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Schwangerschaft HELLP-Syndrom: Symptome erkennen und schnell reagieren

Das HELLP-Syndrom ist eine Komplikation in der Schwangerschaft, die sofort medizinisch behandelt werden muss. Sie tritt zwar selten auf, kann aber für Mutter und Kind lebensbedrohlich sein. Wir erklären dir, bei welchen Symptomen du am besten sofort zu einem Arzt gehst.

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Auf einen Blick

  • Das HELLP-Syndrom tritt nur in der Schwangerschaft auf und kann lebensbedrohlich für Mutter und Kind sein.
  • Etwa eine von 1000 bis 2000 Schwangeren ist davon betroffen.
  • Wichtigstes Leitsymptom: Schmerzen im Oberbauch.
  • Eine sichere Diagnose kann nur über Blutwerte gestellt werden.
  • Bei der Diagnose HELLP-Syndrom muss die Schwangerschaft beendet werden.
  • Frauen, die bereits das HELLP-Syndrom hatten, haben in einer weiteren Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko, erneut zu erkranken.

Was ist das HELLP-Syndrom?

Hellp-Syndrom
© m-gucci / iStock

Das HELLP-Syndrom ist eine seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung, die nur in der Schwangerschaft auftritt. HELLP steht dabei für die drei typischen Laborbefunde:
 
Haemolysis: Abbau von roten Blutkörperchen, die im Körper für den Sauerstofftransport verantwortlich sind.
Elevated Liver enzymes: erhöhte Leberwerte
Low Platelet count: niedrige Anzahl an Thrombozyten (Blutplättchen). Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung. Ist ihre Anzahl gering, können Patienten häufiger und länger bluten.
 
Oft geht der Erkrankung eine Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung) voraus. Sie kann aber auch ganz plötzlich und ohne Vorzeichen auftreten. Wichtig ist dann, dass Schwangere umgehend zum Arzt oder in eine Klinik gehen.

Woran erkenne ich das HELLP-Syndrom?

Das Syndrom entwickelt sich oft ganz plötzlich und kann innerhalb weniger Stunden zu einer lebensbedrohlichen Situation für Mutter und Kind werden. Das Schwierige daran: Viele Symptome sind unspezifisch und können auf ganz harmlosen Schwangerschaftsbeschwerden beruhen. Hinzu kommt, dass die Beschwerden leicht oder ausgeprägt sein können und die Krankheit typischerweise in Schüben verläuft, so dass die Beschwerden häufg plötzlich wieder nachlassen, zu einem späteren Zeitpunkt aber erneut auftreten.  Daher zeigt letztlich nur die Analyse deiner Blutwerte, ob du wirklich am HELLP-Syndrom erkrankt bist.

Wichtigstes Leitsymptom sind Schmerzen im Oberbauch, die typischerweise rechtsseitig, aber auch mittig oder gürtelförmig im gesamten Oberbauch lokalisiert sind. Sie treten bei 86-92 Prozent aller Erkrankten auf und werden durch eine Dehnung der Leberkapsel verursacht. Auch ein erhöhter Blutdruck (über 140/90 mmHg) und die vermehrte Ausscheidung von Eiweiß über den Urin (über 0,3 g/l) deuten auf die Erkrankung hin.

Weiter können folgende eher unspezifische Symptome auftreten:

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Augenflimmern
  • Wassereinlagerungen (insbesondere im Gesicht)
  • Schnelle Gewichtszunahme von mehr als einem Kilo pro Woche im letzten Schwangerschaftsdrittel
  • Kopfschmerzen
Schwangerschaft: HELLP-Syndrom: Symptome erkennen und schnell reagieren

Welche Ursachen hat das HELLP-Syndrom?

Warum erkranken manche werdende Mütter an dem Syndrom, andere aber nicht? Die Frage beschäftigt auch die Forscher. Ein eindeutiges Ergebnis konnten sie bisher allerdings nicht liefern. Vermutet wird, dass eine Schädigung der Innenseite von Blutgefäßen der Plazenta eine Kettenreaktion hervorruft: Es kommt zu einer Aktivierung der Blutgerinnung, dadurch sinkt die Anzahl der Thrombozyten (Blutplättchen). Die Ablagerung von Fibrin (eine Art Klebstoff der Blutgerinnung) schädigt die Leber. Ebenso werden Störungen des Immunsystems und entzündliche Prozesse als Ursache in Betracht gezogen.

