jeder für sich, aber manchmal nehmen wir uns auch eine Paartherapiestunde, je nach Bedarf. Wir hatten heute jeweils beide eine Therapiestunde in Palma und haben das genossen. Als ich vor 20 Jahren in Frankreich bei einer Familie gelebt habe, fuhr ich die Mutter immer zur Therapie. Da war das selbstverständlich. Hier ist das oft noch negativ belegt, dabei kümmern wir uns einfach nur nachhaltig um unsere mentale Gesundheit.

Deshalb haben wir uns in einer sehr stressigen Phase unseres Lebens beide dazu entschieden, jede Woche zu einem neutralen Gesprächspartner zu gehen, um diese Krise besser bewältigen zu können.

So gehen wir gestärkt daraus und sind besser für die nächste schwere Phase gewappnet.

Janni: Wir sehen das als Luxus an, eine Therapie machen zu dürfen und aus der Tiefe heraus zu heilen. Ein Bild, das ich in der Meditation gelernt habe: Der Mensch ist wie ein Behältnis, das Sprudelwasser enthält, bei dem die Blasen nach oben steigen. Doch was passiert, wenn du einen Deckel drauf machst? Du wirst irgendwann platzen. Stattdessen muss man den Deckel abnehmen, also offenbleiben, die Blasen, die Gefühle, das Erlebte rauslassen, indem man darüber spricht. Dann geht es einem mental besser.

Peer und Janni Kusmagk mit ihren Kindern Emil-Ocean und Yoko
Peer und Janni Kusmagk mit ihren Kindern Emil-Ocean und Yoko
© privat

Peer: Nichts anderes passiert in einer Therapie. Sie gibt mir den Raum, um den Deckel aufzumachen, weil ich es im Familienalltag mit drei Kindern und in der Findungsphase in einem komplett neuen Umfeld manchmal zeitlich nicht selbst schaffe. Dort kann ich alle Gefühle gleichberechtigt behandeln. In unserer konventionellen Gesellschaft spielt jedoch oft nur eine positive Grundemotion eine Rolle: Freude. Der Rest wird verdrängt. Dadurch öffnen sich viele nicht und sprechen auch mal über ihre Wut oder Scham.

Peer: "Daraus ist eine tiefe Liebe entstanden, die ich noch nie zuvor gespürt habe"

Was hält euch als Paar noch fest zusammen?
Peer:
Unsere tiefe Liebe und Verbundenheit. Das ist wahnsinnig mächtig und hat mit der Art und Weise zu tun, wie wir uns kennengelernt haben. Wir haben uns bei unserem ersten Treffen entkleidet in die Seele geschaut und wissen, wer der andere eigentlich ist. Daraus ist eine tiefe Liebe entstanden, auf die wir uns in schweren Zeiten verlassen können und die ich noch nie zuvor gespürt habe.

Als Paar und Eltern hinterfragt ihr regelmäßig gesellschaftliche Konventionen und lebt so, wie es euch glücklich macht. Was waren die wichtigsten Konventionen, die ihr abgelegt habt?
Peer:
Den wichtigsten Satz, den ich über Bord geworfen habe, war: "Meister bleib bei deinen Leisten", also bleib bei dem was du kannst. Glaubenssätze werden meist durch die Eltern mitgegeben und sind in unserem Leben wie Navigationssysteme. Ich verstehe mich als Lebenskünstler und liebe es neue Dinge, Berufe und Hobbys auszuprobieren. So war ich schon Schauspieler, Moderator, Gastronom, Straßenmusiker, Clown und jetzt eben Buchautor.

Diese Leichtigkeit und den Facettenreichtum des Lebens hätte ich mit dem Glaubenssatz "Meister bleib bei deinen Leisten" nie erlebt. Vielen ist nicht bewusst, welch starke Wirkung sie haben. Solche Sätze verursachen zwar Sicherheit, hindern einen aber auch oft daran, Neues auszuprobieren und die eigene Komfortzone zu verlassen.

Janni und Peer Kusmagks erstes Buch "Der Ruf deines Herzens" ist am 22. März 2022 im Rowohlt Verlag erschienen.
Janni und Peer Kusmagks erstes Buch "Der Ruf deines Herzens" ist am 22. März 2022 im Rowohlt Verlag erschienen.
© PR

Janni: Alle Paare und Eltern machen Fehler. Das Wichtige ist, wie man damit umgeht, miteinander kommuniziert und sich ständig selbst hinterfragt.

Will man das Familienbett, will man lange stillen, auch wenn andere das komisch beäugen könnten. Man soll zu sich selbst stehen.

Hasskommentare auf Instagram haben Janni "nachts wachgehalten"

Mit eurer Offenheit, Dinge anders anzugehen wie zum Beispiel Kindererziehung, eckt ihr auf Social Media oft an. Was verletzt euch an den Hass-Kommentaren besonders?
Janni:
Das Thema Hass hatte eine gewisse Entwicklung auf meinem Account. Am Anfang fanden mich die anderen wegen meines Lachens blöd, dann weil ihnen meine Nase zu groß war oder weil ich viele Schreibfehler hatte. Ich bin nicht in Deutschland groß geworden und die Botschaft war mir wichtiger als perfekt schreiben zu können. Ich konnte mich dadurch nicht so entfalten, wie ich wollte. Negative Gefühle sind entstanden, die mich nachts wachgehalten haben, was ich als junge Mutter nicht gebrauchen konnte. Mittlerweile habe ich zum Glück eine Community, bei der so was nur noch selten vorkommt.

Im Buch schreibt Peer, dass ihr aus "unterschiedlichen Welten" kommt und anders sozialisiert wurdet. Worin unterscheidet ihr euch?
Janni:
Ich bin barfuß auf den Kanaren aufgewachsen und bin jemand, der sehr geduldig ist, der viel Ruhe in sich trägt. Peer ist in Berlin aufgewachsen, in einer urbanen Großstadt und ist sehr ungeduldig.

Peer: Ich bin sehr bürgerlich, also in normalen Verhältnissen groß geworden, aber auch mitten in Kreuzberg, einem Schmelztiegel von unterschiedlichen Kulturen, Konflikten und Demos. Ich habe mich daher früh mit politischen Themen auseinandergesetzt. Ich habe immer die Extreme gesucht, alles hinterfragt und eine starke Meinung entwickelt. Janni hingegen ist für das Timing verantwortlich, sagt, wenn wir mal einen Gang rausnehmen sollen.

Welche Prägung oder Erziehungsstile, die ihr in eurem Elternhaus mitbekommen habt, wollt ihr nicht übernehmen?
Janni:
Uns ist sehr wichtig, die Kinder nicht zu schimpfen oder zu bestrafen.

Es kann schon mal sein, dass wir laut werden, wir sind auch nur Menschen. Aber wir lassen den Kindern viele Freiheiten und begegnen ihnen auf Augenhöhe.

Durch manche Menschen wird die Einstellung verbreitet, dass Kinder klein und doof seien. Das sehe ich komplett anders. Ich habe Emil-Ocean in die Augen geschaut und er hat so eine alte Seele, so eine Tiefe. Auch wenn sie noch klein sind, sind sie genauso Menschen wie du und ich.

Das Interview ist zuerst auf GALA.de erschienen.

ELTERN

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