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Hallo, alte Rollenmuster Das bisschen Haushalt! Warum er die Frauen um ihr Vermögen bringt

Gender Pay Gap: eine Mutter macht mit ihrem kleinen Sohn die Wäsche
© Evgeny Atamanenko / Shutterstock
Frauen übernehmen noch immer den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit – so weit nicht überraschend. Erschreckend ist jedoch, dass die anfänglich gleichberechtigte Aufteilung zwischen Männern und Frauen zu Beginn der Corona-Pandemie uns nunmehr in alte Rollenmuster zurückfallen lässt. Dadurch verlieren Frauen häufig ein Vermögen.

"Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann", ein viel zitierter Satz aus dem Lied von Johanna von Koczian aus dem Jahr 1977. Knapp 50 Jahre später und noch immer inmitten einer Pandemie sieht das Bild einer Familie wieder ähnlich aus. Das, was die Sozialforscherin Jutta Almendinger bereits zu Beginn der Corona-Krise prognostiziert hatte, ist eingetroffen. Frauen haben ihre Berufe teilweise oder ganz aufgegeben, kümmern sich um die Kinder, Angehörige und den Haushalt. Der Mann geht arbeiten.

Die Corona-Pandemie lässt uns in die Rollenmuster der 50er-Jahre zurückfallen

Ein Modell, von dem die meisten dachten, dass es heute eigentlich längst überholt ist, wird wieder zum Standard in der Bevölkerung. Das Problem: Das Gerüst, auf dem die Pandemie aufbaute – eine bereits gefestigte Gleichberechtigung – war viel zu bröckelig und fiel bereits nach kurzer Zeit in sich zusammen: "Zu unvollendet und fragil war die Gleichstellung von Männern und Frauen, zu gering das Engagement von Vätern bei Haus- und Sorgearbeit, zu leicht konnte sich die Schere in der Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern weiter spreizen", schreibt Almendinger in einem Gastbeitrag in "Die Zeit".

Dabei wird gerne vergessen, wie viel Arbeit hinter dem Kochen, Putzen, Einkaufen und Kümmern um die Kinder und Angehörige eigentlich steckt. Das private Leben zu managen, ist viel Arbeit, kostet Zeit und ist eigentlich immer unbezahlt. Die Befürchtungen der Sozialforscherin zeigen sich auch in den Ergebnissen der Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

In der Corona-Pandemie: Jede fünfte Frau reduziert ihre Arbeitszeit

Waren die Männer zu Beginn der Pandemie noch bemüht, einen Teil der anfallenden Care-Arbeit zu übernehmen, hat heute etwa jede fünfte Mutter ihre Arbeitszeit reduziert, um sich bei geschlossenen Schulen und Kitas um die Kinder zu kümmern. Angesicht dieser Auswirkungen haben sich Ökonominnen des Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR damit beschäftigt, wie sich das gesamtgesellschaftliche Problem ökonomisch darstellen lassen kann.

Die erste wichtige Erkenntnis: "Entgegen der Vorstellung, dass Männer mehr arbeiten als Frauen, kommen Frauen in Summe sogar auf mehr Arbeitsstunden. Sie verbringen neben ihrer Erwerbstätigkeit, die durchschnittlich circa 30,3 Stunden beträgt, zusätzlich rund 27,4 Stunden mit dem Haushalt und der Pflege von Angehörigen", heißt es in der Untersuchung. Im Gegensatz dazu würden Männer auf dem regulären Arbeitsmarkt circa 37,9 Stunden investieren und außerhalb des Jobs 14,8 Stunden. Das bedeutet, dass Frauen im Schnitt 52,4 Prozent mehr Sorgearbeit übernehmen als Männer. In einer Partnerschaft mit Kindern verschiebt sich der Gender Care Gap noch einmal drastisch auf 83,3 Prozent.

Care-Arbeit bezieht sich bei Männern und Frauen jedoch auf unterschiedliche Bereiche. Dr. Sandra Hofmann zeigte in ihrer Dissertation im Jahr 2015 bereits, dass die Sorgearbeit bei Männern meist aus ehrenamtlichem Engagement und Schwarzarbeit besteht und bei Frauen die "informellen Reproduktionsbereiche" – nicht bezahlte Tätigkeiten im Haushalt und der Pflege von Kindern und Angehörigen – im Vordergrund stehen.

Das größte Problem: Frauen sind häufig abhängig von ihren Männern

Das größte Problem ist die finanzielle Abhängigkeit vieler Frauen von ihren Männern. Die Folgen daraus sind beträchtlich. Der Gender Lifetime Earnings Gap – also die Differenz, die Frauen im Gegensatz zu Männern über ihr gesamtes Leben verdienen – liegt in Westdeutschland bei rund 670.000 Euro, in Ostdeutschland bei etwa 450.000 Euro. Das ergibt einen Unterschied von 49,8 Prozent. Frauen haben also ein knapp halb so großes Gesamt-Erwerbsvermögen wie Männer – hauptsächlich ausgelöst durch die unbezahlte Fürsorgearbeit.

Infolgedessen haben Frauen im Vergleich zu Männern ein deutlich höheres Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein. Im Jahr 2019 lag die Armutsquote bei Frauen, die 65 Jahre oder älter sind, bei 17,4 Prozent. Bei Männern waren es 13,5 Prozent.

Doch nicht nur die Unterschiede in der Aufteilung der Care-Arbeit sind beträchtlich, auch die unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit spielt eine Rolle. Im Jahr 2020 lag der Gender Pay Gap deutschlandweit bei 20 Prozent. Wobei sich West- und Ostdeutschland deutlich unterscheiden. In Westdeutschland liegt der Gender Pay Gap bei 20 Prozent, in Ostdeutschland bei sechs Prozent.

Die ungleichen Gehälter führen zu einer Asymmetrie der Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau

Expert:innen zufolge ist noch keine Besserung in Sicht. "Die Ungleichheitsverteilung der Einkommen führt zu unterschiedlichen Konsumentscheidungen der Geschlechter und generell dazu, dass die Macht zwischen Männern und Frauen asymmetrisch verteilt ist, vor allem in heterosexuellen Paarhaushalten", sagt Hofmann in "Die Zeit".

Aufgrund des demografischen Wandels – es wird durch die geburtenstarken Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre mehr ältere Menschen geben – und des Fachkräftemangels wird sich die Care-Arbeit weiter in den privaten Bereich verlagern. Einen Ausweg gäbe es nur, wenn die Sorgearbeit als Kompetenz anerkannt und durch Lohnersatzleistungen entsprechend vergütet würde, statt als Fehlzeiten im Erwerbsleben zu zählen.

Verwendete Quellen: "wifor.com"," boeckler.de", "zeit.de", "hwwi.org", "destatis.de"

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Brigitte.de


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