Darüber hinaus erhöhen folgende Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit, am Syndrom zu erkranken:

  • Präeklampsie oder HELLP-Syndrom während einer früheren Schwangerschaft
  • Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Gerinnungsstörungen
  • Ältere Schwangere (≥40 Jahre)
  • Mehrlingsschwangerschaft
  • Störungen des Immunsystems

Wie wird die Diagnose gestellt?

Blutabnahme
© tortoon / iStock

„Die Diagnose HELLP-Syndrom ist für Ärzte nicht leicht zu stellen. Denn die Anzeichen sind meist unspezifisch und können auch auf harmlose Schwangerschaftsbeschwerden hinweisen. Hinzu kommt, dass 10 bis 15 Prozent der betroffenen Frauen keine der sonst typischen Anzeichen wie Bluthochdruck oder Eiweiß im Urin haben.“, sagt Ann-Christin Tallarek, Oberärztin der geburtshilflich-pränatalmedizinischen Abteilung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
 
Eine sichere Bestätigung, ob du am HELLP-Syndrom erkrankt bist, liefert daher nur ein Bluttest. Er wird mit dem Vermerk „eilig“ ins Labor geschickt, da – sollte sich die Diagnose bestätigen – eine schnelle Behandlung nötig ist. Die Untersuchung bestimmter Blut- und Leberwerte sowie die Anzahl der Thrombozyten (Haemolysis, Elevated Liver enzymes, Low Platelet count) verschafft schließlich Klarheit.

Wie wird das Syndrom behandelt?

Das HELLP-Syndrom ist sicher diagnostiziert? Da der Verlauf der Krankheit  unkalkulierbar ist, wirst du auf jeden Fall stationär betreut und engmaschig überwacht werden. Je nachdem, wie weit deine Schwangerschaft fortgeschritten ist, werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Ab der vollendeten 34. Schwangerschaftswoche werden die Ärzte die Entbindung anstreben. Je nach Symptomen und Schwere wird die Geburt eingeleitet oder dein Baby per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. „Fakt ist: Nur die Entbindung des Kindes und die Entfernung der Plazenta aus dem mütterlichen Kreislauf beendet die Krankheit“ sagt Ann-Christin Tallarek.
Eine Entbindung vor der 34. SSW gilt jedoch als Frühgeburt und birgt gewisse Risiken für dein Baby. Dein Arzt muss nun abwägen: Welches Risiko ist höher? Das einer Frühgeburt oder die Komplikationen des HELLP-Syndroms? Kommt er zu dem Schluss, dass dein Baby für seine Lungenreifung noch ein wenig Zeit in Mamas Bauch braucht, erhältst du zunächst Medikamente, die deinen Blutdruck senken und Kortisonspritzen, um die Lungenreifung deines Babys zu beschleunigen. Voraussetzung dafür sind jedoch eine engmaschige stationäre Überwachung in einem Perinatalzentrum und die Möglichkeit, dein Kind jederzeit per Kaiserschnitt auf die Welt holen zu können.

Ist das HELLP-Syndrom gefährlich für mich und mein Baby?

Frühchen
© metinkiyak / iStock

Ja. Die Erkrankung ist tatsächlich einer der häufigsten Gründe, warum auch heute noch Frauen in der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett versterben. Die Sterblichkeit liegt bei etwa 1 Prozent. Mögliche Komplikationen sind Hirnblutungen, Gerinnungsstörungen, Nierenversagen oder ein Bluterguss in der Leber. Für die Babys ist die Prognose leider nicht besser. Es sterben etwa 11 Prozent entweder noch im Mutterleib aufgrund einer Mangelversorgung oder Plazentaablösung oder an den Folgen einer Frühgeburt.

Ab wann bin ich über den Berg?

„Normalerweise stabilisieren sich die mütterlichen Werte nach der Geburt innerhalb weniger Tage wieder recht rasch“, sagt Ann-Christin Tallarek vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Sind Blutwerte und -druck wieder normal, ist das Schlimmste überstanden.“
 
Nur in sehr seltenen Fällen entwickeln Frauen erst nach der Geburt ein HELLP-Syndrom. Aber keine Sorge: In den ersten 48 Stunden nach der Entbindung schauen Hebammen und Ärzte ohnehin häufiger, wie es dir und deinem Neugeborenen geht.

Kann ich vorbeugen?

