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Eltern-Schlaf Sollte ich schlafen, wenn das Baby schläft?

Eltern-Schlaf: eine junge Mutter liegt auf dem Sofa und ihr Baby liegt schlafend auf ihrer Brust
© Jacob Lund / Shutterstock
Wer das hier liest, weiß, dass Schlafentzug Folter ist und Schlafen das Himmelreich. Auch Julia Schmidt-Jortzig hatte einst von ihrer Hebamme den Rat bekommen: "Hinlegen, sobald das Baby schläft!" Dran gehalten hat sie sich damals nicht. Heute, ein Jahrzehnt später, ist sie klüger. Sie schläft mittags – und gräbt dafür nachts um vier den Garten um.

Wie macht man das Beste aus Schlaflosigkeit?

Neulich hat der Zeitungsbote fast einen Herzinfarkt bekommen. Nicht genug, dass es morgens um vier regnete wie aus Eimern und der arme Kerl wie immer vergeblich versuchte, die riesige Wochenzeitung in den Briefkasten zu pfriemeln. Plötzlich sah er zudem eine scheinbar verwirrte Gestalt im Pyjama und schlammverschmiertem Parka im Garten werkeln, eine Frau mittleren Alters mit Botten an den Füßen, in der Hand einen Spaten – nämlich mich. Schriller Aufschrei seinerseits, dann ein ungläubiges: "Alles okay bei Ihnen?!"

Na ja, was soll ich sagen? Ich versuche halt, das Beste aus meiner Schlaflosigkeit zu machen: carpe diem beziehungsweise noctem. Denn jetzt, wo die Kinder endlich größer sind und im eigenen Bett schlafen, liege ich oft nachts wach: Kopfkarussell. Wenn ich – wie neulich – draußen zum Beispiel Starkregen höre, gehen bei mir die Alarmglocken an. Es hat nämlich schon zweimal amtlich bei uns in den Keller geregnet, weil die Wand unter einem neuen Fenster nicht richtig abgedichtet ist (Handwerker kommen ja einfach gar nicht mehr). Und weil ich ohnehin nicht schlafen konnte, den Tee schon getrunken und die Kreuzworträtsel schon gelöst hatte, tat ich, was eh getan werden musste. Und zwar mitten in der Nacht: Ich legte Teich-Folie vors Fenster und ein paar Sandsäcke drauf. Heute würde man das wohl Reframing nennen: Ich deute eine eigentlich supernervige Situation (Schlaflosigkeit) einfach um in "Ach wie praktisch, dann kann ich das endlich mal in Ruhe machen."

Dafür lege ich mich jetzt mittags hin, richtig mit Wärmflasche und so und lasse mich von einem Herren mit sonorer Stimme per geführter Meditation in den Power-Nap säuseln. Das ist schön – und neu. Früher war Mittagsschlaf für mich ein rotes Tuch, einfach deshalb, weil er mir nicht gelang. Während Immo sich mittags immer schon genüsslich niederlegte und sofort wegdämmern konnte, um dann nach 20 Minuten mit rosigen Wangen aufzuwachen, hängte ich neidisch und lautstark schnaubend die Wäsche auf.

So viel zum Erwachsenenschlaf.

Führen wirklich alle Wege nach Rom?

Was die Kinder betrifft, haben wir alles probiert: Juri hat fünf Jahre lang nicht durchgeschlafen. (Zum Glück wusste ich nach dem ersten Jahr nicht, wie lange es noch dauern würde!) Als Matti ein Jahr nach ihm geboren wurde, schlief er zwar sofort durch, war aber dafür immer um fünf Uhr wach – die Kombi war herausfordernd. Denn machte ich dann morgens die verquollenen Augen auf, lag Matti bereits direkt vor meinem Gesicht mit seinem unfassbar süßen Lausbuben-Gesicht und strahlte mich unternehmungslustig an.

Zwar hatte ich bei Juri noch (erfolglos) versucht, ihn mit "Jedes Kind kann schlafen lernen" zu malträtieren, aber bei den anderen beiden fand ich das nicht mehr zeitgemäß – und gab einfach auf.

