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Corona-Tagebuch einer Mutter #elternimpfen – Sind Eltern nicht systemrelevant?

Corona-Tagebuch einer Mutter: Mutter und Tochter tragen Maske
© Sergii Sobolevskyi / shutterstock
Unsere Autorin verfolgt aufmerksam die Debatte um die Impfpriorisierung von Eltern. Einige Gegenargumente nimmt sie ein bisschen persönlich. Denn mit "Vordrängeln" hat das Anliegen ihrer Meinung nach rein gar nichts zu tun.

Uff. Wieder einmal eine Corona-Fernsehdiskussion, bei der man den Beteiligten Kamera und Mikrophon entreißen möchte. Das Thema diesmal: Die (nicht vorhandene) Impfpriorisierung von Eltern. Die Argumente werden hin- und hergepingpongt, keiner kommt so recht zum Punkt, weil keiner so recht zugeben möchte, dass der jeweils andere auch ganz gute Argumente hat. Aber das große Hauptproblem: Keiner hört der Soziologin und Mutter, die für eine Impfpriorisierung wirbt, wirklich zu. Es geht hier nicht ums Vordrängeln vor Risikopatienten! Es geht hier einzig und allein um die Anerkennung einer Systemrelevanz von Eltern.

Mit brennender Lunge das Baby versorgen

Schon mal mit Corona-Fieber, Atemnot und Schüttelfrost einen Säugling gestillt und drei weitere Kinder betreut? Nein? Ich schon! Und deshalb maße ich mir an, mir ein Urteil darüber erlauben zu können, wie systemrelevant ich mich gefühlt habe in dieser Zeit. Denn während sich jede andere systemrelevante Gruppe, die bereits (und zwar völlig zu Recht, nicht falsch verstehen!!!) geimpft wurde, bei einer Corona-Erkrankung krankmeldet und sich ins Bett legt, sind Eltern auch krank weiter im Dienst. Kein Babysitter, keine Oma und kein Freund taucht auf, wenn die Viren im Haus und alle in Quarantäne sind. Du stehst alleine da und musst klarkommen. Komme, was wolle. Was mit den infizierten oder zumindest als Kontaktperson 1 eingestuften Kindern passiert, wenn Eltern ins Krankenhaus kommen, weiß ich tatsächlich gar nicht. Aber selbst wenn Eltern zuhause bleiben ... Wer einmal mit brennender Lunge um Luft rang, weiß, dass ein ebenfalls krankes und permanent schreiendes Baby in dieser Lage eine Grenzerfahrung ist, die man seinen schlimmsten Feinden nicht wünscht.

Keiner will sich vordrängeln

Nun sind Eltern ja gar keine ganz eigene Gruppe. Es gibt unter ihnen Risikopatienten, Lehrer, Erzieher, Kassierer, Polizisten, Pfleger und Ärzte. Doch die Eltern, die zu keiner dieser Gruppen gehören, die sind – so schreibt es die Soziologin Michaela Mahler für magZWEI so treffend – "der letzte Rest". Und obwohl keinem gebührt, der letzte Rest zu sein, gibt es verdammt gute Argumente, warum Eltern doch zumindest noch vor kinderlosen und kerngesunden Menschen mit Homeoffice-Möglichkeiten geimpft werden sollten:

  1. Eltern tragen ein erhöhtes Risiko und können sich nicht isolieren, da die Kinder in Schule und Kita viele unvermeidbare Kontakte haben und Eltern keinen Abstand zu ihren Kindern halten können.
  2. Elternschaft ist nicht pausierbar bei Krankheit – im Falle einer Corona-Infektion gibt es zudem kaum Unterstützungsmöglichkeiten.
  3. Kinder können noch nicht geimpft werden und würden durch geimpfte Elternschaft indirekt geschützt.
  4. Eltern tragen seit über einem Jahr mit die größte Last in der Pandemie und sind teilweise bedenklich erschöpft, was sich auf das Immunsystem auswirkt.
  5. Eltern sind nicht ersetzbar und müssen leistungsfähig bleiben – Long-Covid-Symptome beispielsweise wären fatal.
  6. Je nach Alter können Kinder gar keine oder keine ausreichend schützenden Masken tragen, was indirekt auch das Ansteckungsrisiko von Eltern erhöht.
  7. Long-Covid und PIMS sind Komplikationen, die auch Kinder schwer bis lebensbedrohlich erkranken lassen können.

Wir wollen nicht in den Biergarten oder nach Mallorca

Ich glaube, keinem Elternteil geht es in erster Linie darum, möglichst schnell wieder die Außengastronomie zu nutzen oder ins Kino zu kommen. Es geht uns um unsere Leistungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit als Mamas und Papas und um den Schutz der Kinder. Auch wenn die Kleinen meist keine starken Symptome entwickeln: Die Gesamtsituation ist für Kinder kaum noch tragbar. Corona schürt Verlustängste, Schuldgefühle und macht unsere Kinder einsam. Ein geschütztes Umfeld ähnlich einem Cocon könnte eine große Last von den kleinen Schultern nehmen. Eltern wissen, was ich meine, wenn ich sage: Die eigene Verletzlichkeit und Sterblichkeit wiegt besonders schwer, wenn man Sorge trägt für noch kleine Kinder. Wir wollen uns wirklich nicht vordrängeln. Wir wollen nur, dass jemand wahrnimmt, dass Kinder gesunde und geschützte Eltern ohne Angst brauchen. Ganz besonders in diesen Zeiten!

ELTERN

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