„Frauen mit Risikofaktoren für die Entwicklung eines HELLP-Syndroms sollte in der Frühschwangerschaft eine präventive Medikation mit Acetylsalicylsäure (ASS) empfohlen werden. In Studien konnte gezeigt werden, dass hierdurch das Risiko für die Erkrankung deutlich reduziert werden kann“, erklärt Ann-Christin Tallarek. „Alternativ kann im Rahmen der Nackentransparenzmessung zwischen der 11. und 14. SSW ein Präeklampsie-Screening durchgeführt werden. Dabei werden per Ultraschall die Durchblutung der Gebärmutter untersucht, der mütterliche Blutdruck gemessen und bei einer Blutentnahme Biomarker bestimmt. Mithilfe statistischer Daten kann dann das individuelle Risiko für das Auftreten einer Präeklampsie errechnet werden und über den Beginn einer ASS-Behandlung entschieden werden“. Heparin, Magnesium, Selen, Vitamin D, Kalzium oder Fischöl haben keinen vorbeugenden Effekt.
 
Grundsätzlich gilt: Bitte nimm die Vorsorgeuntersuchungen während deiner Schwangerschaft unbedingt wahr. Hierbei werden dein Blutdruck und deine Urinwerte routinemäßig kontrolliert. Ist dabei etwas auffällig, kann dein Arzt schnell eine entsprechende Behandlung einleiten.

Wie häufig kommt das HELLP-Syndrom vor?

Eine von 1000 bis 2000  Schwangeren und etwa 10-20 Prozent der Patientinnen mit Präeklampsie sind vom HELLP-Syndrom betroffen.

Kann ich noch einmal erkranken?

Hellp-Syndrom
© leszekglasner / iStock

Leider ja. „Frauen mit der Diagnose HELLP-Syndrom haben in Deutschland ein Risiko von 13% , in einer weiteren Schwangerschaft erneut zu erkranken“, sagt Ann-Christin Tallarek.
Das Gute jedoch: Warst du bereits früher erkrankt oder sind deine Werte auffällig, wird der Arzt dich jetzt ohnehin als Risikoschwangere betrachten und dich in kürzeren Abständen zur Vorsorgeuntersuchung bestellen. Ist etwas auffällig, kann er schnell eine entsprechende Therapie einleiten.

Und nach der Geburt? Muss ich mit Spätfolgen rechnen?

Häufig erholen sich betroffene Frauen nach der Geburt innerhalb einer Woche  wieder. Trotzdem beobachten Ärzte und Hebammen sie (besonders in den ersten 48 Stunden nach der Geburt) engmaschig. Heißt: regelmäßiges Blutdruckmessen sowie Kontrolle der Blutwerte bis zur Entlassung. Auch wenn du dich schon wieder ganz fit fühlst, wird die Hebamme deine Werte im Wochenbett immer wieder kontrollieren. Denn gesund bist du noch nicht. Wahrscheinlich zeigt sie dir, wie du deinen Blutdruck zuhause messen kannst. Bitte dokumentiere deine Werte in einem Tagebuch. Das erleichtert es deiner Ärztin, deine Genesung besser einzuschätzen und ggf. eine Therapie einzuleiten. Grundsätzlich kann das HELLP-Syndrom nämlich Spätfolgen haben. Dazu gehören:

  • Nierenerkrankungen
  • Neigung zu Thrombosen
  • Probleme des Herz-Kreislauf-Systems
  • Risiko für erneute Erkrankung oder Präeklampsie in weiteren Schwangerschaften


Nicht zu unterschätzen sind die psychischen Folgen einer solch dramatischen Geburt. Wenn du feststellst, dass du Schwierigkeiten mit deinem Kurzzeitgedächtnis hast, sprich darüber bitte mit deinem behandelnden Arzt oder deiner Hebamme. Psychologen vermuten dahinter Auswirkungen einer posttraumatischen Belastungsstörung, die am besten schnell behandelt wird. Postpartale Depressionen sind nach dem Erlebten ebenfalls nicht selten. Und auch der Vater hat eine sehr belastende Situation hinter sich. Man möchte es sich gar nicht vorstellen: Eventuell musste er um die Leben seiner Frau und seines Kindes fürchten. Wichtig ist, dass ihr über eure Ängste und Sorgen sprecht. Eure Hebamme steht euch in dieser Zeit zur Seite und kann euch ggf. Beratungsstellen vermitteln.

Ärztliche Beratung: Ann-Christin-Tallarek, Oberärztin der geburtshilflich-pränatalmedizinischen Abteilung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Quellen:
www.dhz-online.de
www.amboss.com
präeklampsie-hellp.de
www.awmf.org
www.laekh.de
www.uksh.de

Werner Rath, Ulrich Gembruch, Stephan Schmidt (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatalmedizin. Pränataldiagnostik ­– Erkrankungen – Entbindung. 2. Vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart 2010.
 


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