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Vorbild Saufen, rauchen, fluchen – darf ich das als Mutter noch?

Ein Mann umarmt ein kleines Mädchen und schaut vorwurfsvoll in Richtung Frau mit einem Glas Wein in der Hand
© vadimguzhva / iStock
Schaden wir den Kleinen, wenn wir mal "Scheiße" sagen? Oder nicht die perfekten Vorbilder sind? Alles nicht so ernstnehmen, findet unsere Autorin. Die werden es schon verkraften.

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"Früher hat dein Opa vorne im Auto geraucht während ich hinten ohne Kindersitz und Anschnallgurt gesessen und gesungen habe", erzählt mein Vater gern. "Rote Ampeln waren damals auch eher zum Überfahren da", ergänzt er dann lachend. Tatsächlich lebt er glücklicherweise noch – und hat deswegen mich bekommen. Nicht, dass ich es richtig finde, wenn man Sechsjährige ohne Sicherung in der Karre vollqualmt, aber was meine Mütterfreundinnen und ich manchmal so veranstalten, ist auch nicht ganz sauber.

Auf der letzten Silvester-Party verbrachten Sonja und Tessa eine halbe Stunde mit etwa 100 Meter Sicherheitsabstand vor den Garagen. "Luis und Anton sind noch wach, wir wollen nicht, dass sie ihre Mütter auf dem Balkon rauchen sehen", flüsterten sie mir nach einer fünfminütigen Reinigungsaktion im Bad zu. Inklusive Desinfektion. "Nein, Carlotta, das ist Apfelschorle für Erwachsene", kreischte unterdessen meine Freundin Sabine, als ihre Fünfjährige nach ihrem Sekt griff. Und als ich "scheiße" rief, weil mein Gin Tonic runtergefallen war, trafen mich vor allem böse Blicke von Erwachsenen. Die Kinder kriegten gar nichts mit, weil sie sich mit Luftschlangen bewarfen. Und ich war nicht mal betrunken, sondern bin einfach ein Trottel. 

Auch die Besten machen Fehler

Natürlich muss man seine Kinder schützen, ich bin auch eher der behütende Typ Mutter. Natürlich sollte man sie nicht sturzbesoffen und "fuck" lallend zur Tanke schicken, um Kippen und Korn zu holen. Aber sie können trotzdem wissen, dass Mama da gerade nicht Apfelschorle trinkt, finde ich. Es gibt eben Dinge, die nur Erwachsene dürfen und Kinder nicht. Die sind nicht immer richtig oder gesund, manchmal sogar gefährlich. Deswegen muss man sie ja auch nicht nachmachen. Das kann man dann gleich dazu erklären. Selbst die Besten machen Fehler.

Ich habe dann mal darüber nachgedacht, ob ich päpstlicher sein muss als der Papst – oder besser mütterlicher als Mutter Theresa – und Folgendes beschlossen: Manchmal (oder auch öfter) rutscht mir eben ein "Scheiße" raus. Da meine Kinder selbstverständlich superschlau sind, sagen sie dann "Mama, das sagt man nicht", ich entschuldige mich – und fertig. Ich rauche nicht vor meinen Kindern, weil ich das nur betrunken tue. Und betrunken sollen sie mich nicht sehen. Das soll allerdings niemand, weil ich dann eine sehr peinliche Person bin. Meine Kinder sind noch ziemlich klein, ich muss einen einigermaßen klaren Kopf behalten. Aber das sind bloß meine Regeln. Es wird niemand daran sterben oder bleibende Schäden behalten, weil er erfährt, dass die Eltern auch schon mal an einer Zigarette gezogen oder einen Gin Tonic zu viel getrunken haben. Davon bin ich überzeugt. Punkt.

Normalerweise feiert man ja auch ohne die Kinder. Deswegen haben Sonja, Tessa, Sabine und ich gerade ein Wochenende in Berlin geplant. Dort können wir dann trinken, rauchen, "Scheiße", "Fuck" und "Leck mich am Arsch" sagen so viel und oft wie wir wollen. Wenn wir dann sonntags zurückkehren, werden wir wieder vorbildliche Vorbilder sein. Oder auch nicht. Aus meinem Vater ist schließlich auch was geworden, obwohl mein Opa ihn vollgequalmt und rote Ampeln überfahren hat. Erzählt er zumindest gern. 

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei BRIGITTE.de.


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