So kam es, dass Smilli bis zu ihrem sechsten Geburtstag bei uns im Bett geschlafen hat. Ja, ja, soll man nicht, Beziehungskiller und so, ich weiß – aber ich hatte einfach keine Kraft mehr. Nachgeben ist auch eine Lösung. Und zwar eine, die uns ein paar Jahre Schlaf beschert hat; wenn man davon absieht, dass ich mich morgens oft am Fußende wiederfand, weil ich intuitiv vor den Umarmungen meiner Tochter geflüchtet war, mit denen ich gar nicht schlafen konnte; Mutterliebe hin oder her.

Smillas Lösung: Abwechslung beim Schlafen

Heute schläft Smilli nicht mehr so oft bei uns. Dafür überall anders im Haus: Als Juri neulich zwei Wochen in einem Sprachcamp war, zog sie in sein Zimmer. ("Da duftet es wenigstens nach ihm!") Als unser neues Gästezimmer fertig war, schlief sie dort zwei Wochen ("Fühlt sich schon an wie Ausziehen!"), am Wochenende bei Matti auf dem Sofa ("Das ist so ein Party-Gefühl …), im Sommer im Gartenhäuschen oder auf dem Balkon ("Immer Bett ist doch öde!") und sehr gern bei Freundinnen. "Ich brauche einfach Abwechslung, sonst kann ich nicht schlafen", ist ihre Begründung.

Also daran kann es bei mir nicht liegen, denn Abwechslung gibt es genug. Habe ich früher nicht geschlafen, weil die Kinder zahnten, habe ich jetzt Sorgen, dass sich die Jungs auf dem Rückweg von irgendeiner Party nachts bei einem Radsturz die Zähne ausschlagen. Dann hole ich sie doch lieber ab: "Punkt 24 Uhr vor der Tür", sage ich. Und da stehen sie dann meistens tatsächlich. Von meiner Kollegin Anke habe ich nämlich den Tipp bekommen: "Sag den Kindern, du holst sie im Pyjama von der Party, wenn sie nicht pünktlich rauskommen. Das wirkt Wunder."

Apropos Partys: liebe ich nach wie vor. Gehe ich auch manchmal noch hin.

Doch während ich früher beim Small-Talk über gesunde Babymatratzen sprach, ertappe ich mich heute immer wieder dabei, wie ich mit einem Glas müde machendem Rotwein im Türrahmen stehe und etwas zu lange und leidenschaftlich über unsere Matratzen und das 1-a-Gesundheitskissen schwärme, das ich sogar mit in den Urlaub nehme.

Deshalb lese ich beim Buchen einer Ferienwohnung auch zuerst die Bewertungen: Nicht weil ich wissen will, ob das Domizil wirklich so hübsch eingerichtet ist und so nah am dänischen Nordsee-Strand wie versprochen, sondern weil ich hoffe, dass irgendjemand die Matratzen kommentiert. Sind sie so, dass ich berechtigte Hoffnungen auf erholsame Nächte haben kann? Oder muss ich fürchten, dass ich im Morgengrauen in den Dünen stehe, um bei Regen nach dem Seegras-Bestand zu sehen? Das wäre schlecht. Denn ich hab keine Ahnung, was Schlaflosigkeit auf Dänisch heißt. Wie also sollte ich das dem Brötchenboten erklären?

Julia Schmidt-Jortzig, 48, hat zwei Söhne (Juri, 16, Matti, 14), eine Tochter (Smilla, 9), einen Mann (Immo), einen Hund (Flocke), einen Job und ein Haus in der schleswig-holsteinischen Provinz. Was dabei im Alltag herauskommt, erzählt sie uns hier alle zwei Monate im Wechsel mit Joachim Brandl, Vater von zwei kleinen Töchtern aus Wien.

Zuhören kann man Julia auch: Im Podcast ELTERNgespräch unterhält sie sich diesmal mit Coachin Kathy Weber über gewaltfreie Kommunikation in der Familie. 

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